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fragt er mich, wie viele Siege ich habe. Dreizehn, sage ich, und er nickt anerkennend. Er zieht an seiner Kippe. Was machst du sonst so?, fragt er. Ich seufze, puuh, nicht viel, wie du siehst, ich häng rum, ich warte. Keine Jobs ab und an?, fragt er, und ich wisch die Frage weg, hör auf, ich bin mit sämtlichen Fabriken hier durch, das hat mich geschafft. Er zieht den Rauch seiner Zigarette mit der Nase ein, betrachtet mich. Und mit dem Boxen, kannst du damit was anfangen? Ich wiege den Kopf, frage mich, wie ich mich herauswinden kann, mir ist klar, dass Lahuiss sich nicht so leicht verarschen lässt. Hör zu, Digger, ich sag dir eins, du musst Schläge einstecken, und ich will nicht mit zertrümmertem Zinken, geschwollenem Gesicht und zu Brei geschlagenem Hirn enden. Die Boxer, die nach ihrer Karriere noch tadellos aussehen, sind dreifache Weltmeister. Du hast doch gesehen, wie ich lebe, wo ich trainiere, das ist vorbei. Lahuiss macht pfff, und was kommt stattdessen?, fragt er, und ich antworte, hey, suchst du heute Abend Streit, oder was? Poto prustet los, nee, meint er, Tatsache ist doch, Jonas is ’n guter Boxer, aber kein Athlet, er nimmt es nicht ernst, hat Sucré neulich ganz richtig gesagt, und ich halte dagegen, so ein Quatsch, was erzählst du, steig mit mir in den Ring, dann merkst du, wie ernst ich es nehme. Um das Thema zu wechseln, kommt Lahuiss auf sein Spezialgebiet, und sonst, sagt er, hast du gerade was am Laufen? Wenn er mich auf die Palme bringen wolle, antworte ich, müsse er nur so weitermachen, worüber er lachen muss und ich mit ihm, und Poto deutet auf Lahuiss, hab ich’s doch gerochen, du, Lahuiss, du hast uns was zu erzählen, yo, mischt Habib sich ein, sein Gesicht sagt alles. Lahuiss rückt seinen Stuhl zurecht, nimmt seine Erzählpose ein. Wirkt fast oberlehrerhaft. Ihm gefällt es, Zuhörer zu haben. Hat immer eine Geschichte im Ärmel. Leute, sagt er, ich sitze kilometertief in der Scheiße. Und ich habe mich da selbst reingeritten, ich stecke in einer verflixten Zwickmühle. Er drückt seine Kippe aus und zündet sich quasi mit derselben Bewegung eine neue an, nimmt einen Zug, saugt den Rauch durch die Nasenlöcher ein, ascht ab. Was los?, fragt Poto, geht’s darum, ein paar Typen zu verprügeln?, und Lahuiss antwortet, spinnst du, damit hat es nix zu tun. Er schnippt die Asche ab, ohne an der Kippe gezogen zu haben. Ich arbeite seit ’ner Ewigkeit mit einer Sis zusammen, Digger, sagt er, wir haben uns immer gut verstanden, aber da läuft nichts, wir sind Homies, doch, doch, Habib, isso, echt, ich schwör’s, und eines Tages, er nimmt einen Zug, eines Tages stellt mir die Sis ihre zwei Cousinen vor, er pafft Wölkchen, und so was wie diese Schwesterherzen hast du noch nicht gesehen, er ascht ab. Es kam, wie es kommen musste, ich hab mit beiden rumgeflirtet und schnell mitgekriegt, dass beide scharf auf mich sind, ich schwör’s, ich war der reinste Gockel, aber damals war ich noch mit Caroline zusammen, du erinnerst dich doch an Caroline? Jedenfalls hab ich mit beiden rumgemacht, aber mehr auch nicht, nur dass ich jetzt, da mit der Ische nix mehr läuft, wieder zurück im Spiel bin, du verstehst, was ich meine, und er nimmt einen Zug. Und?, fragt Poto, willst du jetzt beide flachlegen, oder was? Nein, meint Lahuiss und bläst den Rauch aus, Fakt ist, ich date die eine und flirte mit der anderen, die keine Ahnung von ihrer Schwester und mir hat, und er schnippt die Asche ab. So ein Bastard, sagt Habib, und Lahuiss nimmt einen Zug, er wirkt tatsächlich etwas gequält, Digger, anfangs stand ich auf die Kleine, er bläst den Rauch aus, die Große ist genau der Typ Frau, die jeder gern abschleppen würde, aber die Kleine, die hat was, ich weiß nicht, wie ich das sagen soll, er ascht wieder ab. Und wo ist jetzt das Problem, frage ich, du brauchst bloß bei der Kleinen bleiben, wenn sie dir besser gefällt, und Habib sagt, yo, so isses, und die Große stellst du uns vor. Lahuiss bläst den Rauch aus, Leute, sagt er, und nimmt einen Zug, das Problem ist, dass ich mit jeder Faser Liebe bin, er bläst den Rauch aus, ich weiß nicht, und er ascht ab, wenn mich eine Frau anmacht, kann ich einfach nicht widerstehen, er ascht wieder ab, und ich spür es genau, wenn es so weitergeht, er nimmt einen Zug, ich spüre, wenn es so weitergeht, werde ich die Große auch noch flachlegen, er atmet tief aus, und am Ende bin ich das allerletzte Arschloch, er streift die Asche ab. Dann nimmt er einen Zug, ascht ab, bläst den Rauch aus, ascht ab, seufzt, ascht ab. Ich sehe ihn an und verziehe den Mund, und er sagt, Jonas, ich schwör’s, das war keine Absicht, und dennoch liegt ein zweideutiges Lächeln auf seinen Lippen, dadurch ist es schwierig zu sehen, wo er steht, man weiß nie, ob er ein leichtsinniges Unschuldslamm oder ein waschechter Hurensohn ist. Er hat es raus, Schandtaten wie eine Arglosigkeit wirken zu lassen. Du bist ein verdammter Schakal, sagt Poto, der aussieht, als habe er seine eigene Meinung dazu, auch wenn man darauf wetten kann, dass er gern an Lahuiss’ Stelle wäre. Abaschen, einen Zug nehmen, Rauch ausblasen, abaschen, einen Zug nehmen, er drückt die Kippe aus, pustet und sagt, Scheiße noch mal, ich bin echt ein Dreckskerl. Während er spricht, beobachte ich ihn. Er gestikuliert viel beim Sprechen, besonders mit seinen Händen, an denen Goldringe stecken, drei an jeder Hand, darunter ein Siegelring an der rechten, den ich ihm abluchsen wollte, als wir klein waren. Damals war er ihm zu groß, deshalb schloss er immer seine Hand zur Faust, damit er nicht herunterrutschte. Er ist ständig in Bewegung, wenn er spricht, aber seine Gestik ist harmonisch, nichts wirkt plump bei ihm. Lahuiss ist keine Dumpfbacke, er drückt sich gewählt aus. Proll genug, um sich nicht selbst zu verleugnen, fein genug, um nicht darin unterzugehen. Ich kann mir vorstellen, dass er in anderen Kreisen nicht so spricht wie mit uns. Sein Besuch bei uns hinterlässt keinen Fleck auf ihm. Während wir uns Veilchen und verklebte Lungen holen und hier und da mal ausrasten auf einem Weg, der eine Endlosschleife ist.
Die Gangster am Couchtisch haben ihr Gespräch offenbar beendet. Untel verkündet, er gehe jetzt. Er schaut Romain an und sagt, Digger, das ist voll die Unordnung bei dir, schon mal erlebt, dass ’ne Perle auf dem Absatz kehrtgemacht hat und davongerannt ist? Er ist der Einzige, der lacht. Dann bietet er Romain noch einmal an, er könne ihm Gartengeräte besorgen, was mich zum Lachen bringt, typisch Untel, hat immer was in petto. Wenn er ein paar Sneaker anbietet, begreife ich das noch, aber das letzte Mal hatte er elektrische Gitarren. Und jetzt redet er von einer Heckenschere, die er nicht an den Mann bringt und deren Vorteile er auf eine Art anpreist, dass Romain glauben muss, er habe es mit einem Vertreter für Gartengeräte zu tun. Apropos Garten, jetzt wird er neugierig, wie der hintere Teil aussieht, und er geht zur Verandatür hinaus, gefolgt von Lahuiss, der schon Witze reißt, wie man hier ein Survivaltraining machen könnte. Ixe und ich wechseln einen Blick, uns beiden ist klar, dass sein Geheimnis auffliegen wird, und keine dreißig Sekunden später ist Untel zurück im Wohnzimmer und wendet sich aufgeregt an Romain, hey, ist das deins da draußen?, und, hallo, schon ist er dabei, ihm zu erklären, wie sie den Verkauf organisieren könnten, und Ixe gleich: Mach mal halblang, Untel, das ist mein Gras. Untel bricht in lautes Gelächter aus, Mensch, Ixe, träum ich, oder was, das hätt ich dir nicht zugetraut. Wo Ixe seinen Homies einfach was zukommen lassen will, sieht Untel vor allem die Gelegenheit, schnelles Geld zu machen. Wir könnten bloß einen Teil verkaufen, schlägt Miskine vor, aber Ixe will nichts davon hören. Lahuiss, der mit einer erloschenen Kippe auf seinen Daumennagel klopft, erhebt sich vom Stuhl, und mit dem Gesichtsausdruck eines Typen, der megastolz auf seinen Gesprächsbeitrag ist, verkündet er, man könne zumindest festhalten, dass dies durchaus eine Möglichkeit sei, seinen Garten zu bestellen. Meine Fresse, sagt Habib, was quatscht der denn? Sag bloß, du kennst Voltaire nicht, erkundigt sich Lahuiss mit gespielter Empörung. Verdammt, Leute, ist keiner von euch aufs Gymnasium gegangen? Seinen Garten bestellen ist aus Candide. Groschen gefallen? Candide?, wendet er sich an Habib, jep, antwortet der, sagt mir was, ich glaub, meine Schwester hat das für die Schule gelesen. Volltreffer, sagt Lahuiss, bestimmt hat deine Schwester es in der Schule gelesen, ist ja auch die Einzige aus der Familie, die bis zum Abi durchgehalten hat. Was für ein Mistkerl, lacht Habib laut. Na gut, werfe ich ein, was ist das für eine Geschichte mit dem Garten. Lahuiss zündet seine Kippe an. Mann, was zündest du dir noch ’ne Kippe an, wir gehen, hab ich gesagt, drängt Untel. Klappe, erwidert Lahuiss, ohne ihn anzusehen.
Also, Leute, um es kurz zu machen, Candide ist die Geschichte eines kleinen Spießers, der in einem Schloss mit Hauslehrer aufgewachsen ist, und der hat ihn in Philosophie und so weiter unterrichtet mit dem Grundgedanken, dass dies die beste aller Welten sei und alles zum Besten in ihr stehe. Candide geht es also super, er führt ein geruhsames Leben, nur dass er eines Tages die Tochter des Barons flachlegt, bei dem er lebt. Sie heißt Kunigunde, meine Fresse, wir sind im achtzehnten Jahrhundert. Deshalb schmeißt man ihn kurzerhand mit ein paar Tritten in den Arsch hinaus, und er landet als Outlaw auf der Straße. Von da an lässt der Typ nichts aus: Als Soldat zieht er in den Krieg gegen die Bulgaren, er geht nach Paraguay, erlebt das genaue Gegenteil, als er Eldorado
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