Syltleuchten. Sibylle Narberhaus
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Читать онлайн книгу Syltleuchten - Sibylle Narberhaus страница 9

Название: Syltleuchten

Автор: Sibylle Narberhaus

Издательство: Автор

Жанр: Триллеры

Серия:

isbn: 9783839253229

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СКАЧАТЬ für ein Notfall das war, überlegte er auf seinem Weg zum Empfang. Er kam am Wartezimmer vorbei. Ein Blick hinein bestätigte ihm, dass er noch einige Patienten bis zur Mittagspause zu behandeln hatte. Aus dem Augenwinkel konnte er eine junge blonde Frau erkennen, an der sein Blick kurz hängen blieb. Sie widmete ihre Aufmerksamkeit allerdings gerade einem kleinen Kind, das auf dem Boden saß und die Kiste mit den Bauklötzen ausräumte. Uninteressant, dachte Marcus und ging weiter. Er mochte keine Kinder, denn seiner Meinung nach kosteten sie Geld, Zeit und vor allem Nerven. Außerdem hatte man sie sein Leben lang am Hals. Als er mit Anna zusammen war, hatte sie ihm ewig mit ihrem Kinderwunsch in den Ohren gelegen. Er hatte sie immer wieder mit neuen Ausreden vertrösten können. Marcus richtete jetzt seine Augen weiter zum Empfangstresen, und seine ohnehin üble Laune an diesem Vormittag verschlechterte sich schlagartig um ein Vielfaches. Dort standen zwei hünenhafte Gestalten in schwarzer Kleidung mit kurz rasierten Schädeln und sahen düster drein. Sie sahen aus, als ob sie vor lauter Kraft kaum zu gehen vermochten. Jedenfalls waren sie alles andere als Notfallpatienten. Daran bestand kein Zweifel. Auch wenn die beiden Hünen verkniffen umherblickten, Menschen mit Zahnschmerzen sahen anders aus. Und erschienen zumeist nicht im Doppelpack. Jedenfalls Kerle in dieser Größe. Bei Schulkindern mit ihren Eltern war das etwas anderes, aber darum handelte es sich hier definitiv nicht.

      »Guten Tag, die Herren«, begrüßte Marcus sie und versuchte seine aufsteigende Nervosität zu überspielen. »Womit kann ich Ihnen weiterhelfen?«

      Er wusste, dass dies kein Freundschaftsbesuch war, obwohl er die beiden Männer persönlich nicht kannte. Pharmareferenten waren es ganz offensichtlich nicht. Die sahen für gewöhnlich anders aus und lächelten in aller Regel äußerst freundlich. Diese beiden Muskelpakete dagegen sahen ihn nur mit verächtlichen Mienen an und erwiderten zunächst nichts.

      »Ich würde vorschlagen, wir gehen in mein Büro. Was meinen Sie?« Marcus räusperte sich. Dann ging er ein paar Schritte an den beiden vorbei und öffnete eine Tür. Er gab der Sprechstundenhilfe ein Zeichen, dass er unter keinen Umständen gestört werden wollte. Sie verstand und nickte. Die beiden Männer folgten ihm wortlos, und Marcus schloss sofort die Tür hinter ihnen. Bevor er irgendetwas sagen konnte, wurde er bereits mit dem Rücken gegen den Einbauschrank gepresst, und einer der beiden Männer hielt ihm dabei eine Hand fest an die Kehle. So fest, dass Marcus kaum Luft zum Atmen blieb. Mit solch einem tätlichen Angriff hatte er in keiner Weise gerechnet. Sein Rücken und sein Kopf schmerzten von dem heftigen Aufprall gegen das Möbelstück.

      Der zweite Kerl stand genau neben ihm und sagte mit hartem osteuropäischen Akzent: »Jetzt pass mal gut auf, Doktor Strecker! Herr Karmakoff hat langsam die Nase voll von dir. Letzte Chance heute in einer Woche. Bis dahin hast du das Geld, verstanden? Sonst …«

      Er griff mit einem süffisanten Grinsen nach der rechten Hand von Marcus und zog zeitgleich mit der anderen Hand ein Taschenmesser aus der Hosentasche. Marcus schielte mit panischem Blick auf die Waffe. Der Mann legte die blitzende Klinge an den Daumen von Marcus’ Hand und grinste noch breiter. Marcus konnte das kalte Metall an der Haut spüren. Er schluckte. Dann zog der Mann das Messer ganz langsam mit mäßigem Druck über Marcus’ Handballen. Marcus stöhnte leise auf und biss die Zähne zusammen, denn ein brennender Schmerz durchfuhr seinen Körper. Ein kleines rotes Rinnsal lief über seine Hand. Blut tropfte zu Boden.

      »Ist nicht gut, Zahnarzt ohne Daumen!«, bemerkte der andere der beiden, der Marcus die Hand an die Kehle drückte und ihn somit in seiner Gewalt hatte.

      Er roch unangenehm nach billigem Aftershave, und Marcus konnte nur mit Mühe ein Niesen unterdrücken. Sein Kollege mit dem Messer gab ein glucksendes Geräusch von sich. Beide empfanden die Situation als äußerst erheiternd.

      »Ich denke, wir haben uns verstanden, Strecker. Und keine Tricks! Das würde dir schlecht bekommen. Sehr schlecht.«

      Der Mann ließ von Marcus ab, der sich sofort reflexartig an die Kehle griff und zu husten begann. Er war nicht in der Lage zu antworten, sondern nickte bloß. Schweiß lief ihm den Rücken hinunter, und in seinen Schläfen pochte das Blut. Der eine der beiden Männer wischte das Messer mit einem Papiertaschentuch ab, klappte es zusammen und ließ es in der Hosentasche verschwinden. Dann wandte er sich zur Tür. Sein Mitstreiter folgte ihm, nicht ohne vorher Marcus einen kräftigen Stoß gegen die Schulter zu geben, sodass dieser fast gestürzt wäre. Er taumelte und prallte erneut gegen den Schrank. Als die beiden endlich den Raum verlassen hatten, begutachtete Marcus seine Hand. Er griff nach einer Sprayflasche neben dem Waschbecken und desinfizierte als Erstes die Wunde. Anschließend klebte er ein Pflaster auf die verletzte Stelle. Die Blutung hatte jedoch nicht aufgehört, genauso wenig wie der brennende Schmerz. Wie sollte er damit vernünftig arbeiten? Er ließ sich auf seinen Bürostuhl fallen und vergrub sein Gesicht für einen Augenblick in den Händen. Er hatte Mühe, seine Gedanken zu sortieren, und durfte unter keinen Umständen kopflos werden. Die Typen machten wirklich ernst. Jetzt hatte er ein gewaltiges Problem, denn er hatte das geforderte Geld nicht. Er brauchte dringend einen Plan B und zwar einen verdammt guten. Doch er hatte bereits eine Idee. Das Telefon auf seinem Schreibtisch klingelte plötzlich und riss ihn aus seinen Überlegungen. Ungeachtet ließ er es klingeln.

      Nach dem sechsten Klingeln griff er schließlich doch zum Hörer und sagte nur genervt: »Nicht jetzt!«

      Und legte wieder auf. Dann stand er langsam auf, atmete tief durch und ging ins Behandlungszimmer. Auf dem Weg dorthin rief er seiner Sprechstundenhilfe zu: »Sagen Sie für heute und die nächsten zwei Wochen alle Termine ab und nehmen Urlaub. Das gilt für alle hier! Die Praxis ist ab sofort geschlossen.«

      Die Sprechstundenhilfe hinter dem Tresen traute ihren Ohren kaum und sah ihren Chef ungläubig aus weit aufgerissenen Augen an.

      »Alle?«, fragte sie zaghaft. Dann deutete sie auf Marcus’ Hand. Das Pflaster hatte sich dunkelrot verfärbt. »Oh mein Gott, Sie bluten ja, Doktor Strecker!«

      »Ja, alle!« Marcus sah kurz zu seiner Hand. »Nun gucken Sie nicht so blöd, sondern machen Sie, was ich Ihnen gesagt habe! Ich wiederhole mich äußerst ungern. Das sollten selbst Sie mit Ihrem Spatzenhirn mittlerweile verstanden haben. Worauf warten Sie also?«

      Der Sprechstundenhilfe fehlten die Worte. Sie schnappte nach Luft und sah ihm fassungslos hinterher, wie er an ihr vorbeistürmte und in einem der Sprechzimmer verschwand.

      Kapitel 6

      Nachdem ich ebenfalls das ›Café Wien‹ verlassen hatte, machte ich einen kleinen Abstecher zum Strand. Plötzlich verspürte ich den unwiderstehlichen Drang, ans Meer zu gehen, um den Kopf frei zu bekommen. Das tat ich immer, wenn meine Seele Freiraum brauchte. Und das war jetzt dringend der Fall. Die Vorstellung, dass Jan Britta mit einer anderen Frau betrog, verursachte mir ein beklemmendes Gefühl. Fast so, als wäre ich selbst betroffen. Ich konnte nur zu gut nachvollziehen, wie Britta sich fühlen musste. Nachdenklich ging ich die Strandstraße weiter in Richtung Meer. Überall in den Auslagen der Geschäfte wurde man an das nahende Osterfest erinnert. Bunte Eier, Hühner und Hasenfiguren in den unterschiedlichsten Größen, Farben und Ausführungen zogen die Aufmerksamkeit auf sich. Ich ging hinter dem Freizeitbad, der ›Sylter Welle‹, rechts die Strandpromenade ein Stück entlang, nachdem ich das Kontrollhäuschen für die Gästekarten passiert hatte. Der nette Mann darin kannte mich mittlerweile schon, begrüßte mich und winkte mich freundlich durch, ohne dass ich meinen Ausweis zeigen musste. Viele Spaziergänger waren unterwegs, sowohl auf der Seepromenade als auch unten am Strand. Die blau-weiß gestreiften Strandkörbe warteten zu Hunderten darauf, von den Urlaubern in Beschlag genommen zu werden. Sobald sie den Strand zierten, war dies ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Saison eingeläutet war. Eine große Silbermöwe thronte majestätisch auf einem der Körbe, als würde sie sich einen Überblick über ihr Reich verschaffen wollen. Der Himmel war mittlerweile ganz aufgerissen, und nur wenige weiße Wolkenfetzen wurden vom Wind über den Himmel getrieben. Das Wasser СКАЧАТЬ