Название: Der Kodex des Bösen
Автор: Frank Kurella
Издательство: Автор
Жанр: Исторические детективы
isbn: 9783839230169
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Vor dem Zelt war Totenstille eingekehrt. Nur der schwere Atem des Mannes neben Marcus war noch zu hören. Wer war der Fremde? Hätte er ihn töten wollen, so hätte er nur zustechen brauchen, als er Marcus von hinten gepackt hatte. Diese Schlussfolgerung beruhigte ihn ein wenig. Von Zeit zu Zeit meinte er ein leises Stöhnen zu vernehmen. Ein Stöhnen wie das eines Verwundeten. War dies der Grund, warum der Mann ihn nicht vollends überwältigt hatte? Der Grund, warum sein Arm so kraftlos niedergesunken war?
Noch lange hing Marcus seinen Gedanken und Ängsten nach. Mit einem Sterbenden in seinen Armen hatte der Tag begonnen und mit einem Dolch an der Kehle geendet. Doch hatte dieser Tag nur Grauenhaftes für ihn bereitgehalten? Nein, immer wieder rief er sich das Gesicht der schönen Irin ins Gedächtnis. Konzentriert auf ihre fröhlichen Augen und den Glanz ihres Haares, meinte er beinahe den Lavendelduft zu riechen, den ihr Körper ausgeströmt hatte. Schon im nächsten Augenblick rissen ihn die Worte des sterbenden Priesters aus seinen Träumereien: ›Schrein, Quirinus, Diebe, drei Muscheln, Armarius Niko…‹ Die tiefe Nacht war bereits hereingebrochen, bevor er trotz aller quälenden Gedanken einschlief.
*
Die Schatten rückten noch enger zusammen. »Habt Ihr es endlich gelöst?«, fragte der eine ungeduldig mit drohendem Unterton und hielt den Leuchter höher, sodass der Schein der Kerze das Gesicht seines Gegenübers erhellte.
»Bisher war meine Suche nicht erfolgreich«, entgegnete der andere. »Es ist recht beschwerlich, nur drei Stunden des Nachts suchen zu können. Meint Ihr nicht, dass …«
»Auf keinen Fall! Am Tage könntet Ihr entdeckt werden, und alles war umsonst. Schlagt Euch diesen Gedanken ein für alle Mal aus dem Kopf. Wie mir der Bote heute berichtete, sind bereits zwei Horte des Geistes in unserem Besitz. Der dritte folgt schon in den nächsten Wochen.«
»Und wenn ich letztlich nicht fündig werde und alles umsonst war?«
»Dann möchte ich nicht in Eurer Haut stecken. Ihr glaubt nicht im Ernst, ich wäre dieses Wagnis eingegangen, um am Ende mit leeren Händen dazustehen und schuldbeladen vor den Herrgott zu treten! Ihr habt es mir versprochen und werdet Eure Zusage halten.« Die Ungeduld in seiner Stimme wurde eindringlicher. Einmal mehr bereute der andere, dass er sich in einem Anfall des Leichtsinns offenbart hatte. Zu drückend war die Erkenntnis des Entdeckten geworden, als dass er sie länger für sich hätte behalten können. Die Begehrlichkeit, die er dadurch geweckt hatte, saß ihm nun bleischwer im Nacken, wie ein Gewicht, das die Waagschale unausweichlich herunterdrückt. »Die unumgängliche Geisel der Menschheit, der Krieg, wird Euch eine Galgenfrist gewähren. So werden meine Helfer noch einige Zeit brauchen, die Vorbereitung zu vollenden. Nutzt die Zeit, die Euch verbleibt.« Mit diesen drohenden Worten wandte er sich ab und verließ das nächtliche Treffen. Eilig führte der Zurückgebliebene seine Arbeit fort.
*
Durch die kleine Maueröffnung des Blutturms fiel spärliches Mondlicht ins Innere und ließ die Spuren der ersten Befragung in Janssens Gesicht erkennen. Hatte er zu Beginn alles noch für ein Missverständnis gehalten, so hatten die Schläge, die seine Nase zertrümmerten, jeden Zweifel zerstreut. Ein Geistlicher hatte sie bereits erwartet, als man ihn am Abend in den Blutturm, in das städtische Gefängnis, geführt hatte. Man hatte ihn nach Marcus gefragt und den Worten mit einigen Stockschlägen Nachdruck verliehen. Der Priester hatte stumm in einem der dunklen Winkel gestanden und keine Miene verzogen, als das Verhör mit unerbittlicher Brutalität fortgesetzt wurde. Immer wieder hatte Hubertus Hohenfels unerbittlich zugeschlagen.
Jetzt, wo Berthold Janssen wieder allein war und über die Geschehnisse dieses furchtbaren Tages nachdachte, kamen ihm Bilder aus längst vergangenen Zeiten in den Sinn. Er sah den kleinen braunhaarigen Jungen vor sich, wie er ihn freundlich mit der breiten Zahnlücke eines Sechsjährigen angelächelt hatte. Dankbar hatte ihn Hubertus jedes Mal angestrahlt, wenn er ihm einen glänzenden Apfel zugesteckt hatte. Auch wenn es dem Jungen Mühe bereitet hatte, mit seinen verbliebenen Milchzähnen die kräftige Schale zu zerbeißen, so schien dieser rote Apfel ein Stück kindliche Glückseligkeit bedeutet zu haben. Und was war aus diesem kleinen freundlichen Jungen geworden? Ein eiskalter Scherge des Schultheißen, der brutal auf ihn eingeschlagen hatte, um zu erfahren, wo sich Marcus aufhielt. Selbst wenn er es gewusst hätte, hätte er es ihm trotz aller Schläge nicht gesagt. Was würde noch folgen? Berthold Janssen versuchte sich damit zu trösten, dass Marcus wohl in Sicherheit war. Sicherheit wovor? Was hatte der Junge nur so Schlimmes angestellt, dass man ihn, seinen Vormund, aus dem Haus geschleift und hierher gebracht hatte, um ihn so zu misshandeln? Gewiss würde sich die Lage schon morgen klären, und er könnte zu Annehild zurückkehren.
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