Der Kodex des Bösen. Frank Kurella
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Kodex des Bösen - Frank Kurella страница 4

Название: Der Kodex des Bösen

Автор: Frank Kurella

Издательство: Автор

Жанр: Исторические детективы

Серия:

isbn: 9783839230169

isbn:

СКАЧАТЬ getragen hatte. Schon an der Gangart des Recken erkannte der Kutscher von Weitem, was ihm die ordentliche Fahne des Mannes bestätigte, als er nun einen Schritt vor ihm stand. Der Kerl hatte sich offenbar die Zeit mit einigen Bechern Branntwein vertrieben und sich einen ordentlichen Rausch angesoffen, der jeden anständigen Mann aus den Stiefeln gehauen hätte. Laut rülpsend reichte er dem Kutscher ein klimperndes Ledersäckchen. Angewidert drehte dieser den Kopf zur Seite und verstaute den Beutel in seinem Wams, konnte sich jedoch angesichts der üppigen Bezahlung ein breites Grinsen nicht verkneifen.

      »Ihr braucht gar nicht so dümmlich zu lächeln!«, fuhr ihn der Recke an. »Glaubt ja nicht, dass wir nicht merken, dass Ihr uns übers Ohr haut.« Er schaute den Kutscher aus rot unterlaufenen Augen grimmig an. Was sollte er machen? Die große Zahl derer, die sich hier vor den Toren Neuss’ mit den letzten Besorgungen eindeckten, hatten die Preise selbst für die schlechteste Qualität in die Höhe getrieben. Weniger vom schlechten Gewissen getrieben als aus Angst vor einer tüchtigen Abreibung, verneigte sich der Kutscher kurz und stieg eilig auf. Gerade als sich der Wagen in Bewegung setzte, hielt der Ritter das Pferd am Zaumzeug zurück. Der Mann auf dem Bock zuckte zusammen.

      »Ach ja, bevor Ihr ihn vermisst: Euren Burschen schicke ich Euch nach, sobald er die Felle hinüber zu unseren Zelten geschafft hat«, lallte der Betrunkene und gab das Pferd mit einer wegwerfenden Bewegung wieder frei.

      Bursche? Von wem sprach der versoffene Kerl? Doch diese Frage wollte der Kutscher nicht vertiefen. Einen Disput mit diesem Trunkenbold zu riskieren, war nun wirklich nicht nach seinem Geschmack. Rasch wendete er den Wagen und fuhr kopfschüttelnd, aber erleichtert davon.

      *

      »Brauweiler? Das allein wäre ja nicht das Schlimmste! Aber als Schreiberling?« Die Stimme des Alten überschlug sich vor Erregung, und Speicheltropfen spritzten seinem Gegenüber ins Gesicht. Es war das zweite Mal an diesem Tage, dass Ignatius eine äußerst unangenehme Nachricht überbringen musste. Musste? Oder war es mehr ein Dürfen? Insgeheim gestand er sich ein, dass ihm dies im Falle des ersten Beraters in gewisser Weise Freude bereitete. Er hatte den Alten in seiner rücksichtslosen, eiskalten Art nie gemocht. Ein Schauer des Ekels war ihm jedes Mal über den Rücken gelaufen, wenn dieser mit seinem silberverzierten Stock an ihm vorbeigehumpelt war. Längere Zeit hatte er ihn schon in Verdacht, dass er sein eigenes geldgieriges Spiel hinter den Mauern des erzbischöflichen Palastes trieb, jedoch nie Beweise hierfür gefunden. Häufig hatten zwielichtige Gestalten vorgesprochen, die zur Überraschung aller auch noch zum Legaten vorgelassen werden mussten. Danach zog sich der Alte oft rätselhafterweise zurück.

      Wie sehr hatte Ignatius den heutigen Tag herbeigesehnt. Endlich warf Siegfried diesen greisen Schmarotzer aus dem erzbischöflichen Palast. Wie ein toter Aal in der Sommersonne sollte dieser eklige Alte in Brauweiler verrotten! Ignatius’ Ziel, zum ersten Berater aufzusteigen, schien in greifbarer Nähe. Schon bald würde der Erzbischof allein auf seine Worte hören und ihm sein ganzes Vertrauen schenken.

      »Ich kann Euch gar nicht sagen, Bruder Lucius, wie sehr ich auf den Erzbischof eingeredet habe, Gnade vor Recht ergehen zu lassen«, heuchelte Ignatius.

      »Eure Fürsprache schert mich einen Dreck!« Der Alte rappelte sich mühsam auf und stütze sich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf seinen Gehstock. Wenn er nur jünger und nicht so gebrechlich wäre, hätte er diesen Bastard von Erzbischof mit eigenen Händen erwürgt. Diese Schmach würde er ihm heimzahlen, das schwor er sich. Als Schreiber dieses Mattäus, dieses schleimigen Emporkömmlings, würde er auf keinen Fall enden. Schon gar nicht in Brauweiler!

      So gut es seine schmerzende Hüfte zuließ, ging er in seiner Kammer auf und ab und überlegte krampfhaft, wie er es anstellen könnte, das Blatt noch zu wenden.

      »Eure Abreise ist für den morgigen Tag vorgesehen. Der Erzbischof hat bereits alles veranlasst.« Mit diesen Worten verabschiedete sich Bruder Ignatius und ließ den wütenden Alten zurück.

      *

      Als Marcus an die Stelle zurückkam, an der die restlichen Felle lagen, war das Fuhrwerk schon lange verschwunden. Zunächst ärgerte er sich, dass er zu Fuß zur Stadt zurückkehren musste. Aber schon im nächsten Augenblick wurde ihm bewusst, dass er nach den Geschehnissen der frühen Morgenstunden gar nicht zurückkehren konnte. Jeder andere Bürger der Stadt hätte den sterbenden Priester in seinen Armen halten können und wäre niemals in Verdacht geraten. Doch ausgerechnet er? Man hatte seine diebische Vergangenheit nicht vergessen, und die Wirtsleute mussten sich manch üble Anfeindung anhören, seit sie Marcus bei sich aufgenommen hatten. Die ›anständigen‹ Neusser, die einfach nicht an seine Verwandlung zu einem rechtschaffenen Kerl glauben wollten, würden ihn für den Reliquiendieb halten. Darüber hinaus hatte seine instinktive Flucht ihren Anschuldigungen schließlich weiteren Nährboden gegeben. Einen gerechten Prozess, in dem er sich verteidigen konnte, würde er als ehemaliger Dieb nicht erwarten können. Wenn es überhaupt zu einer Verhandlung vor dem Schultheißen kam. Dagegen konnte er sich der geballten Wut des Klerus und der Bürgerschaft über den Verlust des Heiligen sicher sein. Neben den bedeutsamen Glaubensaspekten war der heilige Quirinus schließlich eine beachtliche Geldquelle für die Stadt. Jahr für Jahr kamen Tausende Pilger nach Neuss, um ihn um seine Fürsprache bei Gott anzuflehen. Da es sich bei dem Diebesgut um eine heilige Reliquie handelte, würde man Marcus als Dieb und Ketzer gleichermaßen richten, und dies eher heute als morgen.

      So gedankenversunken irrte er zwischen den Zelten des riesigen Lagers ziellos umher. Nach einer Weile setzte er sich auf eines der Strohbündel, die hier und da verstreut lagen.

      »Zu welcher Grafschaft gehörst du, Rumtreiber? Dein Herr wird dich Faulpelz schon suchen!« Ein stark untersetzter Mann trat gegen das Bündel, auf dem Marcus saß. Erschrocken sprang dieser auf.

      »Äh, ich gehöre nicht …«, er stockte und besann sich. »Gewiss, Herr, verzeiht. Ich werde sofort an meine Arbeit zurückkehren.« Er durfte um keinen Preis auffallen. Solange er nicht wusste, wo er eine sichere Zuflucht finden würde, bot ihm das riesige Lager mit seinen unzähligen Männern und Burschen ausreichend Schutz. In den Massen konnte er vorerst untertauchen. Eilig verschwand Marcus zwischen den Zelten.

      Von nun an bemühte er sich, so geschäftig wie möglich zu wirken, lief mal hierhin, mal dorthin und betrachtete interessiert die Wappenschilde, die vor den Schlafstätten standen. Zu dumm, dass er von Wappenkunde nun wirklich nichts verstand. Zu gerne hätte er gewusst, woher die Männer kamen, die hier vor den Toren der Stadt Neuss ihr Lager aufgeschlagen hatten. Nur eines hatte er erkannt. Der gelbe Löwe auf blauem Grund: Dies war das Wappen Rainalds I., des Grafen von Geldern. Die Grafschaft Geldern war eine der mächtigsten der Gegend, und einige Leute sagten, Rainald sei darüber hinaus der rechtmäßige Erbe des Herzogtums Limburg. Doch gerade um diese Erbschaft war vor einigen Jahren ein erbitterter Streit entbrannt.

      »Dem Brabanter werden wir schon die Hammelbeine lang ziehen!« Vor dem Zelt, an dem Marcus gerade vorbeikam, standen einige Männer in den unterschiedlichsten Wappenröcken. Marcus bog um die Zeltecke und begann, mit einer Forke das Heu umzuschichten, das dort lag. Von hier aus würde er die Ritter belauschen können, ohne weiter aufzufallen. Vielleicht würde er ja endlich erfahren, warum sich Tausende Bewaffnete ausgerechnet vor den Toren Neuss’ versammelt hatten.

      »Erzbischof Siegfried hat ganz recht, wir müssen Herzog Johann von Brabant, diesen Erbschleicher, ein für alle Mal in seine Schranken weisen. Die Sache ist ehrenwert und gottgefällig. Schließlich verhilft Erzbischof Siegfried Graf Rainald nur zu seinem Recht als Witwer der Irmgard von Limburg«, fuhr der Mann fort. Marcus stutzte bei diesen Worten. Im ›Schwarzen Krug‹ hatte er die Sache von einer ganz anderen Warte aus gehört. Ein angetrunkener Wanderprediger war eines Abends in die Schenke gekommen und hatte wutentbrannt davon berichtet, dass der Erzbischof von Köln das Limburger Erbe nach dem frühen Tod Irmgards nur an sich reißen wolle, um seine Ländereien, die einem Flickenteppich glichen, zu СКАЧАТЬ