Ebbe und Blut. Peter Gerdes
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Ebbe und Blut - Peter Gerdes страница 7

Название: Ebbe und Blut

Автор: Peter Gerdes

Издательство: Автор

Жанр: Триллеры

Серия:

isbn: 9783839264782

isbn:

СКАЧАТЬ aktive, an handfeste Kritik per Sabotage ließ alle schaudern.

      Der Kreis zerstreute sich. Iwwerks spürte die Seitenblicke. Keine Droge heute. Er musste die Sache endlich ins Reine bringen, so viel war klar. Dieser Spagat war nicht mehr lange durchzuhalten.

      Nachbar Ihne Kröger blieb noch einen Augenblick an seiner Seite. »Was macht denn deine Tjalk?«, fragte er. »Kommst du voran mit dem Ausbau?«

      »Kein Stück.« Iwwerks seufzte. »Liegt ja immer noch in Emden, im Jarssumer Hafen. Was soll ich da schon schaffen?« In Greetsiel besaß er eine Halle, die auch geheizt werden konnte. »Aber solange alles zugefroren ist, kann ich das Boot ja nicht holen. Kaum zu glauben, so viel Eis haben wir seit Jahrzehnten nicht mehr gehabt.«

      Iwwerks hatte sich das zwölf Meter lange Holzschiff selbst zum fünfzigsten Geburtstag geschenkt. Die Substanz war gut, der Zustand zwar nicht original, aber die entstellenden Umbauten hielten sich in Grenzen. Mit etwas Zeit und Geld ließ sich bestimmt ein Schmuckstück daraus machen. Und Zeit und Geld hatte er ja genug.

      »Kannst du’s denn nicht mit dem Trailer holen?«

      »Hör bloß auf! Dreizehneinhalb Tonnen Gewicht und vier Meter Breite, da brauche ich doch ’nen Schwertransporter mit Sondergenehmigung und Polizeibegleitung. Nee, nee. Außerdem« – er blieb stehen, schob beide Hände in die Jackentaschen und streckte den Bauch vor – »außerdem dauert das keine zwei Wochen mehr, dann taut es rapide. In drei Wochen ist das Eis weg, und dann fahre ich das Schiff alleine rüber. Sollst mal sehen.«

      Kröger schaute den Wetterpropheten bewundernd an, ehe er sich verabschiedete.

      Iwwerks atmete tief durch.

      8

      Die Autobahn zwischen Emden und Leer war zwar schon seit längerer Zeit lückenlos fertig, aber Boelsen benutzte sie nicht. Das tat er nie. Längere Strecken legte er mit der Bahn zurück, notfalls mit dem Flugzeug. Seinen Urlaub verbrachte er ohnehin auf dem Wasser, entweder auf einem gecharterten Segelboot irgendwo in der Ägäis oder auf der Aeolus, seinem Dreizehnmeter-Motorkreuzer, irgendwo in den hiesigen Revieren, auf den Flüssen Ems und Weser oder zwischen den Inseln.

      Aeolus, der Herr der Winde – den Namen hatte er natürlich bewusst gewählt, und er passte zu ihm wie zu seiner Profession. Besser als das stählerne Schiff selbst mit seinen beiden großvolumigen Dieselmotoren. Irgendwann würde er sich eine Segelyacht zulegen, eine, deren Segel so geschnitten waren, dass er sie auch alleine beherrschen konnte. Herr der Winde. Aber vorerst brauchte er die alte Aeolus noch, denn sie diente auch als schwimmende Tagungsstätte für Geschäftspartner und potentielle Kunden. Mancher Vertrag, der zwischen Bürowänden auf Widerstände stieß, kam an der frischen Seeluft problemlos zur Unterschrift.

      Sein Diesel-Golf fuhr mit Rapsöl, und er benutzte ihn fast ausschließlich im Nahbereich, zwischen seinem Haus in Leer-Loga, seiner Firma in Wiesmoor und den Anlagen und Baustellen überall in Ostfriesland. Wenn es in Diskussionen mit Umweltschützern um die Drosselung des individuellen Energieverbrauchs ging, führte er sich gern selbst als Beispiel an. »Wo es Wege zur Einsparung gibt, da müssen wir sie nutzen, und wo es diese Wege noch nicht gibt, da müssen wir sie schaffen.« Boelsen nickte gedankenverloren. Für ihn gab es keine Kluft zwischen Überzeugung und Geschäft. Er gönnte sich eine kleine Dosis Selbstzufriedenheit.

      In Oldersum, wo die Bundesstraße direkt am Innentor der Schleuse vorbeiführte, nahm er Fahrt weg und schaute durch das Brückengeländer auf den Ems-Seitenkanal hinunter. Weiter hinten spielten Kinder auf dem Eis, das so dick war wie selten. Mehrere kleinere Yachten ragten aus der weißen Fläche, eine davon war steuerbords bis zum Gangbord weggesackt, vermutlich vom Eisdruck beschädigt und vollgelaufen. Boelsens eigenes Schiff stand sicher an Land, im Winterlager. Er wusste genau, was ihn diese Aktion gekostet hatte, trotz aller Beziehungen, und verbot sich daher jede Schadenfreude. Die Überholungsarbeiten waren beendet; sobald das Eis weg war, sollte die Aeolus wieder ins Wasser, so schnell wie möglich.

      Noch aber war das Eis da, und darum beneidete er die Kinder: Schöfeln gehörte zu den ostfriesischen Grundsportarten. Boelsen hatte sich vor Jahren schon Schlittschuhe gekauft, in den letzten Wintern aber hatte es nie lange genug gefroren; entweder hatte er gerade keine Zeit gehabt, wenn das Eis freigegeben wurde, oder aber die Flächen waren so voll gewesen, dass er sich geniert hatte, sich vor so vielen Könnern als Anfänger bloßzustellen. Als vor einiger Zeit Pläne bekannt geworden waren, in Leer eine monströse Eishalle zu bauen, hatte auch er zu den Begeisterten gehört. Und jetzt dieser Winter. Ein Hohn. Aber auch ein interessantes Projekt, diese Eishalle, obwohl sie vermutlich nie realisiert werden würde. Ehrgeizig. Natürlich nicht so ehrgeizig wie seine eigenen Pläne. Seine Bowindra – »Boelsens windbetriebene Rotor-Anlagen« – war drauf und dran, ihren ersten wirklich bedeutenden Coup im Ausland zu landen, und zwar nicht irgendwo, sondern in den USA. Am liebsten hätte er sich die Hände gerieben. Zweihundert Anlagen auf einen Streich, das war ein Ding. Wenn das klappte, dann war ein gewaltiger Markt erschlossen. Gerade zur rechten Zeit, denn in Deutschland wurde die Konkurrenz stärker, und auch die Dänen schliefen nicht. Und warum sollte das nicht klappen? An ihm sollte es jedenfalls nicht liegen.

      Kurz hinter Terborg bog er auf die Straße direkt unterm Deich ein. Für ihn als Logaer verlief die zwar eigentlich zu weit westlich, aber er wollte lieber den Mittagstrubel in Neermoor und die Käuferkolonnen beim Emspark vermeiden. Außerdem fuhr er gern dicht an der Ems entlang, auch wenn der Fluss hier gänzlich hinter dem hochragenden Deich verborgen war. Aber er wusste ja, dass der Fluss da war, und das war schließlich die Hauptsache.

      Beim Sautelersiel nahm er wieder Gas weg, begutachtete den zugefrorenen Vorfluter. Es dauerte eine Weile, bis er merkte, dass er selbst für seine Verhältnisse zu bummelig fuhr. Boelsen streckte sich hinterm Steuer und gab Gas.

      Den Schlag spürte er zuerst im Lenkrad. Hinter ihm knallte es, der Wagen zuckte leicht nach rechts. Boelsen glaubte, Schneegriesel an seinem Hinterkopf zu fühlen. Dann brauste es eisig herein. Er nahm den Fuß vom Gaspedal und fasste sich in den Nacken. Als der Wagen ausgerollt war, zog er die Handbremse mit der linken Hand an. Die rechte war blutig.

      Er schaltete die Warnblinker ein und stieg aus, taumelte, hielt sich an der Dachkante fest. Zwei Autos fuhren vorbei, Boelsen registrierte missbilligende Blicke.

      Die hintere Seitenscheibe seines Golfs war weg, Glassplitter bedeckten die Rückbank, einige steckten in der Kopfstütze. Wieder griff er sich an Kopf und Hals und zuckte zurück. Schmerz und Schock kamen gleichzeitig. Er lehnte die Unterarme an die Dachkante, legte seine Stirn darauf, drückte die zitternden Knie durch und atmete tief, bis sich der Schwindel legte.

      Als er die Augen wieder öffnete, sah er die kleinen, runden Löcher im Seitenblech unter der gähnenden Fensterhöhle. Schrot, dachte er. Kornemann hätte das gleich gesehen. Dann überlief es ihn heiß. Er schaute zurück, drehte sich um, einmal ganz um die eigene Achse. Da war niemand. Oder? Auf der anderen Straßenseite waren Weiden, davor ein Graben, Büsche, krumme Bäume. Weiter hinten ein Haus, eine Einmündung. Die Straße kannte er, ein geschlängelter Betonplattenweg, der führte quer durch den Hammrich zur Bundesstraße, da hatte er auch schon Grundstücke inspiziert.

      Ob der Schütze da gestanden hatte? Ob er da immer noch stand? Dann sieht er jetzt, dass ich noch lebe, dachte Boelsen. Er stieg ein, startete und fuhr los. Als er seine klebrige Hand vom Griff der Bremse löste, wurde ihm übel.

      9

      Der Kulturspeicher hatte nicht ausgereicht, bei weitem nicht. Also hatte man die Veranstaltung in die Turnhalle des Ubbo-Emmius-Gymnasiums verlegt, und auch die platzte fast aus den Nähten. Drei- bis vierhundert Leute, schätzte Sina Gersema. Im Schätzen war sie geübt, СКАЧАТЬ