Название: Tausend Monde
Автор: Sebastian Barry
Издательство: Автор
Жанр: Контркультура
isbn: 9783958298170
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Wie kam es, dass ich das Glück hatte, Männer um mich zu haben, die so gut wie Frauen waren? Ich glaube, nur eine Frau weiß, wie man leben soll; ein Mann ist meist zu hastig, vorschnell. Diese Waffe mit schon halb gespanntem Hahn verwundet aufs Geratewohl. In meinen Männern dagegen fand ich unerschütterliche, lebendige Weiblichkeit. Welches Glück! Welche Fülle von wirklichem Reichtum!
Selbst jetzt, wo Tennyson Bouguereau ans Bett gefesselt war, vielleicht sogar deswegen, waren die Männer im Freien und eggten das Erdreich, das zum Frühling hin schon lockerer wurde. Die Maultiere hatten ihr nahrhaftes Futter erhalten und waren vor das alte schwarze Zinkengerüst gespannt worden, und so zogen sie von einem Acker zum andern, um unsere dunkle Erde zu zerkrümeln. Mit einem Wanst voller Hafer ist ein Maultier ein glücklicher Gesell. Fast erwartest du, dass es lacht, so arbeitslustig sieht es aus.
Natürlich war Lige der Einzige, der jetzt noch nach Paris fahren konnte, um Vorräte einzukaufen, zumindest für den Augenblick. Günstigerweise gab es in Paris gleich fünf Geschäfte für Trockenwaren, und so verlor Mr Hicks uns als Kunden.
»Kann diesen schmierigen Jas Jonski einfach nich’ mehr sehn«, sagte Lige.
»Weil du ihn umbringen könntest«, sagte John Cole ruhig.
Ich war gerade draußen auf der Veranda, um Unterwäsche hereinzuholen, die ich für Rosalee getrocknet hatte, als ich auf der anderen Seite unseres noch brachliegenden Ackers einen Reiter erblickte. Furcht ergriff mich. Rosalee und Tennyson waren nicht die Einzigen, die schreckhaft geworden waren. Wenn’s irgendwo leichte Beute gab, dachte ich, dann waren wir diese Beute.
Wer immer es war, er kam nicht allein. Ich sah einen Trupp anderer Männer, die auf ihren Ponys auf und nieder hüpften. Meine Männer hielten sich auf zwei großen Feldern weiter nördlich auf. Wenn ich aufs Dach geklettert wäre, hätte ich sie sehen können, ihre schwarzen Gestalten, klein wie Rüsselkäfer, und die schwarzen Maultiere im Miniaturformat. Tennysons Spencer-Karabiner lag immer im Wohnzimmer – abgesehen davon, dass es eine ausnehmend schöne Waffe war, hatte jemand auf das Verschlussstück den Namen Luther eingraviert, ein mysteriöses, aber charakteristisches Merkmal –, und den holte ich mir nun und nahm dann wieder meine Position auf der Veranda ein, mit dem Karabiner als Verbündetem. Ich wusste recht gut, wie man ein Gewehr abfeuert, auch wenn’s für ’n Mädchen ’ne ziemlich große Waffe ist.
Der vorderste Reiter war Sheriff Flynn. Ich wusste nicht, ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen war. Er war kein Mensch, den ich besonders gut kannte. In der Stadt hatte ich ihn manchmal vorbeigehen sehen, dann klackten seine Stiefel auf den Holzbrettern des Gehsteigs. Jetzt hatte er drei Männer dabei. Drei zottelige Typen. Er ritt lässig vorneweg. Hatte keine Eile, bei mir anzukommen. Ließ sich alle Zeit der Welt.
Schließlich kam Sheriff Flynn aber doch bei mir an und befand sich, rittlings auf seinem Pferd, auf Augenhöhe mit mir, die ich auf der Veranda stand.
»Du gehst rein und holst Elijah, Schatz«, sagte er.
Noch nie in meinem Leben hatte ich jemanden Liges vollen Namen sagen hören. Noch nie in meinem Leben war ich Schatz genannt worden. Den Spencer-Karabiner schien er nicht zu sehen. Ich hielt ihn schräg in meiner Linken, doch er schien ihn gar nicht wahrzunehmen. Ich war mir nicht sicher, ob er überhaupt geladen war. Ich dachte, vielleicht nicht, denn, nun ja, ich wusste es nicht. Ich wusste, dass die Burschen mich umstandslos erschießen würden, so wie man am Feldrain ein Kaninchen schießt. Und genauso schnell. Ich spürte, wie mir unter meinen Röcken die Pisse an den Beinen herablief. Ich wollte nicht, dass jemand es sah. Mein Körper hatte Angst, aber mein Herz war voller Mut. Der Groll, den ich wegen Tennyson empfand, nahm mir die Furcht, und in der Tat glaubte ich, dass Tennysons Gewehr eine geheime Kraft enthielt. Dass er es sein Eigen nennen durfte, war Tennysons ganzer Stolz, und allein es in den Händen zu halten verlieh mir Mut.
Ich gab Sheriff Flynn keine Antwort. Weil ich nicht wusste, ob ich sprechen sollte oder nicht.
Sheriff Flynn war ein dunkelhaariger Mann von rauem Äußeren, aber um seinen Schnurrbart herum waren seine Wangen glatt rasiert. Vermutlich war er um die vierzig, und die Frauen in der Stadt werden ihn wohl ziemlich attraktiv gefunden haben. Seine Hilfssheriffs waren eine Bande abgerissener Männer. Jetzt, wo ich sie aus der Nähe sah, erkannte ich einen von ihnen wieder, Frank Parkman. Ein Busenfreund von Jas Jonski.
Ich war erstaunt, wie viele Gedanken mir durch den Kopf schossen, während ich dort stand, ohne Sheriff Flynn eine Antwort zu geben.
Sheriff Flynn stieg vom Pferd und kam die Stufen vor dem Haus herauf, und als er zu mir auf die Veranda trat, hob er die Rechte und wollte mir wohl, wie ich heute glaube, die Hand schütteln. Damit rechnete ich nicht, und so war mein erster Gedanke, dass er mich schlagen wollte. Ich sprang zurück, stolperte dabei über das Gewehr und fiel zu Boden. Sofort rappelte ich mich wieder auf. Einem Bären oder Kojoten musst du zeigen, dass du keine Angst hast. Das Gewehr war über die Bretter geschlittert. Wenn ich versuche, es zu holen, dachte ich, wird er mich erschießen. Zu diesem Zweck steckte griffbereit ein glänzend polierter Revolver in seinem Gürtel. Offenbar war er Linkshänder, das, was Thomas McNulty einen ciotóg nannte.
»Is’ Elijah da?«, fragte Sheriff Flynn.
»Sie hat Angst, dass du ihr den Arsch versohlst«, sagte Frank Parkman lachend.
»Halt deine verdammte Klappe, Parkman«, sagte Sheriff Flynn. »Oder ich versohl dir den Arsch, du verdammter Narr.«
Aber es kam nicht dazu. Denn in diesem Augenblick bogen Thomas McNulty und John Cole um die Ecke des Hauses, und von der anderen Seite näherte sich Lige Magan. Vom Eggen waren alle drei mit schwarzer Erde bedeckt. Sie trugen Stiefel aus schwarzer Erde, aber natürlich waren es keine echten Stiefel. Nach vielen, vielen Stunden Arbeit kamen sie zum Abendessen.
»Na, Elijah?«, sagte Sheriff Flynn.
»Na?«, sagte Lige Magan.
Entspannt stützte sich Sheriff Flynn mit den Unterarmen aufs Verandageländer, und das war für seine Männer das Signal, sich in ihren Sätteln zurückzulehnen. Frank Parkman stieg ab, hängte sich die Zügel in die Armbeuge und begann, die kleine Tonpfeife zu stopfen, die er aus seiner Manteltasche genommen hatte. Ich wusste nicht, was Thomas und John Cole dachten, aber sie beschlossen, sich rittlings auf die alten Stühle zu schwingen, die immer draußen standen, und vor der dunklen Tür, die ins Haus führte, nahm Lige Magan eine Art Wachposten ein. Ohne recht zu wissen, was er tat, schlug er die Tür rasch zu.
»Ihr pflanzt dieses Jahr wieder Tabak?«, fragte Sheriff Flynn, aber es war keine richtige Frage, sondern eher eine Feststellung. Er nickte zu der schwarzen Erde hin, die ihre Spuren hinterlassen hatte.
»So isses«, sagte Lige.
»Du baust den Tabak an, ich rauch ihn auf«, sagte Frank Parkman und paffte vor sich hin.
»Kein Markt für Runkelrüben oder sonst was«, sagte Lige. »Ich denk an ’n bisschen Mais vielleicht. СКАЧАТЬ