Glücklich der Mensch. Titus Müller
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Название: Glücklich der Mensch

Автор: Titus Müller

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783863347284

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СКАЧАТЬ schon, es wird dunkel, lassen wir ihn“, sagte Franziskus. Das Feld gehörte seinem Vater, aber er konnte dem Aussätzigen nicht böse sein, dass er Ähren raufte. Welche Wahl hatte der Mann? Manchmal, wenn der Diebstahl überhandnahm, zogen Bewaffnete aus Assisi los und machten Jagd auf die Aussätzigen, dann gab es für eine Weile Ruhe. Man entschuldigte die Brutalität, indem man sagte: Früher oder später sterben sie ja sowieso.

      Dieses Klappern war fürchterlich. Als könnten Wesen, die auf der Schwelle zwischen Leben und Tod standen, keine menschlichen Laute mehr von sich geben, nur ein schauerliches Scheppern.

      Franziskus stellte sich die abgefaulten Glieder unter den Lumpen vor und das von Geschwüren zerfressene Gesicht. Besaß die Gestalt überhaupt noch einen linken Arm? Oder war es nur mehr ein Stumpf? Der rechte Arm und die rechte Hand waren vorhanden, mit denen schlug die Gestalt die Klapper.

      „Matteo, lass ihn“, versuchte er es noch einmal.

      Matteo zog sein Schwert, als wollte er den Kranken erschlagen. Der Aussätzige humpelte unter Angstgeheul davon.

      „Den sehen wir hier nicht wieder“, sagte Matteo befriedigt, steckte das Schwert weg und stieg wieder auf sein Pferd.

      Samuele stichelte: „Oder er kommt nachts, wenn du schläfst, mit ein paar seiner Leidensgenossen, und sie stecken dich an.“

      Als sie auf dem Weg nach Hause am Siechenhaus vorbeikamen, machten sie einen weiten Bogen darum. Sie führten die Pferde einhändig und hielten sich demonstrativ die Nasen zu. „Riecht ihr das?“, fragte Matteo. „Widerwärtig! Können die sich nicht waschen!“

      Einen Moment lang überlegte Franziskus, ob er ein wenig mehr christliche Nächstenliebe anmahnen sollte. Schließlich konnten die Kranken nichts dafür, dass sie litten. Dann aber schluckte er die Bemerkung hinunter. Dass die Freunde ihn auf ihre Ausritte mitnahmen, war nicht selbstverständlich, er durfte ihre Gunst nicht verspielen. Sie besaßen die Pferde und die Waffen dank ihrer adligen Herkunft, er hingegen war bloß der Sohn eines Tuchhändlers. Natürlich, er hatte Fähigkeiten, er konnte die Qualität verschiedener Stoffe einschätzen, Preise verhandeln, Handelsreisen planen. Er erkannte die Gier in den Augen eines Käufers, wenn dieser sich in ein teures Tuch für ein Gewand verliebt hatte, und brachte die richtigen Argumente vor, damit er sich zum Kauf entschloss. Franziskus trat aus dem Laden hinaus ins Tageslicht, um den Glanz eines Seidenstoffs zu zeigen, und wusste sein Lächeln gekonnt einzusetzen. In seiner eigenen Kleidung – geschmackvoll und französisch – war er den Adligen Assisis voraus: der geschlitzte Reitmantel aus feinster grünblauer niederländischer Wolle, das Hemd aus syrischem Damast, da konnten sie nicht mithalten. Er trug sogar die Haare lang wie ein Edelmann.

      Aber was bedeutete das alles in Anbetracht des Umstands, dass er kein Ritter war und nie einer sein würde?

      Luca, Matteo und Samuele würden mit einundzwanzig Jahren eine Schwertleite erleben, sie würden zum Ritter geschlagen werden. Für ihn hingegen kam nichts mehr, nur Handelsreisen und die tägliche Arbeit hinter dem Ladentisch. Er würde nie an einem Fürstenhof in immer ruhmreichere Kreise emporsteigen oder sich ein Erblehen durch treuen Dienst bei einem hohen Herrn verdienen.

      Der Anblick von Assisi im Mondschein entschädigte ihn ein wenig. Die weißen Häuser schmiegten sich an den Hang des Monte Subasio und die Obstgärten und Felder waren in Sternenlicht getaucht.

      Über der Stadt thronte die Festung Rocca Alta. Seit er denken konnte, war sie besetzt von kaiserlichen Truppen unter Konrad von Urslingen, einem alten Herzog, der vom Neckar stammte. Es hieß, er sei gerade für einige Wochen hier in Assisi, plane aber, demnächst wieder nach Spoleto abzureisen. Wie würde er sich positionieren? Nach dem Tod Heinrichs IV., über den ganz Italien gejubelt hatte, waren zwei konkurrierende deutsche Kaiser gewählt worden, es lief auf einen Machtkampf hinaus. Und einen neuen Papst gab es außerdem, einen 37-jährigen Grafensohn, der sich jetzt Innozenz III. nannte. Konrad würde sich auf eine der Seiten schlagen müssen.

      Aber was war das? Franziskus zügelte das Pferd. „Seht ihr, was ich sehe?“, raunte er.

      Die anderen brachten ihre Pferde ebenfalls zum Stehen. „Die Fackeln am Stadttor?“, fragte Matteo scherzhaft.

      „Nein. Ein Heerhaufen, dort vorn, im Dunkeln! Runter von der Straße“, zischte Franziskus, „schnell!“

      Sie lenkten die Pferde zu einer Baumgruppe, etwa zwanzig Schritt von der Straße entfernt. Hinter einigen Büschen stiegen sie ab und spähten zwischen den Zweigen hindurch zur Straße.

      „Du hast recht“, flüsterte Luca. „Das sind mindestens zweihundert Mann.“

      Samuele raunte: „Was machen die hier? Ist das ein Überfall Perugias?“

      „Unsinn. Die kommen doch von Assisi her.“

      Da begriff Franziskus. „Ich würde sagen, Konrad hat die Festung verlassen.“

      Luca sagte: „Das ist nicht bloß Konrad. Das sind fast die gesamten Besatzungstruppen.“

      In gespenstischer Stille bewegte sich der Heerhaufen die Straße entlang. Die Krieger unterhielten sich nicht, ihre Waffen klirrten nicht, nicht einmal der Mondschein glitzerte auf den Rüstungen. Anscheinend hatten sie alles sorgfältig mit Stoff umwickelt. Die Pferde, die sie an den Zügeln führten, gingen lautlos.

      „Die haben auch die Hufe mit Filz umwickelt“, flüsterte Matteo.

      Warum verließen sie die Festung? Dass sie es heimlich taten, war verständlich: Niemand sollte wissen, dass die Festungsbesatzung auf ein Minimum geschrumpft war. Schlagartig wurde ihm die große Chance bewusst. Assisi konnte frei werden! Wenn sie die Festung eroberten, befreiten sie sich ein für alle Mal aus dem Griff der Deutschen.

      Sie warteten in ihrem Versteck, bis die Bewaffneten vorübergezogen waren. Dann eilten sie in die Stadt und weckten die wichtigsten Familien. Oben in der Festung durfte niemand bemerken, dass der geheime Abzug aufgeflogen war. Matteo, Luca und Samuele redeten eindringlich mit ihren Vätern und gewannen sie dafür, dass ein Sturm auf die Festung gewagt werden sollte.

      Manche andere Adlige wollten sich nicht anschließen. Die Festung anzugreifen, sich also vom Kaiser loszusagen, konnte einen Rachefeldzug der Deutschen nach sich ziehen, Konrad von Urslingen würde mit seinen Schwerbewaffneten zurückkehren und die Stadt belagern. Außerdem war die Festung nicht leicht einzunehmen, auch wenn die Besatzungsmannschaft verringert worden war. Es würde Tote geben.

      Die anderen überstimmten sie und drohten ihnen Konsequenzen an, sollten sie das Vorhaben verraten oder ihnen mit ihren Kriegsknechten in den Rücken fallen. In fieberhafter Eile wurden die Rüstungen angelegt. Wer offiziell keine Waffe besitzen durfte, lieh sich eine. Andere gruben verbotene Waffen aus, die im Garten versteckt gewesen waren. Wegen der häufigen Scharmützel mit Perugia besaßen in Assisi viele ein Schwert oder einen Spieß, ob es nun erlaubt war oder nicht. Man band Leitern aneinander und rüstete Korbdeckel zu Schilden um.

      Die Adligen, die gegen den Angriff waren, packten ihre Sachen und verließen ihre Häuser. Sie sagten nicht, wohin sie flohen, aber jeder wusste es: Sie gingen zum Feind nach Perugia.

      Im Morgengrauen war ganz Assisi auf den Beinen. Die Kirchenglocken läuteten und die Einwohner stürmten hinauf zur verhassten Burg. Leitern wurden an die Mauern gelehnt, so viele, dass die verdutzten Wachen kaum wussten, wohin sie zuerst laufen sollten, um die Eindringlinge abzuwehren. Schließlich sammelte sich die Festungsbesatzung über dem Haupttor und kämpfte verbissen um ihr Leben.

      Franziskus СКАЧАТЬ