Название: Musterbrecher
Автор: Dominik Hammer
Издательство: Bookwire
Жанр: Зарубежная прикладная и научно-популярная литература
isbn: 9783867742979
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Ebensowenig wie jeder »Stille« ein großartiger Denker ist, muss jeder »Laute« Bedeutsames zu bieten haben.
Da wir wissen, dass es stille Menschen gibt und – wie oben erläutert – ein großes Kollektiv für die Entwicklung mutiger Ideen ohnehin kaum geeignet ist, sind Methoden wie Brainstorming oder andere gruppenbasierte Ansätze durchaus kritisch zu betrachten. Zumindest ist das Dogma: »Alles muss in der Gemeinschaft entwickelt werden« in Zweifel zu ziehen. Interessanterweise ist das Brainstorming, eine von einem Werbefachmann im Jahr 1939 entwickelte Methode zur Ideenentwicklung, bereits in den späten 1950er-Jahren wissenschaftlich untersucht und bezüglich des Neuigkeitsgehalts der auf diese Weise hervorgebrachten Ideen auch negativ bewertet worden. Wolfgang Stroebe, Professor für Sozialpsychologie an den Universitäten Utrecht und Groningen, weist darauf hin, dass das Teilen von Ideen mit anderen regelrecht zu einer »kognitiven Verengung« führen könne, ganz einfach weil man sich auf diejenigen Kategorien konzentriere, die man mit den anderen Gruppenmitgliedern gemeinsam habe.33 Doch dürfen wir hier nicht den Fehler machen, Menschen und deren Verhalten im Team generell mit dem in der Großgruppe gleichzusetzen.
Beginnen wir mit der von Fritz B. Simon als das »Schweizer Offiziersmesser der Managementtheorie« beschriebenen Teamarbeit,34 genauer gesagt mit der falsch verstandenen Teamarbeit. Es wird gemeinhin erwartet, dass die Beschäftigten im Team gute Ergebnisse erzielen, da viele komplizierte, ja komplexe Probleme in einer Gruppe von acht bis zwölf Mitgliedern – mit der darin üblichen Face-to-face-Kommunikation – schneller einer besseren Lösung zugeführt werden können als in der Arbeit Einzelner, deren Lösungen am Ende zusammengeführt werden müssten. Häufig werden jedoch ganze Belegschaften von Konzernlenkern mit dem Ausruf »Wir sind ein Team!« auf Zusammenhalt eingeschworen, nicht selten unter dem Verweis auf den Mannschaftsgedanken aus dem Sport. Hiermit schießt man eindeutig übers Ziel hinaus.
Der Teamgedanke wird zum Dogma und auf das Kollektiv übertragen.
Wenn man weiß, dass durch erzwungene Teamarbeit die Beteiligung introvertierter Menschen erschwert wird, muss einem auch bewusst sein, dass die Genies unter den Stillen ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten und Ideen nicht im möglichen Umfang zur Verfügung stellen werden. Vielleicht wäre ohne Steve Wozniak, den weniger bekannten Apple-Gründer, die Apple Story ganz anders verlaufen. Von ihm sagt man, er habe – ganz im Gegensatz zu seinem Partner Steve Jobs – ein sehr zurückhaltendes Naturell gehabt.35
Eine Ursache für das oft zu beobachtende Scheitern des Teamansatzes kann also eine gegebene Persönlichkeitsstruktur sein; aber auch organisationale Gegebenheiten, wie zum Beispiel ein Individualbonus, die Art des Aufgabenzuschnitts oder das Fehlen von Entscheidungskompetenzen, können Gründe dafür sein, dass keine effektive Teamarbeit entstehen kann.
Sara Ilić ist eine ehemalige Studentin von uns, mit der wir immer wieder gerne zusammenarbeiten, denn sie bringt in unser Team die Sichtweise der »Generation Y« ein und stellt damit unsere eigenen Muster auf die Probe. Sie hat uns zu einem Treffen mit einem echten »Digital-Nomaden« eingeladen. Wir haben nur eine vage Vorstellung von deren Art zu leben. Die vorbereitende Recherche macht deutlich, dass Digital-Nomaden mit leichtem Gepäck um die ganze Welt reisen und dabei an digitalen Projekten mitarbeiten. Besonders beliebt sind bei ihnen die Länder, in denen es eine schnelle, stabile und günstige Internetverbindung gibt und die einen hohen Freizeitwert haben. An formalen Arbeitszeitregelungen, einem festen Gehalt, einem eigenen Büro oder gar an Statussymbolen wie einem repräsentativen Firmenwagen sind die digitalen Nomaden nicht interessiert.
Genau das ist das Leben, das der Mittdreißiger Stefan Klumpp liebt. »Ich war schon immer fasziniert von fremden Kulturen und Menschen aus anderen Ländern«, sagt er uns bei einer Tasse Kaffee. »Ich komme aus einem kleinen Dorf im Schwarzwald, meine Eltern hatten ein Autohaus. Weil ich technisch interessiert war, habe ich eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker gemacht, bevor ich dann Elektrotechnik studiert habe. Eigentlich gute Voraussetzungen, um im Schwarzwald zu bleiben und dort ein abgesichertes Leben zu führen. Doch dann hätte ich die Welt nicht kennengelernt.« Wir erfahren, dass Klumpp 2007 – er arbeitete gerade im Softwareengineering in der Fahrzeugentwicklung – im Fernsehen einen Bericht über die Entwicklung selbstfahrender Autos gesehen hatte. Er schrieb das in der Reportage gezeigte Team an und wurde nach Stanford eingeladen, wo gerade an einem Fahrzeug für die DARPA Urban Challenge 2007, ein Rennen für autonome Fahrzeuge, gebaut wurde. Die Leitung hatte Sebastian Thrun, der bekannte Robotik-Spezialist, ehemaliger Vizepräsident von Google und Mitgründer von Udacity, der erfolgreichen Online-Akademie. Die Länder, in denen Klumpp seitdem irgendwo mitgearbeitet hat, lassen sich kaum mehr alle aufzählen: Schottland, Deutschland, Bali, Südafrika, Spanien …, ohne Frage, er kennt den Globus.
2012 hat er dann mit einem Partner die Firma Mobile Jazz gegründet, die mittlerweile 20 feste und einige freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat. Den Angestellten steht es frei, von wo aus in der Welt sie mitarbeiten wollen. Das Unternehmen entwickelt digitale Lösungen für so namhafte Kunden wie Google oder Airbus und Branchen wie die der Militär- und der Medizintechnik, wo es um Zuverlässigkeit und Qualität geht.
Wie gelingt es, dass trotz dieser immensen Freiheit, zu arbeiten, wo und wann man will, so sensible und erfolgreiche Produkte entstehen können? Stefan Klumpp erklärt es uns: »Zuerst muss man viel Disziplin haben, denn es gibt auf Bali am Strand jede Menge Ablenkungen. Wir müssen also wirklich alle selbstverantwortlich arbeiten. Es geht nicht, darauf zu warten, dass der Chef sagt, was als Nächstes zu tun ist. Darum brauchen die Neuen oft ein paar Monate, bis sie diese besondere Arbeitsweise verstehen. Das klappt nicht bei allen. Wenn Menschen nicht zu unserer Art des Arbeitens passen, dann müssen wir uns wieder von ihnen trennen. Leider gibt es immer wieder sehr naive Vorstellungen von einem Leben als Digital-Nomade.« Auf unser Nachfragen, wie hoch denn die Trefferquote im Einstellungsprozess neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sei, denkt Stefan Klumpp kurz nach und sagt: »Ich würde schätzen, so circa 90 Prozent.«
Wichtig sei auch eine überschaubare Unternehmensgröße. Die liege bei etwa 20 Mitarbeitern. In größeren Gruppen entstünden schnell Misstrauen und Ignoranz. Es werde wöchentlich zu einer festen Uhrzeit geskypt, egal wo die Leute sich auf dem Globus gerade aufhielten – Mobile Jazz Weekly heiße dieser Termin. Der diene dem Austausch, um alle in allen Projekten auf dem neuesten Stand zu halten. »Es geht mir nicht um klassisches Größenwachstum. Und ich sehe mich auch nicht als Unternehmer. Bei uns geht es vielmehr darum, dass jede und jeder persönlich in den Feldern wachsen kann, die sie oder ihn interessieren. Ich liebe Kitesurfen, Wandern und Skifahren, also suche ich mir meine Arbeitsorte entsprechend aus.« Und dann kommt Stefan Klumpp doch noch auf einen Punkt zu sprechen, der so gar nicht einem typischen Digital-Nomaden zu entsprechen scheint. »Da wir weiterhin ein Unternehmen sind, in dem Leute etwas zusammen machen, müssen wir auch wirklich und analog zusammen etwas machen, wodurch eine starke Bindung erzeugt wird. Mehrmals im Jahr arbeiten und leben wir alle für eine oder mehrere Wochen an einem Ort zusammen. Letztes Mal hatten wir ein Haus in Thailand gemietet. Oder wir treffen uns im Winter auch mal eine Woche zum Skifahren in den Bergen. Es wird dann viel zusammen gearbeitet, wer will, kann gemeinsam Sport machen, und manchmal wird auch miteinander gefeiert. So entstehen Freundschaften, und die Identifikation mit der Firma wird gefestigt. Ein Event pro Jahr ist für alle verpflichtend. СКАЧАТЬ