Musterbrecher. Dominik Hammer
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СКАЧАТЬ zählen, den Susan Cain kritisch als extrovertiertes Ideal der westlichen Welt beschrieben hat, dann müssten wir also Wege finden, wie auch die Intelligenz der Stillen zum Tragen gebracht werden kann. Dabei muss jedoch bedacht werden: Man erachtet Einstufungen in Typen – wie etwa extrovertiert vs. introvertiert, agil vs. flexibel oder dynamisch vs. veränderungsresistent – oftmals als hilfreich, ohne sich darüber im Klaren zu sein, dass es realiter kein Schwarz-Weiß gibt. Menschen sind – da Individuen – unterschiedlich und können dennoch gleichartige Verhaltensmuster zeigen. So sind es beispielsweise die eher ruhigen Menschen, die sich weder bei Teamarbeit noch in Gruppendiskussionen wohlfühlen und eine offene Arbeitsumgebung in Großraumbüros als Belastung empfinden. Sie wollen Sachverhalte für sich alleine durchdringen und nicht genötigt werden, ihre Ideen gemeinsam mit anderen am Flipchart zu entwickeln und der Geschäftsleitung zu präsentieren.

      Ebensowenig wie jeder »Stille« ein großartiger Denker ist, muss jeder »Laute« Bedeutsames zu bieten haben.

      Der Teamgedanke wird zum Dogma und auf das Kollektiv übertragen.

      Eine Ursache für das oft zu beobachtende Scheitern des Teamansatzes kann also eine gegebene Persönlichkeitsstruktur sein; aber auch organisationale Gegebenheiten, wie zum Beispiel ein Individualbonus, die Art des Aufgabenzuschnitts oder das Fehlen von Entscheidungskompetenzen, können Gründe dafür sein, dass keine effektive Teamarbeit entstehen kann.

      Sara Ilić ist eine ehemalige Studentin von uns, mit der wir immer wieder gerne zusammenarbeiten, denn sie bringt in unser Team die Sichtweise der »Generation Y« ein und stellt damit unsere eigenen Muster auf die Probe. Sie hat uns zu einem Treffen mit einem echten »Digital-Nomaden« eingeladen. Wir haben nur eine vage Vorstellung von deren Art zu leben. Die vorbereitende Recherche macht deutlich, dass Digital-Nomaden mit leichtem Gepäck um die ganze Welt reisen und dabei an digitalen Projekten mitarbeiten. Besonders beliebt sind bei ihnen die Länder, in denen es eine schnelle, stabile und günstige Internetverbindung gibt und die einen hohen Freizeitwert haben. An formalen Arbeitszeitregelungen, einem festen Gehalt, einem eigenen Büro oder gar an Statussymbolen wie einem repräsentativen Firmenwagen sind die digitalen Nomaden nicht interessiert.

      Genau das ist das Leben, das der Mittdreißiger Stefan Klumpp liebt. »Ich war schon immer fasziniert von fremden Kulturen und Menschen aus anderen Ländern«, sagt er uns bei einer Tasse Kaffee. »Ich komme aus einem kleinen Dorf im Schwarzwald, meine Eltern hatten ein Autohaus. Weil ich technisch interessiert war, habe ich eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker gemacht, bevor ich dann Elektrotechnik studiert habe. Eigentlich gute Voraussetzungen, um im Schwarzwald zu bleiben und dort ein abgesichertes Leben zu führen. Doch dann hätte ich die Welt nicht kennengelernt.« Wir erfahren, dass Klumpp 2007 – er arbeitete gerade im Softwareengineering in der Fahrzeugentwicklung – im Fernsehen einen Bericht über die Entwicklung selbstfahrender Autos gesehen hatte. Er schrieb das in der Reportage gezeigte Team an und wurde nach Stanford eingeladen, wo gerade an einem Fahrzeug für die DARPA Urban Challenge 2007, ein Rennen für autonome Fahrzeuge, gebaut wurde. Die Leitung hatte Sebastian Thrun, der bekannte Robotik-Spezialist, ehemaliger Vizepräsident von Google und Mitgründer von Udacity, der erfolgreichen Online-Akademie. Die Länder, in denen Klumpp seitdem irgendwo mitgearbeitet hat, lassen sich kaum mehr alle aufzählen: Schottland, Deutschland, Bali, Südafrika, Spanien …, ohne Frage, er kennt den Globus.

      2012 hat er dann mit einem Partner die Firma Mobile Jazz gegründet, die mittlerweile 20 feste und einige freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat. Den Angestellten steht es frei, von wo aus in der Welt sie mitarbeiten wollen. Das Unternehmen entwickelt digitale Lösungen für so namhafte Kunden wie Google oder Airbus und Branchen wie die der Militär- und der Medizintechnik, wo es um Zuverlässigkeit und Qualität geht.

      Wie gelingt es, dass trotz dieser immensen Freiheit, zu arbeiten, wo und wann man will, so sensible und erfolgreiche Produkte entstehen können? Stefan Klumpp erklärt es uns: »Zuerst muss man viel Disziplin haben, denn es gibt auf Bali am Strand jede Menge Ablenkungen. Wir müssen also wirklich alle selbstverantwortlich arbeiten. Es geht nicht, darauf zu warten, dass der Chef sagt, was als Nächstes zu tun ist. Darum brauchen die Neuen oft ein paar Monate, bis sie diese besondere Arbeitsweise verstehen. Das klappt nicht bei allen. Wenn Menschen nicht zu unserer Art des Arbeitens passen, dann müssen wir uns wieder von ihnen trennen. Leider gibt es immer wieder sehr naive Vorstellungen von einem Leben als Digital-Nomade.« Auf unser Nachfragen, wie hoch denn die Trefferquote im Einstellungsprozess neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sei, denkt Stefan Klumpp kurz nach und sagt: »Ich würde schätzen, so circa 90 Prozent.«

      Wichtig sei auch eine überschaubare Unternehmensgröße. Die liege bei etwa 20 Mitarbeitern. In größeren Gruppen entstünden schnell Misstrauen und Ignoranz. Es werde wöchentlich zu einer festen Uhrzeit geskypt, egal wo die Leute sich auf dem Globus gerade aufhielten – Mobile Jazz Weekly heiße dieser Termin. Der diene dem Austausch, um alle in allen Projekten auf dem neuesten Stand zu halten. »Es geht mir nicht um klassisches Größenwachstum. Und ich sehe mich auch nicht als Unternehmer. Bei uns geht es vielmehr darum, dass jede und jeder persönlich in den Feldern wachsen kann, die sie oder ihn interessieren. Ich liebe Kitesurfen, Wandern und Skifahren, also suche ich mir meine Arbeitsorte entsprechend aus.« Und dann kommt Stefan Klumpp doch noch auf einen Punkt zu sprechen, der so gar nicht einem typischen Digital-Nomaden zu entsprechen scheint. »Da wir weiterhin ein Unternehmen sind, in dem Leute etwas zusammen machen, müssen wir auch wirklich und analog zusammen etwas machen, wodurch eine starke Bindung erzeugt wird. Mehrmals im Jahr arbeiten und leben wir alle für eine oder mehrere Wochen an einem Ort zusammen. Letztes Mal hatten wir ein Haus in Thailand gemietet. Oder wir treffen uns im Winter auch mal eine Woche zum Skifahren in den Bergen. Es wird dann viel zusammen gearbeitet, wer will, kann gemeinsam Sport machen, und manchmal wird auch miteinander gefeiert. So entstehen Freundschaften, und die Identifikation mit der Firma wird gefestigt. Ein Event pro Jahr ist für alle verpflichtend. СКАЧАТЬ