Название: Gesang der Fledermäuse
Автор: Olga Tokarczuk
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783311701231
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Der Kommissar erwartete offensichtlich, dass ich vom Sitz aufspränge und das Zimmer verlasse. Doch ich hatte ihm noch eine mindestens ebenso wichtige Sache zu kommunizieren.
»Dieser Mensch sperrt seine Hündin den ganzen Tag im Schuppen ein. Das Tier winselt und friert, denn der Schuppen ist nicht isoliert, und dort zieht es. Kann die Polizei da etwas tun, ihm das Aufsichtsrecht über den Hund entziehen, ihn exemplarisch irgendwie bestrafen?«
Er sah mich einen Moment schweigend an, und die Verachtung, die ich von Anfang an bei ihm gespürt hatte, stand ihm jetzt überdeutlich ins Gesicht geschrieben. Seine Mundwinkel waren herabgezogen und die Lippen leicht aufgeworfen. Er versuchte offensichtlich seinen Gesichtsausdruck zu beherrschen. Zu diesem Zweck hatte er ein starres Lächeln aufgesetzt, das seine großen, vom Rauchen gelben Zähne enthüllte. Er sagte: »Liebe Frau, das ist nicht die Sache der Polizei. Ein Hund ist ein Hund. Auf dem Land ist auf dem Land. Was haben Sie denn erwartet? Ein Hund gehört in die Hütte und an die Kette.«
»Wenn etwas Böses passiert, dann melde ich es eben der Polizei. Wohin soll ich mich denn wenden, wenn nicht an die Polizei?« Er lachte heiser. »Wenn es etwas Böses ist, das Sie bemerkt haben, dann wenden Sie sich bitte an den Pfarrer.« Er freute sich über seinen eigenen Humor, bemerkte aber offenbar doch, dass mich sein Scherz nicht sonderlich amüsierte, denn sein Gesicht wurde sofort wieder ernst. »Es gibt sicher irgendwelche Tierschutzvereine oder etwas in der Art. Das finden Sie im Telefonbuch. Die Liga zum Schutz der Tiere – dort können Sie hingehen. Wir sind die Polizei, und die ist zuständig für die Menschen. Bitte, rufen Sie in Wrocław an. Dort gibt es einen Bereitschaftsdienst.«
»In Wrocław!«, rief ich. »Das ist nicht Ihr Ernst. Das hier fällt doch in den Zuständigkeitsbereich der lokalen Polizei, ich kenne das Gesetz.«
»Oho.« Er lachte ironisch. »Dann können Sie mir vielleicht auch gleich verraten, was in meinen Zuständigkeitsbereich fällt und was nicht?«
In meiner Phantasie sah ich unsere Heere, die sich kampfbereit gegenüberstanden.
»Ja, sehr gerne.« Ich holte zu einem längeren Vortrag aus.
Er sah panisch auf seine Uhr, und ich bemerkte, wie er sich anstrengte, um seine Abneigung gegen mich im Zaum zu halten.
»Also gut, wir werden uns die Sache ansehen«, sagte er gleichgültig und begann die Papiere auf seinem Schreibtisch zusammenzupacken und in seine Aktentasche zu stecken. Er wich mir aus.
Ja, ich konnte ihn nicht ausstehen. Mehr noch: Ich spürte, wie mich eine heftige Welle der Abneigung gegen ihn überrollte, beißender als Meerrettich.
Er stand entschlossen hinter seinem Schreibtisch auf, und ich sah seinen mächtigen Bauch, den der Ledergürtel seiner Uniform gar nicht umfassen konnte. Aus Scham versteckte sich dieser Bauch irgendwo dort unten, in den unbequemen, vergessenen genitalen Regionen. Seine Schnürsenkel waren gelöst, sicher hatte er unter dem Tisch die Schuhe ausgezogen. Jetzt musste er sie so schnell wie möglich wieder anziehen.
»Würden Sie mir Ihr Geburtsdatum verraten?«, fragte ich ihn höflich, schon bei der Tür. Er blieb überrascht stehen.
»Wozu brauchen Sie das?«, fragt er argwöhnisch, während er mir die Tür zum Flur aufhielt.
»Um Ihr Horoskop zu berechnen«, antwortete ich. »Möchten Sie? Ich könnte Ihnen Ihr Horoskop erstellen.«
Ein amüsiertes Grinsen verzog sein Gesicht.
»Nein danke. Ich interessiere mich nicht für Astrologie.«
»Sie könnten erfahren, was im Leben noch auf Sie zukommt. Möchten Sie das nicht?«
Er warf dem Polizisten an der Rezeption einen vielsagenden Blick zu, feixte ironisch, als nähme er an einem lustigen Kinderspiel teil, und gab mir alle Daten. Ich notierte sie, dankte ihm, zog mir die Kapuze über den Kopf und wandte mich zum Ausgang. Beim Hinausgehen hörte ich noch, wie beide lachend losprusteten, und ich konnte die Worte verstehen: »Eine Wahnsinnige. Richtig besessen.«
Am selben Abend, als es schon dunkel war, begann die Hündin von Bigfoot wieder zu winseln. Die Luft war blau, scharf wie ein Rasiermesser, und die dumpfe, heisere Hundestimme hatte etwas Beunruhigendes. Der Tod steht vor der Tür, dachte ich. Doch der Tod steht immer vor unserer Tür, zu jeder Tages- und Nachtzeit, sagte ich mir darauf. Am besten ist es, mit sich selbst zu sprechen. Dann kommt es wenigstens nicht zu Missverständnissen. Ich legte mich auf das Küchensofa und war nicht imstande, etwas anderes zu tun, als diesem durchdringenden Gewinsel zuzuhören. Als ich einige Tage zuvor zu Bigfoot gegangen war, um zu intervenieren, hatte er mich nicht einmal in sein Haus gelassen. Er hatte gesagt, ich solle mich nicht in Dinge einmischen, die mich nichts angingen. Dieser Unmensch hatte seine Hündin nur für wenige Stunden nach draußen gelassen und sie dann später doch wieder in das Verließ gesperrt, wo sie die ganze Nacht durch heulte.
Ich lag also auf dem Küchensofa und versuchte vergeblich, an etwas anderes zu denken. Ich spürte, wie eine juckende, vibrierende Energie allmählich meine Muskeln durchdrang. Bald würde sie meine Beine zur Gänze ausfüllen.
Ich stand auf, zog Stiefel und Jacke an, nahm einen Hammer und eine Metallstange und alles Werkzeug, das mir unter die Finger kam. Kurz darauf stand ich atemlos vor dem Schuppen. Bigfoot war nicht zu Hause, es brannte kein Licht, der Kamin rauchte nicht. Er hatte den Hund eingesperrt und war für unbestimmte Zeit verschwunden. Doch auch wenn er zu Hause war, sperrte er den Hund ein. Nach einigen Minuten Arbeit, bei der ich ins Schwitzen kam, gelang es mir, die Holztür aufzubrechen. Die Bretter neben dem Schloss lockerten sich, und ich konnte den Riegel herausschieben. Drinnen war es dunkel und feucht, einige alte, verrostete Fahrräder, Plastikkanister und anderes Gerümpel lagen herum. Die Hündin stand auf einem Bretterstapel, sie trug einen Strick um den Hals, der an der Wand festgebunden war. Es stank nach dem Haufen mit Exkrementen hinter dem Stapel, sie hatte offenbar immer auf die gleiche Stelle gemacht. Unsicher wedelte sie mit dem Schwanz, doch dann blickte sie mir erfreut entgegen. Ich schnitt den Strick durch, packte das eine Ende und ging mit ihr zu mir nach Hause.
Mir war nicht ganz klar, was ich tun sollte. Manchmal, in Momenten des Zorns, scheint alles ganz simpel und selbstverständlich zu sein. Der Zorn bringt Ordnung mit sich, er zeigt die Welt in offensichtlicher Kurzfassung, der Zorn bewirkt auch die Gabe des Hellsehens, was in keinem anderen Gemütszustand möglich ist.
Die Hündin legte sich in meiner Küche auf den Boden, und ich wunderte mich einmal mehr darüber, wie winzig sie war. Ihr dumpfes Winseln klang so, als käme es von einem größeren Hund, wenigstens so groß wie ein Spaniel. Sie war einer dieser lokalen Hunde, die man »Sudetenmonstrum« nennt, weil an ihnen nichts Hübsches ist. Sie haben kurze, dürre, meistens krumme Beinchen, ihr Fell ist stumpf und schmutzigbraun, sie tendieren zum Dickwerden, und vor allem haben sie einen deutlichen Unterbiss. Nun gut, sie würde keinen Schönheitswettbewerb gewinnen, unsere Sängerin der Nacht.
Sie war nervös und zitterte am ganzen Leib. Nachdem sie einen halben Liter warmer Milch getrunken hatte, von der ihr Bauch rund wie ein Ball war, teilte ich auch ein Butterbrot mit ihr. Ich war nicht auf einen Gast vorbereitet, also verströmte mein Eisschrank von innen den Glanz der Leere. Ich sprach beruhigend auf die Hündin ein, erklärte ihr jede meiner Bewegungen, und sie sah mich fragend СКАЧАТЬ