Metamorphosen. Ovid
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Название: Metamorphosen

Автор: Ovid

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Reclam Taschenbuch

isbn: 9783159608006

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СКАЧАТЬ sich Schritt für Schritt um den Leib, die Brust, die Schultern, die Hände. [355] Nur noch die Gesichter blickten hervor und der Mund, der nach der Mutter rief. Was soll die Mutter tun als hierhin und dorthin gehen, wohin sie ihr Gefühl treibt, und Küsse geben, solange sie noch darf? Das genügt ihr nicht; sie versucht, die Leiber aus den Stämmen zu reißen, und bricht mit den Händen die zarten Zweige ab; [360] doch da quellen Blutstropfen wie aus einer Wunde hervor. »Bitte, schone mich, Mutter«, ruft eine jede, sobald sie verletzt ist, »schone mich, bitte! Im Baum verwundest du meinen Leib. Leb wohl!«, und Rinde wuchs über die letzten Worte. Daraus fließen Tränen; [365] was von den neuentstandenen Zweigen herabtropft, wird an der Sonne hart: Bernstein, den der klare Strom aufnimmt und den Latinerfrauen als Schmuck schickt.

      Bei diesem Wunder war Cygnus dabei, der Sohn des Sthenelus, der mit dir, Phaethon, mütterlicherseits blutsverwandt war; doch noch enger war die Seelenverwandtschaft. Er hatte sein Reich verlassen – [370] herrschte er doch über die Völker und die großen Städte der Ligurer. Eben hatte er die grünen Ufer und den Strom des Eridanus mit Klagen erfüllt sowie den Wald, den die Schwestern vermehrt hatten, als seine Stimme plötzlich dünn wurde. Weißgrauer Flaum überdeckt das Haar, von der Brust aus streckt sich der Hals weit nach vorn, [375] Schwimmhäute verbinden die rot gewordenen Zehen, Federn verhüllen die Seite, und das Gesicht bekommt einen stumpfen Schnabel. Es entsteht ein neuer Vogel: der Schwan. Er vertraut sich dem Himmel und Iuppiter nicht an, als erinnere er sich seines ungerechten Blitzschlages. Sümpfe sucht er und weite Seen, und da er das Feuer verabscheut, [380] hat er die Flüsse, die den Flammen feindlich sind, zur Wohnstätte erkoren.

      Unterdessen ist Phaethons Vater vor Gram entstellt, läßt die Schönheit vermissen, die ihm eigen ist, sieht aus wie bei einer Sonnenfinsternis, haßt das Licht, sich selbst und den Tag. Ganz gibt er sich der Trauer hin, läßt zur Trauer den Zorn hinzutreten [385] und verweigert der Welt seinen Dienst. »Ruhelos genug«, so spricht er, »ist mein Leben seit Anbeginn der Zeit gewesen, und mich verdrießt die Arbeit, die ich ebenso endlos wie ruhmlos verrichtet habe. Soll doch ein anderer den Wagen lenken, der das Licht trägt! Gibt es aber keinen und erklären sich alle Götter außerstande, [390] dann soll der Herr doch selber den Lenker spielen, um doch einmal, wenigstens solange er meine Zügel erprobt, seine Blitze ruhen zu lassen, die Väter kinderlos machen. Hat er einmal die Kraft der feuerfüßigen Rosse zu spüren bekommen, wird er wissen, daß der den Tod nicht verdient hat, der sie nicht gut lenkte.« Während er solches spricht, umringen alle Götter den Sonnengott [395] und bitten ihn mit flehender Stimme, die Welt nicht mit Finsternis zu überziehen; Iuppiter entschuldigt sich gar wegen des Blitzschlags und würzt nach Königsart die Bitten mit Drohungen. Da sammelt Phoebus seine besinnungslosen und immer noch völlig kopfscheuen Pferde und wütet in seiner Trauer mit Stachel und Peitsche. [400] Ja, er wütet, macht ihnen Vorwürfe und gibt ihnen die Schuld am Tod des Sohnes.

      Iuppiter und Callisto

      Doch der allmächtige Vater macht einen Rundgang um die gewaltigen Mauern des Himmels und prüft nach, ob nichts, durch die Macht des Feuers gelockert, von Einsturz bedroht sei. Nachdem er sich davon überzeugt hat, daß alles fest und haltbar ist, nimmt er die Erde samt aller Mühsal der Menschen [405] in Augenschein; besonders eingehend kümmert er sich freilich um sein geliebtes Arcadien. Er stellt dort die Quellen wieder her, die Flüsse, die noch nicht zu strömen wagen, schenkt der Erde Gras, den Bäumen Laub und befiehlt den verwüsteten Wäldern, wieder zu grünen. Während er geschäftig hin- und herging, verweilte sein Auge auf einem arcadischen Mädchen; [410] er fing Feuer und erglühte bis ins innerste Mark. Es war nicht ihre Sache, Wolle durch Ziehen gefügig zu machen oder ihr Haar immer wieder anders zu legen. Hatte nur die Spange ihr Kleid, die weiße Binde ihr loses Haar gebändigt, hatte ihre Hand bald den geglätteten Jagdspieß, bald den Bogen ergriffen, [415] so war sie Phoebes Soldat. Und keine, die den Maenalus betrat, war der Trivia lieber. Doch keine Macht ist von Dauer.

      Die Sonne stand hoch und war schon über die Mitte vorgerückt, als das Mädchen einen Wald betrat, der noch zu keiner Zeit gefällt worden war. Hier nimmt sie den Köcher von der Schulter [420] und lockert den geschmeidigen Bogen. Und schon lag sie auf dem mit Gras bewachsenen Boden, und ihr Nacken ruhte auf dem bemalten Köcher. Kaum sah Iuppiter die Erschöpfte unbewacht, sprach er: »Diesen Seitensprung wird meine Gattin bestimmt nicht erfahren, oder, wenn sie davon Wind bekommt – um diesen herrlichen Preis lohnt sich die Schelte.« [425] Alsbald nimmt er Gestalt und Tracht der Diana an und spricht: »O Jungfrau aus meiner Schar, auf welchen Bergen hast du gejagt?« Das Mädchen erhebt sich vom Rasenteppich. »Sei gegrüßt«, sprach sie, »Gottheit, die nach meinem Urteil größer ist als Iuppiter – mag er es nur selbst hören!« Er hört es lächelnd, [430] freut sich, daß er sich selbst vorgezogen wird, und gibt ihr Küsse, die weder maßvoll genug waren noch so recht zu seiner Jungfrauenrolle paßten. Sie will erzählen, in welchem Walde sie gejagt hat, doch er hindert sie daran durch seine Umarmung und verrät sich nicht ohne Vergehen. Sie wehrt sich zwar, soweit sie es als Frau vermag [435] – hättest du es mitangesehen, Saturnia, du wärest milder! –, sie wehrt sich, doch wen könnte ein Mädchen und wer könnte Iuppiter besiegen? Siegreich schwingt sich Iuppiter zum hohen Äther empor. Ihr aber sind Wald und Hain als Mitwisser verhaßt. Als sie den Ort verließ, vergaß sie beinahe, Köcher und [440] Pfeile mitzunehmen und den Bogen, den sie dort aufgehängt hatte.

      Siehe, da schreitet Dictynna daher über den hohen Maenalus, von ihrem Gefolge begleitet und stolz auf die blutige Jagdbeute. Sie erblickt das Mädchen und ruft es herbei: Die Gerufene wich zurück und befürchtete zuerst, Iuppiter verberge sich in der Göttin. [445] Doch nachdem sie gesehen hatte, daß die Nymphen mit ihr kamen, begriff sie, daß kein Trug im Spiele war, und gesellte sich zu der Schar. Ach, wie schwer ist es, Schuld nicht durch die Miene zu verraten! Kaum hebt sie den Blick vom Boden; sie geht auch nicht mehr wie früher unzertrennlich an Dianas Seite und steht nicht mehr an der Spitze des ganzen Zuges, [450] sondern sie schweigt und gibt durch Erröten zu erkennen, daß ihre Keuschheit verletzt ist. Wäre Diana keine Jungfrau, hätte sie an tausenderlei Anzeichen Callistos Verfehlung bemerken können – die Nymphen freilich sollen es bemerkt haben. Die Hörner des Mondes begannen sich zum neunten Male zum Kreise zu runden, als die Jägerin unter den Göttinnen, erschöpft von den heißen Strahlen ihres Bruders, [455] einen kühlen Hain betrat, aus dem sich murmelnd ein Bach hervorschlängelte, der den Ufersand bespülte und umpflügte. Sie lobte den Platz und berührte die Oberfläche des Wassers mit der Zehenspitze; sie lobte auch das Wasser und sprach dann: »Fern ist jeder Augenzeuge. Laßt uns die nackten Leiber mit Wassergüssen benetzen!« [460] Die Parrhasierin errötete; alle legen die Hüllen ab, eine nur sucht es hinauszuzögern; während sie noch zauderte, zog man ihr das Kleid aus. Nachdem es abgelegt war, trat zugleich mit dem entblößten Körper auch die Schuld ans Licht. Während Callisto wie vom Donner gerührt dasteht und mit den Händen den Leib verbergen will, spricht Cynthia: »Geh weit von hinnen und beflecke nicht den heiligen Quell.« [465] Und sie verbannte sie aus ihrem Gefolge.

      All dies hatte die hohe Frau des großen Donnerers schon lange bemerkt und die harte Bestrafung auf einen geeigneten Zeitpunkt verschoben. Jetzt gab es keinen Grund mehr zu warten; schon war Arcas, ein Junge – eben dies ärgerte Iuno ganz besonders –, von der Nebenfrau geboren; [470] sie lenkte ihr Auge und ihr grausames Herz auf ihn und sprach: »Das hat gerade noch gefehlt, Ehebrecherin, daß du fruchtbar bist, daß dein Nachwuchs meine Schmach bekannt macht und meines Iuppiters Schandtat öffentlich bezeugt! Das sollst du mir büßen! Ich will dir nämlich die Gestalt nehmen, [475] die dir selbst, du aufdringliches Weib, und meinem Eheliebsten so gut gefällt.«

      Sprach’s, packte sie bei den Haaren an der Stirn und warf sie vornüber zu Boden. Callisto wollte flehend die Arme ausstrecken – doch die Arme wurden allmählich rauh und bekamen schwarze Zotteln, die Hände krümmten sich, wuchsen sich zu gebogenen Krallen aus [480] und übernahmen die Aufgabe von Füßen; das Gesicht, das einst Iuppiters Wohlgefallen erregt hatte, wurde häßlich und bekam ein breites Maul. Und damit keine Bitten und flehenden Worte die Herzen umstimmen können, wird ihr die Fähigkeit des Sprechens genommen: Eine zornige, drohende Stimme, die Schrecken verbreitet, kommt СКАЧАТЬ