Название: Familie Dr. Norden Classic 36 – Arztroman
Автор: Patricia Vandenberg
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Familie Dr. Norden Classic
isbn: 9783740962593
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»Ich glaube, daß er eine von seinen Phantasiefiguren ist. Er denkt sich selber Geschichten aus.«
»Aber es könnte auch etwas Wahres dabei sein.«
»Ich habe es mir leichter vorgestellt, mit ihm umzugehen, aber mir dauert es zu lange und er ist zäh. Ich möchte endlich Geld sehen und verschwinden.«
Sascha kniff die Augen zusammen und ging an den Kühlschrank.
»Du hast ganz schön was weggetrunken«, stellte er fest.
»Irgendwie muß ich die Zeit überstehen«, erwiderte sie gereizt. »Hoffentlich hast du auch Proviant mitgebracht.«
»Genug für die nächsten Tage, aber ich muß sparen. Wenn nicht bald etwas reinkommt, schicken wir den Jungen im Sack zurück.«
»Willst du ihn umbringen?« fragte sie heiser.
»Meinst du etwa, ich werde ihn durchfüttern? Er ist schlau, das sagst du, er könnte uns ans Messer liefern.«
»Und alles für nichts und wieder nichts«, murmelte sie.
»Warte ab, ob er nicht doch auf den letzten Anruf reagiert. Heute abend um neun Uhr entscheidet es sich. Jetzt will ich etwas essen.«
*
Es gab eine Rebecca Trebnitz, und man konnte nicht von ihr sagen, daß sie ein zartbesaitetes Wesen wäre. Für sie war Geld von Kindheit an ein Anreiz gewesen, alles mögliche zu tun, um dazu zu kommen. Man konnte ihr nachsagen, daß sie sehr zielstrebig vorgegangen war.
Ihr war es ein Dorn im Auge gewesen, daß Arno Sestrum ihre Mutter links liegen ließ, denn schließlich war sie auch eine geborene Sestrum, wenn auch nur eine Cousine des reichen Finanziers, der eine Spürnase für glänzende Geschäfte hatte, und für den die Volksweisheit hundertprozentig zutraf, daß Geld zu Geld kommt, denn er hatte auch eine sehr reiche Frau geheiratet, während Isolde Sestrum an einen Möchtegernmillionär geraten war, der meinte, bei den Sestrums einheiraten zu können. Mit dieser Ehe hatte sie es dann erreicht, daß alle Brücken zu ihr abgebrochen wurden, und so war Rebecca nicht in eine goldene Wiege gelegt worden wie die noch entferntere Cousine Jennifer, auf die Rebecca immer voller Neid blickte.
Aber Rebecca hatte geschafft, was niemand für möglich gehalten hatte, sie hatte sich Arno Sestrums Wohlwollen errungen. Sie brachte alles mit, was er an Frauen liebte, war attraktiv und verführerisch, sie war sehr ehrgeizig und völlig unsentimental. Dazu überaus geschäftstüchtig, und davon hatte in seinen Augen seine Tochter Jennifer nichts. Er machte sich keine Gedanken darüber, wie Rebecca es geschafft hatte, sich bei ihm einzunisten, er war ihr inzwischen hörig.
Sie war zweiunddreißig, er war fünfundsechzig, und alle, die ihn lange kannten, schüttelten nur den Kopf über seine nahezu lächerlich anmutende Unterwürfigkeit Rebecca gegenüber.
Endlich auf der Siegerseite, tat sie alles, um ihre Position zu halten und verstand es meisterhaft, ihm gegenüber die gleiche Unterwürfigkeit zu heucheln.
»Was war mit dem Anruf?« fragte sie, als er wieder einmal nervös den Hörer auflegte.
»Sie wollen den Jungen töten, wenn sie das Geld nicht bekommen«, erklärte er grimmig.
»Woher willst du wissen, ob sie das nicht schon getan haben?«
»Er wird mit mir sprechen. Heute abend ruft dieser Gangster wieder an.«
»Tim kennt dich doch gar nicht, und du kennst ihn auch nicht. Es kann irgendein Kind am Telefon sein. Es ist oft so gewesen, daß das Lösegeld bezahlt wurde und die Entführten lebten schon lange nicht mehr.«
»Sie werden doch nicht ein unschuldiges Kind töten!« stöhnte er.
»Erinnere dich mal, wie oft du schon davon gehört hast, soll ich dir die Fälle aufzählen, vom Lindberghbaby angefangen, da war eine Armee mit der Suche beschäftigt und es hat nichts genützt.«
»Wieso sind sie gerade auf Jennifers Kind gekommen?«
»Weil du reich bist.«
»Aber sie ist nicht reich. Sie wurde von diesem Tagedieb sitzengelassen.«
»War es nicht so, daß sie damals auch entführt wurde?«
Er starrte sie mit einem seltsamen Ausdruck an. »Wie kommst du darauf? Woher nimmst du diese Vermutung?«
»Man hat es gemunkelt, und dein Vater soll ein gewaltiges Lösegeld gezahlt haben. Ist das nur Gerede?«
»Gewäsch, Tratsch«, stieß er zornig hervor. »Ich will nicht, daß du noch einmal davon sprichst. Es war ein übles Komplott, um mir geschäftlich zu schaden. Aber einen Sestrum bringt man nicht so schnell um, merk dir das.« Sein Gesicht hatte eine blaurote Färbung angenommen, er schien einem Schlaganfall nahe zu sein. Da bekam Rebecca es doch mit der Angst. Das konnte ihr nun gar nicht recht sein. Ihr war er nur nützlich, solange er lebte, denn an Heirat brauchte sie gar nicht zu denken, das hatte er ihr schon sehr deutlich zu verstehen gegeben.
»Komm, beruhige dich, Arno«, redete sie auf ihn ein. »Du kannst nichts dafür, daß der Junge entführt wurde. Vielleicht ist das auch von Jennifer inszeniert worden, um zu Geld zu kommen.«
Darauf folgte ein sehr langes Schweigen, und Rebecca ahnte, daß er gründlich nachdachte. Auch das gefiel ihr nicht.
*
Dr. Norden verfügte über gute Verbindungen zur Polizei und zu sehr einflußreichen Leuten, und wenn es darum ging, anderen zu helfen, nutzte er diese Beziehungen auch aus.
So erfuhr er auch sehr schnell, daß sich die Kriminalpolizei und auch Interpol bereits bemühten, etwas über die Besitzerinnen der beiden Pässe in Erfahrung zu bringen, die man in Jennifers Handtasche gefunden hatte, da Jennifer noch immer nicht vernehmungsfähig war.
So geschah es, daß um vier Uhr nachmittags zwei Beamte in Zivil vor Arno Sestrums Villa standen und nach einem kurzen Wortwechsel klingelten.
Der Butler öffnete und erkundigte sich sehr reserviert nach ihren Wünschen.
»Wir möchten Herrn Arno Sestrum sprechen. Kriminalpolizei München.« Sie zeigten ihre Ausweise, die eine genaue Beachtung fanden, dann wurde der Hausherr telefonisch verständigt.
Arno Sestrum war es nicht geheuer, aber so leicht konnte ihn nichts erschüttern. Neugierig war er jedoch auch, denn er nahm an, daß es mit dem Verschwinden des Jungen zu tun hätte.
»Wir haben erfahren, daß eine Rebecca Trebnitz bei Ihnen als Hausdame angestellt ist. Trifft das noch zu?«
»Gewiß, sie ist eine entfernte Verwandte. Liegt etwas gegen sie vor?« fragte Sestrum zögernd und mißtrauisch geworden, da ihn Rebeccas Verhalten bereits nachdenklich gestimmt hatte.
»Wir würden die Dame gern sprechen. Sie können dabei sein, falls es Ihnen lieber ist.«
»Ich möchte schon wissen, worum es geht«, sagte Arno Sestrum nervös.
Rebecca erschien ein paar Minuten später. Es war ihr anzusehen, daß sie sich in ihrer Haut nicht wohl fühlte.
»Was СКАЧАТЬ