Cogito, ergo dumm. Sebastian 23
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Название: Cogito, ergo dumm

Автор: Sebastian 23

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9783710951084

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СКАЧАТЬ und mithilfe seines überlegenen Geistes folglich die Fähigkeit zu besitzen, das Geschirr zu krümmen. Und in den Achtzigern verbog sich ihm die halbe Menschheit zu Füßen. Ob das die Hälfte war, die Jean de La Bruyère im Eingangszitat gemeint hat?

      Tatsächlich haben wir in den letzten Jahrzehnten sehr viel darüber herausgefunden, wie unser Gehirn funktioniert. Auch über Intelligenz ist schon viel geschrieben worden. Aber wie die dunkle Seite des Mondes wird die andere Seite der Medaille selten in Betracht gezogen. Und das, obwohl es so scheint, als ob die Dummheit einen großen und wachsenden Bestandteil unseres Lebens und unserer Kultur ausmacht. Gibt es tatsächlich kein Denken ohne Dummheit? Ich würde sagen, das gibt es so wenig wie Stärke ohne Schwäche. Solange ich nicht unendlich klug bin, bin ich dümmer als jemand, der unendlich klug ist. Aber wir gelten sicher auch deswegen ungern als dumm, weil Klugheit uns Sicherheit verspricht. Oder zumindest haben wir das Gefühl, sicher zu sein, weil wir ja in der Lage sind, die Welt und ihre Gefahren richtig einzuschätzen. Unser Stammhirn ist also schon evolutionär bedingt dagegen, dass wir dumm sind. Nun ist aber der Mensch ohne Dummheit undenkbar, genauso wie ein Mensch ohne Schwäche. Ist unser Stammhirn also gegen sich selbst? Ein weiterer Grund, diesem Phänomen einmal systematisch nachzugehen.

      Doch bevor wir einen Blick darauf werfen, welche Dummheiten die Menschheit so angestellt hat, lohnt sich eine Untersuchung dessen, was Dummheit eigentlich bedeutet. Und klar, da kann man leicht mit dem Finger auf den venezianischen Stadtrat zeigen, dessen rechtskonservative Mehrheit aus Lega Nord und Forza Italia am 12. November 2019 ein Maßnahmenpaket zur Abwendung des Klimawandels ablehnte – und Minuten später wurde der Sitzungssaal vom steigenden Meerespegel überflutet. Derlei eindrückliche Beispiele für menschliche Dummheit aus Vergangenheit und Gegenwart finden sich viele, aber es erscheint vorab zumindest sinnvoll, sich kurz mit der Dummheitstheorie zu befassen. Wir werfen dabei auch einen Blick auf die funktionale Dummheit, emotionale Dummheit und künstliche Dummheit. Ergründen wir die Dummheit in ihrer Vielfalt. Und vergessen wir dabei nie meine eigene Dummheit als Autor. Denn ich würde mich nie trauen, ein Buch über Dummheit zu schreiben, wenn ich nicht selbst nur ein Stück Seife im Kopf hätte.

      2. Was heisst hier dumm?

       »Vielwisserei lehrt nicht Verstand haben.«

      Heraklit

      Wenn man einfache Lösungen mag, würde man wohl im Duden nachschlagen, was Dummheit ist, aber der Duden weiß das natürlich und streckt den Suchenden auf seine ganz eigene Art die Zunge raus. Dummheit wird hier definiert als »Mangel an Intelligenz«. Intelligenz hingegen wird definiert als Mangel an Dummheit. Und fertig ist die Laube. Leider stimmt das nicht, ganz so mutig ist die Duden-Redaktion nicht. Intelligenz ist ihr zufolge die Fähigkeit, abstrakt und vernünftig zu denken und daraus zweckvolles Handeln abzuleiten. Ich habe ehrlich gesagt nicht mal diesen Satz verstanden und bin mir daher recht sicher, dass wir alle ein bisschen dumm sind. Aber vielleicht schließe ich da auch wieder nur von mir auf andere.

      Es scheint, wenn man verstehen will, was Dummheit ist, kommt es auch darauf an, was man so als Intelligenz betrachtet. Umfragen zufolge galt als intelligentester Deutscher lange Zeit niemand anderes als Günther Jauch. Das leuchtet ein, der wusste ja auch immer die Antworten auf alle Quizfragen, sogar die allerschwierigsten. Der muss ja wahnsinnig clever sein, ist logisch. Dass Herr Jauch die Fragen ja gar nicht selbst beantworten muss, sondern am Ende nur die Antworten der Kandidat*innen mit der richtigen Antwort aus der Redaktion vergleicht, spielt offenbar eine untergeordnete Rolle. Gut, okay, das hätte man auch einem mittelbegabten Huhn beibringen können, welches im Übrigen ähnlich undurchschaubar geguckt und zudem hübscheres Gefieder vorzuweisen gehabt hätte. Aber gut, das ist nicht meine Entscheidung, das müssen die Verantwortlichen bei RTL selbst wissen. Bisschen schade nur, dass mittlerweile nicht ein mittelbegabtes Huhn als intelligenteste Deutsche gilt, sondern stattdessen den misogynen Maskenball namens Germanys Next Top Model moderiert.

      Immer wieder beeindruckt zeigen sich die Menschen auch von Kopfrechenkünstler*innen. Die gelten als überaus intelligent, wenn sie mal eben beim Frühstück zwischen Scheiblettenkäse und Mirabellenmarmelade dreistellige Zahlen im Kopf multiplizieren. Das kann ich übrigens auch, vorausgesetzt, die dreistelligen Zahlen sind 100 und 100. Da ist die Lösung einfach: 200. Wäre jedoch allein Kopfrechnen der Maßstab für Intelligenz, dann wäre bereits mein Taschenrechner eine übermenschliche künstliche Intelligenz, die uns alle unterjochen könnte: »Kniet nieder, ihr Narren, Fürst Casio X34 ist im Haus und jongliert lässig mit Zweierpotenzen!«

      Glücklicherweise ist das nicht so und nur deshalb sind wir noch die überlegene Intelligenz auf diesem Planeten. Vor lauter Freude darüber nennen wir uns selbst Homo sapiens (etwa: der kluge Mensch), bis in die 1990er war sogar die Bezeichnung Homo sapiens sapiens verbreitet. Der kluge, kluge Mensch – das war unser Name. Mag sein, dass wir unser Recht als Erfinder der Sprache, alles zu benennen, da etwas zu unseren Gunsten verbogen haben: »Okay, du bist ein Huhn, du bist eine Katze und du bist ein Dorsch. So, haben jetzt alle Namen? Nein, ich selbst noch nicht? Okay, ich heiße der kluge, kluge Mensch. Hat jemand Einwände? Nein? Okay.«

      Kann es da verwundern, dass niemand dumm sein will? Schließlich definieren wir nicht weniger als unsere eigene Gattung über unsere Klugheit. Und doch scheint die Dummheit unser steter Begleiter zu sein. Falls Sie heute noch nichts Dummes gemacht haben, sind Sie vielleicht einfach nicht ehrlich zu sich selbst. Schade im Grunde, dass man nur den IQ messen kann, aber nicht den Dummheitsquotienten, also quasi den SQ, wie man international abkürzen würde. So klagt Emil Kowalski in seinem hervorragenden Buch Dummheit. Eine Erfolgsgeschichte. Über diesen Punkt musste ich allerdings ein wenig schmunzeln. Denn den Dummheitsquotienten zu messen statt den Intelligenzquotienten ist ein wenig, wie die Dunkelheit statt der Helligkeit zu messen: »Ja, Herr Nachtigaller, wir wissen, wie hell es in diesem Raum ist. Aber die Frage bleibt: Wie dunkel ist es in diesem Raum?«

      Es lohnt sich also doppelt, in diesem Buch einen genaueren Blick auf die Dummheit zu werfen. Denn die Reise geht immer auch an die Grenzen unserer Intelligenz. Und da wird es erfahrungsgemäß lustig. Ganz nebenbei finden wir vielleicht auch noch raus, ob wir den Ehrentitel Homo sapiens überhaupt verdienen oder in Zukunft eher Homo stultus heißen sollten.

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      Eine sehr naheliegende Methode, über die Intelligenz oder eben die Dummheit eines Menschen eine Aussage zu treffen, ist der IQ-Test. Der Franzose Alfred Binet erfand das Konzept von Testaufgaben in verschiedenen Schwierigkeitsstufen. Der deutsche Psychologe William Stern entwickelte 1912 aus diesem Test eine Maßeinheit: den Intelligenzquotienten, kurz IQ. Bei Leuten, die vorher gelebt haben oder einen solchen Test nie gemacht haben, kann man nur Mutmaßungen anstellen. Das gilt auch für Albert Einstein, dem ein IQ von 160 nachgesagt wird, der aber nie einen Test gemacht hat, also in Wirklichkeit überhaupt gar keinen IQ hatte. Und das, obwohl er 100 Prozent seines Gehirns nutzte. Ebenso wenig wissen wir über den IQ von Charles King, der 1927 die Präsidentschaftswahlen in Liberia mit 243 000 Stimmen Vorsprung gewann. Beeindruckende Zahlen, besonders bei nur 15 000 Wahlberechtigten im Land. Sein IQ war bestimmt mindestens fünf Milliarden. Aber dazu später mehr.

      Die heute gebräuchlichen weiterentwickelten IQ-Tests gehen auf den US-Psychologen David Wechsler zurück. Wir haben uns inzwischen darauf geeinigt, dass alle zwischen 85 und 115 in der Norm liegen. Ab einem IQ von weniger als 70 spricht man von Intelligenzminderung, Minderbegabung, Schwachsinn oder Oligophrenie. »Etwa 5 Prozent der Gesamtbevölkerung weisen nach der psychologischen Definition eine Intelligenzminderung auf«, schreibt der Hirnforscher Ernst Pöppel. Der IQ-Test wird dabei übrigens regelmäßig normiert, dazu werden 30 000 bis 50 000 Probanden gemessen und ein Mittelwert gefunden, der dann als 100 definiert wird. Und es mag Sie vielleicht überraschen, dieser Mittelwert steigt stetig. Nach der Definition von Intelligenztests wird die Menschheit also scheinbar immer klüger. Spätestens dieses Phänomen, das in der Fachwelt als СКАЧАТЬ