Название: Der kleine Fürst Classic 37 – Adelsroman
Автор: Viola Maybach
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Der kleine Fürst Classic
isbn: 9783740962470
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Sie tupfte sich verstohlen über die Augen. Zum Glück saß ihre Großmutter zwischen ihr und Ludovica, so dass sie hoffen konnte, ihre Cousine würde die Tränen nicht bemerken. Bis das Licht im Saal anging, hatte sie sich jedenfalls wieder gefasst.
»Es war wundervoll, nicht wahr?«, flüsterte Liliane ihr zu.
Alina sah, dass sie ebenfalls feuchte Augen hatte und nickte stumm.
Der Beifall war überwältigend. Alina hörte auf, die Vorhänge zu zählen, es waren jedenfalls sehr viele. »Wundervolle Stimmen«, sagte ihre Großmutter. »Ich bin froh, dass ich euch begleitet habe, obwohl ich Premieren immer ein wenig anstrengend finde.«
»Wieso denn, Omi?«, fragte Alina, während der Beifall langsam verebbte.
»Ach, bis man sich in Schale geworfen hat und einigermaßen zufrieden mit seinem Äußeren ist«, seufzte Liliane, »das kostet in höherem Alter doch sehr viel mehr Zeit als früher.«
Alina lachte und gab ihr einen Kuss. »Du siehst klasse aus für dein Alter, Omi, du musst dich wirklich nicht verstecken.«
»Ich danke dir, mein Kind.«
Ludovica beugte sich herüber. »Wir essen noch eine Kleinigkeit, ja? Ernst hat einen Tisch reservieren lassen.«
»Fein«, sagte Liliane erfreut, »die Musik hat mich richtig hungrig gemacht.«
Als Alina aufstand, sah sie wenige Reihen hinter sich Johannes von Brahms im Gespräch mit zwei jungen Männern, von denen ihr einer vage bekannt vorkam. Er sah aus wie einer von Ludovicas Begleitern der letzten Zeit. Den anderen kannte sie nicht.
Hastig wandte sie den Blick ab, sie wollte nicht dabei überrascht werden, wie sie Johannes von Brahms anstarrte. Aber die wenigen Sekunden hatten genügt, sie aus dem Gleichgewicht zu bringen. Sie war erst zwei oder drei Mal verliebt gewesen in ihrem Leben, sie hatte nicht viel Erfahrung, was die Liebe betraf. Hoffentlich konnte sie Johannes von Brahms schnell wieder vergessen. Wenn eine Sache aussichtslos war, musste man sie am besten umgehend beenden, das wusste sie. Und dieser attraktive junge Mann hatte bisher noch nicht einmal zur Kenntnis genommen, dass sie existierte – es war also höchst unwahrscheinlich, dass er sich in sie verlieben würde, auch wenn sich Ludovica offenbar nicht mehr mit ihm traf.
»Was ist denn, Kind?« Liliane drehte sich zu ihr um. »Was stehst du da und träumst?«
»Ich träume nicht, Omi!«, behauptete Alina und beeilte sich, ihrer Großmutter zu folgen. Ludovica und Ernst waren bereits nicht mehr zu sehen.
*
Es war Zufall, dass Marius beobachtete, wie Gräfin Ludovica ihr Opernglas liegen ließ, nachdem Graf zu Stolberg ihr in die elegante Abendjacke geholfen hatte. Er widerstand dem Impuls, sich einfach nicht darum zu kümmern – das wäre nicht nett gewesen. Eigentlich hatte er keine große Lust, sie anzusprechen. Nach allem, was er von Gero gehört hatte, war sie keine Frau, deren Bekanntschaft er gern machen wollte.
Er überwand sich dennoch, nahm das Opernglas an sich und sagte, bevor die Gräfin und ihr Begleiter das Gebäude verließen, höflich: »Verzeihung, ich glaube, Sie haben das hier liegen lassen.«
Ludovica drehte sich um und sah ihn verwundert an. Sicherlich vermutete sie einen der zahlreichen Tricks, mit denen Männer versuchten, ihre Bekanntschaft zu machen. Dann sah sie das Opernglas in Marius’ Hand. »Oh, vielen Dank«, sagte sie. »Das ist sehr freundlich von Ihnen.«
Ihr Lächeln war gewinnend, ihre Augen lockten ihn, sich vorzustellen und ihr zu zeigen, wie beeindruckt er von ihr war. Marius fühlte Ärger in sich aufsteigen. Mit mir machst du deine Spielchen nicht, dachte er. »Bitte sehr, das war doch selbstverständlich«, erwiderte er mit kühlem Lächeln, deutete eine knappe Verbeugung an, drehte sich um und kehrte zurück ins Foyer, wo Gero ihn bereits aufgeregt erwartete. »Was sollte das denn? Plötzlich warst du weg – und dann sehe ich dich mit Ludovica reden. Was hat sie gesagt? Weiß sie, dass du mit mir hier bist?«
»Gero, es ging überhaupt nicht um dich, entschuldige bitte. Sie hatte ihr Opernglas liegen lassen. Ich habe es ihr gegeben, das war alles. Können wir jetzt gehen?«
Gero schluckte, dann nickte er. »Jo hat gefragt, ob wir noch eine Kleinigkeit essen gehen wollen. Was meinst du?«
»Nichts dagegen«, erwiderte Marius.
Gleich darauf kam Johannes, und sie verließen die Oper. Marius war in sich gekehrt und hörte nicht zu, was seine Freunde redeten. Er ärgerte sich über sich selbst: Er hatte sich nicht beeindrucken lassen wollen von Ludovica, doch nun musste er feststellen, dass es ihm nicht gelang, sie wieder aus seinen Gedanken zu vertreiben.
Das passte ihm nicht. Es passte ihm ganz und gar nicht.
*
Auf Schloss Sternberg klingelte das Telefon. Eberhard Hagedorn meldete sich, aber er kam nicht einmal dazu, seinen Namen ganz auszusprechen, als er auch schon von einer aufgeregten Männerstimme unterbrochen wurde. »Herr Hagedorn, hier ist Strobel, ich muss unbedingt den Herrn Baron sprechen. Ich weiß, es ist schon sehr spät, aber die Sache duldet keinen Aufschub!«
Der Blick des alten Butlers glitt unwillkürlich zu der großen Standuhr an der Wand gegenüber – es war bereits nach elf Uhr abends. Er wartete darauf, dass die Herrschaften aus München zurückkehrten, aber er wusste, dass das noch gut und gern eine Stunde dauern konnte. »Ich bedauere, Herr Strobel«, erwiderte er höflich, »aber die Frau Baronin und der Herr Baron sind noch unterwegs.«
»Er hat wieder zugeschlagen, Herr Hagedorn!« Klaus Strobel war Oberförster in dem Waldgebiet, das zu Schloss Sternberg gehörte, und Eberhard Hagedorn wusste leider nur zu genau, was diese Worte bedeuteten: Seit einiger Zeit machte ein Wilderer die Wälder unsicher. Der Oberförster erregte sich weniger über den Verlust, der dadurch entstand, als vielmehr über die Art und Weise, wie der Mann das Wild erbeutete: Er erlegte es nämlich nicht mit einer Kugel, sondern er stellte Fallen auf, die die Tiere verletzten und vor ihrem Tod unnötig leiden ließen. Klaus Strobel war dem Mann schon öfter direkt auf den Fersen gewesen, doch in letzter Minute war er ihm immer wieder entwischt.
»Ich habe zwei Fallen gefunden, eine war leer, in der anderen quälte sich ein kapitaler Hirsch, den ich töten musste. Es ist Tierquälerei, was dieser Mann macht, Herr Hagedorn.«
»Und Sie sind sicher, dass er allein ist, Herr Strobel? Es könnten doch auch mehrere sein.«
»Der ist ein Einzelgänger, das weiß ich so sicher, als hätte er mir bereits seinen Namen verraten!«, rief der Förster. »Wann erwarten Sie den Herrn Baron zurück, Herr Hagedorn?«
Der Butler traf seine Entscheidung innerhalb von Sekunden. Er wusste, dass Baron Friedrich in diesem Fall mit Sicherheit sofort informiert werden wollte – selbst nach einem Opernbesuch. »Wenn Sie sich herbemühen würden, Herr Strobel?«, fragte er höflich. »In spätestens einer Stunde dürften die Herrschaften wieder hier sein – und ich denke, der Herr Baron würde gern persönlich mit Ihnen sprechen.«
»Ich mache mich gleich auf den Weg, vielen Dank, Herr Hagedorn.« Es klickte, damit war das Gespräch beendet.
»Schlechte Nachrichten, Herr Hagedorn?«
Der Butler drehte sich um. Es war Marie-Luise Falkner, die junge СКАЧАТЬ