Leichen, die auf Kühe starren. Tatjana Kruse
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Название: Leichen, die auf Kühe starren

Автор: Tatjana Kruse

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783709939109

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СКАЧАТЬ dass „die Weibchen der Spezies“ sehr viel gefährlicher waren als die Männchen.

      Immerhin bewegte sich die Erscheinung jetzt. Sie zeigte in den Nebel.

      Karl-Heinz verschwand kurz aus ihrem Sichtfeld, dann tauchte er wieder auf, und zwar rücklings. Keuchend zerrte und ruckelte er an einem Koffer. Eigentlich mehr Schrank als Koffer. Jedenfalls zu wuchtig für den mindertrainierten Karl-Heinz.

      „Kann mir mal wer helfen!“, rief er über seine Schulter in Richtung Kleinbus.

      Rudi entriegelte die Beifahrertür.

      Beppi langte über ihn hinweg und drückte den Knopf wieder nach unten. „Wir nehmen sie doch wohl nicht mit?“

      „Willst du die Frau etwa hierlassen? Allein? Mitten in der Nacht?“ In Rudi kam der Gentleman durch.

      „Du weißt genau, warum das nicht geht. Manni kann seine Klappe nicht halten. Was ist, wenn er plappert? Wenn durch ihn alles auffliegt?“

      Manni drehte sich zu Beppi. „Redest du von mir?“

      „Nein, ich meine einen völlig anderen Manni.“ Beppi schürzte die Lippen.

      „Ach so, dann ist ja gut.“ Manni verschränkte die Arme und schmollte.

      Rudi guckte unentschlossen zu Nicht-der-Hinterseer. Der zuckte ratlos mit den Schultern.

      „Was ist jetzt?“, brüllte Karl-Heinz ungeduldig. Er rackerte sich an dem Schrankkoffergriff ab, aber seine Kräfte waren aufgebraucht.

      Die vier im Kleinbus sahen hinaus in die Nacht. Dann schlug Nicht-der-Hinterseer zur Güte vor: „Wir könnten die Verkehrswacht verständigen, die holt sie dann schon. Oder die Polizei.“

      „Oder die Telefonseelsorge?“, lästerte Rudi. „Depp. Niemand Offizielles darf wissen, dass wir hier sind!“

      „Aber wenn wir ihr nicht helfen, machen wir uns verdächtig. Dann merkt sie sich vielleicht das Kennzeichen, meldet es, und meine Gabi bekommt Schwierigkeiten. Nee, so nicht!“ Beppi entriegelte die Tür.

      Die Tür glitt auf, und in diesem Moment materialisierte sich die Frau direkt vor ihnen. Weil sie so mit sich beschäftigt gewesen waren und es nicht hatten kommen sehen, quietschten die vier auf. Unisono.

      „Grüß Gott!“ Ihre Stimme klang sympathisch. Von Nahem wirkte sie gar nicht mehr bedrohlich. Dafür sehr viel älter, als es der knallrote Lederoverall und die High Heels von Weitem hatten vermuten lassen. Also, nicht nur älter. Richtig alt.

      „Herr Pflugfelder meinte, es wäre kein Problem für Sie, mich mit nach Kitzbühel zu nehmen.“ Sie lächelte. Es war aber kein gütiges Großmutterlächeln. Die Jungs wurden eher an einen Hai erinnert, der sein Revolvergebiss fletschte. „Ich bin Ihnen wirklich sehr dankbar.“

      Alle sahen vorwurfsvoll zu Karl-Heinz. Der das nicht mitbekam, weil er konzentrationstechnisch voll im Kampf Mann gegen Koffer aufging.

      „Machen wir doch gern“, log Rudi. „Ich bin der Rudi. Beppi, Hansi, Manni.“ Er zeigte auf die anderen und dann nach draußen zu dem riesigen Schrankkoffer mit dem Wackelmännchen daran. „Den Karl-Heinz kennen Sie ja schon.“

      „Freut mich sehr.“ Sie strahlte die Männer der Reihe nach haifischartig an. „Ich fürchte nur, Ihr Karl-Heinz bekommt meinen Koffer nicht allein in den Wagen.“

      Keiner rührte sich.

      „Vielleicht möchten Sie ihm helfen?“ Sie hatte definitiv was Karl-Heinzisches. Will heißen: Lehrerhaftes. Strenges.

      Beppi, Rudi und Nicht-der-Hinterseer sprangen aus dem Kleinbus und halfen Karl-Heinz mit dem unhandlichen Gepäckstück. Nur Manni blieb sitzen und starrte die Oma an. Gerade wollte er sie fragen, wie sie denn hierhergekommen war, so ganz ohne Fahrzeug, pumperlallein im Nichts. Da sagte sie: „Mein Koffer feuchtelt rot an den Ecken. Das ist aber kein Blut.“ Sie kicherte. Es war ein Blofeld-Kichern. „Nein, kein Blut. Ich habe … Pesto aus Italien als Mitbringsel dabei. Da muss mir wohl ein Glas zerbrochen sein.“ Sie kicherte erneut.

      Manni wurde bleich. Ihm schien, als habe sie seit ihrem Auftauchen kein einziges Mal geblinzelt. Wer, bitteschön, war so völlig blinzellos? Mit Wucht meldeten sich seine Horrorfilmerinnerungen wieder. „Ich helfe den anderen“, krächzte er und verließ fluchtartig den Wagen.

      Die Frau äugte in den Innenraum des Busses. Die fünf Männer hatten in den wenigen Stunden ihrer Pilgerfahrt aus dem makellosen Interieur von Gabis mobilem Schönheitsstudio ein krümeliges, fleckiges, schlieriges, olfaktorisch bedenkliches Vehikel gemacht. Hätte sie raten müssen, welchem Hobby die Jungs nachgingen, die Frau in Rot hätte auf das Sammeln von Sporen, Grünspan und Schimmelpilzen getippt. Sie seufzte, kletterte dennoch hinein, setzte sich auf den Beifahrersitz und nahm ihre ausgebeulte Gobelintasche auf den Schoß.

      Im CD-Player ging Hansi Hinterseer zu einem neuen Song über. Ein flottes Intro erschallte.

      Die ausgebeulte Tasche auf dem Schoß der alten Frau wackelte. Nicht im Takt, aber immerhin. Die Alte tätschelte den Gobelinstoff. „Alles gut, alles gut“, raunte sie.

      In der Tasche blieb es still. Vitzliputzli liebte Musik, aber er sang nicht.

      Draußen schoben sie zu fünft den irrsinnig schweren Koffer in Richtung Kleinbus. Und weil Karl-Heinz und Rudi den Koffer schoben, Nicht-der-Hinterseer und Beppi jedoch den Karl-Heinz und den Rudi und Manni mit je einer Hand den Beppi und den Nicht-der-Hinterseer, sah es ein bisschen so aus wie eine Tiroler Polonaise. Was gut passte, denn genau darüber sang Hansi Hinterseer gerade in diesem Moment vom CD-Player. „... die Tiroler Polonaise, das ist Gaudi total. Die Tiroler Polonaise, und jetzt alle noch einmal …“

      Das Ganze zog sich, aber irgendwann gab es ein Happyend. Kaum zu glauben, trotz allem noch deutlich vor Sonnenaufgang.

      Den Männern gelang es, den Schrankkoffer auf das Dach des Kleinbusses zu wuchten, wo sie ihn vertäuten. Als sie schwer atmend und durchgefroren – es wurde nachts jetzt doch schon empfindlich kalt – wieder in den Bus stiegen, schenkte die alte Frau in ihrem sexy Lederoverall allen ein herzliches Lächeln. Wirklich herzlich diesmal, nicht fischgebissig. „Danke, Jungs. Ich mach’s wieder gut bei euch, versprochen.“ Das hätte, gerade angesichts ihres roten Leder-Outfits, eindeutig zweideutig rüberkommen können. Aber es klang kein bisschen nach Sexworkerin, sondern eindeutig nach Kindergärtnerin, als sie sagte: „Ich bin die Frau Obermoser. Ihr dürft mich Frau Obermoser nennen.“

      Weil alle noch entkräftet keuchten, antwortete keiner. Frau Obermoser nutzte die Gunst der Atemlosigkeit und meinte treuherzig: „Karl-Heinz, Sie erwähnten die Ferienwohnung in der Wehrgasse, die Sie für sich und Ihre Freunde angemietet haben.“

      „Mit …“ Keuch, keuch. „... Parkmöglichkeit …“ Keuch, keuch. „… für den Bus.“ Da war Karl-Heinz stolz drauf. Keiner der anderen hätte an dieses Detail gedacht und dann hätten sie womöglich stundenlang zwischen Unterkunft und Parkplatz pilgern müssen.

      „Das war sehr weitsichtig von Ihnen“, lobte Frau Obermoser. „Eine Weitsicht, die mir fehlt. Leider habe ich versäumt, ein Hotelzimmer zu buchen. Und jetzt ist es ja irrsinnig spät. Was meinen Sie, dürfte ich – nur für heute Nacht – mein Haupt in Ihrer Ferienwohnung betten?“

      Wären die Männer nicht immer noch vom ungewohnt sportlichen Gewaltakt СКАЧАТЬ