Die Netflix-Revolution. Oliver Schütte
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СКАЧАТЬ sie zu leihen. Es war der Beginn der zahlreichen Videostores, die nun aus dem Boden sprossen. Die Zuschauer konnten hier für einen günstigen Preis Videos zu einer Tagesrate ausleihen. Wer den Film weitere Tage behalten wollte, zahlte eine Verspätungsgebühr.

      Videotheken hielten mehrere Tausend Kassetten bereit und boten den Kunden eine bisher nicht gekannte Auswahl an Abendunterhaltung. Der Zuspruch zu dieser neu gewonnenen Freiheit bildete sich in den immer weiter steigenden Zahlen der Videotheken ab. Sie waren tatsächlich so etwas wie die Vorreiter der heutigen Streamingdienste. Die Bezeichnung für diese Plattformen »Video on Demand« war letztendlich schon damals mit den Läden zutreffend, die hunderte von Filmen bereithielten.

      DVDs kamen wie der Videorekorder in einem Krieg der Systeme auf den Markt. Unterschiedliche Hersteller hatte an der Technik gearbeitet und waren zu verschiedenartigen Lösungen gekommen. Wieder standen in den Regalen der Elektronikhändler Geräte, die mehr oder weniger das Gleiche konnten. Aber wofür sollte sich der Kunde entscheiden? Auch hier erschwerte der Kampf um die Markthoheit die Einführung massiv. Es war dann der Druck der Filmindustrie, die die Kosten für mehrere Formate scheute, die die konkurrierenden Konzerne zwangen, sich 1995 auf einen gemeinsamen Standard zu einigen.

      Die ersten Geräte dienten im Gegensatz zur Videokassette jedoch nur zum Abspielen und nicht zum Aufnehmen von Fernsehsendungen. Da die DVDs aber äußerlich ein echter Zugewinn waren (schicke silberne Scheiben in schlanker Verpackung), wuchs der Markt rasant. Die Anwender, die bereits die Freiheit des heimischen Videoabspiels kennengelernt hatten, nutzten zunehmend die Möglichkeit, Filme zu besitzen und sie im Bücherregal ständig zur Verfügung zu haben.

      Es waren nicht nur Einzelstücke, sondern auch Serien, die nun über den Ladentisch gingen. VHS war zwar dafür geeignet, Kinofilme für den Fernseher anzubieten, aber es war nicht ideal eine Serie zu vertreiben. Je nach Anzahl der Folgen waren mehr als drei Kassetten notwendig, um eine gesamte Staffel unterzubringen. Die Größe machte es schlicht unbequem, diese als Box zu verkaufen.

      Erst die DVDs boten die Gelegenheit, die Staffel einer Serie in einer Verpackung aufzunehmen. Dass sich die Hersteller schon bald in der künstlerischen Gestaltung ihrer Boxen überboten, war ein weiterer Aspekt. Die gesamte amerikanische Serie Six Feet Under, die über ein Beerdigungsinstitut erzählt, befindet sich in einem Kasten, der die Form eines Grabsteins hat. Die sieben Staffeln der Science-Fiction-Produktion Star Trek Voyager wiederum wurde in einem funktionsfähigen Mini-Kühlschrank verkauft.

      Mit der Einführung der DVD veränderte sich ein weiteres Mal das Sehverhalten. Das »Binge Watching« (‚Serienmarathon’) nahm hier seinen Anfang. Wer eine komplette Staffel aus der Videothek geliehen hatte, wollte die Folgen möglichst schnell hintereinander schauen, um nicht horrende Summen für die Miete auszugeben. Aber auch wer kaufte, konnte dem Suchtfaktor der Serie kaum widerstehen.

      Entscheidend war in der Entwicklung, dass durch Video und DVD die Zuschauer zum ersten Mal selbst bestimmten, was auf ihren Bildschirmen lief. Das Fernsehgerät wurde befreit vom Diktat der linearen Sender.

      Die Nutzer genossen, dass sie die Zeit bestimmen konnten, wann und wie lange sie den Film oder die Serie anschauen wollten. Dies galt auch für jene, die über einen Festplattenrekorder verfügten, der es erlaubte das aufgenommene Fernsehprogramm zu einem ihnen passenden Moment anzuschauen. Allerdings setzten sie eine vorherige Ausstrahlung im TV voraus sowie die aktive Programmierung. Die Geräte hatten sich überraschenderweise nicht wirklich durchgesetzt. Was sicher auch daran lag, dass sie in der Bedienung äußerst kompliziert waren und es des Öfteren vorkam, dass die Aufzeichnung kurz vor Ende abgebrochen wurde. So habe ich nie erfahren, ob E.T. in sein Raumschiff gestiegen und nach Hause geflogen ist.

       Die Premiere

      Es war die Schweiz, die mit dem Teleclub ab 1984 einen der ersten Pay-TV Sender in Europa etablieren konnte, der zusätzlich auch in Deutschland und Österreich zu empfangen war. Erst 1991 entstand aus dem Anbieter ein eigenständiger deutscher Kanal mit dem Namen Premiere.

      Für die Zuschauer in Deutschland, Österreich und der Eidgenossenschaft war das Konzept des Bezahlfernsehens nur schwer zu vermitteln. Sie mussten einerseits eine Gebühr entrichten und bekamen damit mehrere Sender auf den Bildschirm, konnten sich anderseits kostenlos die Sendungen der privaten Anbieter anschauen, die in den 90er Jahren durchaus originelles Programm offerierten. Es fehlte Premiere an einem überzeugenden Argument, dass ein Abonnement lohnend sei. Zwar boten sie Kinofilme viel früher an, als die anderen Sender, aber wer den Streifen nicht im Kino gesehen hatte, war bereit auf die später folgende Ausstrahlung im freien Fernsehen zu warten. Der eventuelle Hype war um den Kinostart herum passiert und damit vorbei.

      Möglicherweise spürten die Kunden aber auch die Absicht hinter dem Unternehmen, mit dem der bekannte Filmhändler Leo Kirch eine eigene Abspielstation und Verwertung für seine eingekauften Filme, Serien und Sportrechte aufbauen wollte. Ein für ihn durchaus sinnvoller Versuch, denn er hätte Einkauf und Vertrieb in einer Hand gehabt.

      Die vielen Rechte von Leo Kirch, auf die Premiere zurückgreifen konnte, führten aber dazu, dass kaum eigene Sendungen oder gar Serien produziert wurden, die wirklich exklusiv nur bei Premiere zu sehen gewesen wären. Das war wahrscheinlich ein Kardinalfehler, den die Streamingplattformen Jahre später vermeiden wollten und deshalb früh in die Produktion von Inhalten investiert haben.

      Jahrelang schrieb Premiere rote Zahlen, auch der Kauf der exklusiven Bundesligarechte änderte daran nichts. Bezahlfernsehen war den Deutschen nicht zu vermitteln. Was in Amerika und in anderen europäischen Ländern gut funktionierte, stieß hierzulande auf verhaltenes Interesse.

      2008 kaufte sich der Amerikaner Rupert Murdoch in Premiere ein. Obwohl er schon einmal viel Geld in dem deutschen Pay-TV-Markt verloren hatte, glaubte er an die Zukunft und konnte auf erfolgreiche Erfahrungen mit BSkyB und Sky Italia in England und Italien verweisen. Ein Jahr später wurde die Verbindung dann auch nach außen sichtbar, als Murdoch den Sender in Sky umbenannte. Tatsächlich stiegen die Zahlen in der folgenden Zeit.

      Allerdings verkaufte Murdoch 2018 fast sein komplettes Medienunternehmen, und der Pay-TV-Sender Sky ging an den amerikanischen Kabelanbieter Comcast. Das europäische Unternehmen ist nun ein Teil eines US-Giganten, zu dem einer der großen Fernsehsender und ein Filmstudio gehören.

      In den letzten Jahren konnten die Zuschauer auf Sky auch den Welterfolg Game of Thrones sehen – für viele sicherlich ein Grund, ein Abonnement abzuschließen. Nach dem Ende der Serie fehlt es bisher an einem vergleichbaren Programm. Diese Lücke im Angebot macht noch einmal deutlich, wie sehr Bezahldienste auf attraktive Inhalte angewiesen sind. Es ist der Widerspruch, der alle Plattformen betrifft. Wenn sie eine Blockbusterserie im Portfolio haben, dann steigen die Zahlen der Kunden, sie sind aber auch von diesem einen großen Erfolg abhängig. Und da jede Serie einmal ein Ende findet, müssen sich sämtliche Anbieter schon früh genug die Frage stellen, was danach kommt.

       It‘s Not TV

      Wer die Anfänge des Pay-TV in den 80ern vermutet, wird erstaunt sein, dass schon in den 50er Jahren das Bezahlfernsehen als Alternative im Gespräch war. Der renommierte britische Filmproduzent Sir Alexander Korda beschrieb 1955 das Modell so: »Beim Abonnementsfernsehen kauft sich der Teilnehmer eine Sendung wie ein Pfund Fleisch beim Schlachter.«7

      Im kalifornischen Palm Springs, nicht weit von Hollywood entfernt, wurde sogar der Versuch vollzogen, bei dem die Nutzer einen zu einem bestimmten Zeitpunkt gestarteten Film freischalten konnten. Der lief gleichzeitig auch in СКАЧАТЬ