Das Chagrinleder. Оноре де Бальзак
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Название: Das Chagrinleder

Автор: Оноре де Бальзак

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783955013332

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СКАЧАТЬ der Monarchie machten, hat es für nötig befunden, das gute Volk der Franzosen mit neuen Worten und alten Ideen, nach Art der Philosophen aller Schulen und der Mächtigen aller Zeiten, hinters Licht zu führen. Es gilt also, uns eine eminent nationale Idee einzutrichtern, indem man uns klarmacht, dass es viel vorteilhafter ist, 1200 Millionen 33 Centimes dem Vaterland in der Person der Messieurs Soundso zu zahlen als 1100 Millionen 9 Centimes einem Könige, der Ich sagte statt Wir. Kurzum, es ist eine Zeitung mit soliden 2-300000 Francs gegründet worden, um eine Opposition zu bilden, die die Unzufriedenen zufriedenstellt, ohne der nationalen Regierung des Bürgerkönigs [* Bürgerkönig: Louis-Philippe (1773-1850), König der Franzosen (1830-1848); von der französischen Finanzbourgeoisie zum König proklamiert, regierte er in ihrem Interesse bis zu seinem Sturz durch die Februarrevolution 1848] zu schaden. Und da wir uns aus der Freiheit ebensowenig machen wie aus der Despotie, aus der Religion so wenig wie aus dem Unglauben; da das Vaterland für uns eine Hauptstadt ist, wo man die Gedanken für soundsoviel pro Zeile eintauscht und verkauft, wo jeder Tag üppige Diners, sehenswerte Schauspiele bringt, wo es von liederlichen Dirnen wimmelt, wo die Soupers bis zum nächsten Tage dauern und die Liebe nach der Stunde bezahlt wird wie die Droschken; da Paris immer das anbetungswürdigste aller Vaterländer sein wird, das Vaterland der Freude, der Freiheit, des Geistes, der hübschen Frauen, der schlechten Kerle, des guten Weins, das Vaterland, wo die Zuchtrute der Macht nie allzu fühlbar wird, weil man denen zu nahe ist, die sie schwingen ... so haben wir, die wahren Anhänger des Gottes Mephistopheles, es unternommen, den öffentlichen Geist zurechtzuschminken, die Akteure neu zu kostümieren, an der Regierungsbaracke neue Bretter anzuschlagen, den Doktrinären Arznei einzuflößen, die alten Republikaner wieder aufzubacken, die Bonapartisten aufzufrischen und dem Zentrum Proviant zuzuführen, vorausgesetzt, dass es uns erlaubt sei, uns über Könige und Völker ins Fäustchen zu lachen, am Abend anderer Meinung zu sein als am Morgen und ein lustiges Leben à la Panurge [* Panurge: Gestalt aus dem Roman »Gargantua und Pantagruel« von François Rabelais (um 1494-1553). more orientali: lat. nach orientalischer Sitte zu führen] oder more orientali auf weichen Kissen zu liegen. Dir bestimmten wir die Zügel dieses makkaronischen und burlesken Reiches, und so führen wir dich denn geradeswegs zu einem Diner, das der Gründer besagten Journals, ein ehemaliger Bankier, veranstaltet, der nicht weiß, was er mit seinem Golde anfangen soll und es in Geist umwandeln will. Man wird dich dort wie einen Bruder aufnehmen, wir werden dich als den König der missvergnügten Geister willkommen heißen, die nichts erschreckt, deren Scharfsinn die Absichten Österreichs, Englands oder Russlands enthüllt, bevor Österreich, England oder Russland Absichten haben! Ja, dich krönen wir zum Souverän dieser Verstandesriesen, die die Welt mit Mirabeaus, [* Mirabeau, Honoré-Gabriel Riqueti, Comte de (1749-1791): führender Ideologe des liberalen Adels und der Bourgeoisie, Abgeordneter des Dritten Standes; konspirierte mit dem König, um die konstitutionelle Monarchie gegen die revolutionäre Volksbewegung zu sichern, und wurde des Verrats angeklagt] Talleyrands / Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord (1754 – 1838): Bischof von Autun (1788), Deputierter der Gesetzgebenden Versammlung. Unter Napoleon war Talleyrand Außenminister (1797-1807); er intrigierte gegen den Kaiser (1808) und fiel in Ungnade. 1814 konstituierte er eine Provisorische Regierung, die Ludwig XVIII. den Thron antrug, was ihm unter der Restauration wieder das Außenministerium einbrachte. Während der Juli-Monarchie war Talleyrand französischer Botschafter in London (1830-1835) Pitts, / Pitt, William (1759-1806): englischer Premierminister von 1784 bis 1801 und 1804; war die treibende Kraft des Kampfes gegen die Französische Revolution und das napoleonische Kaiserreich Metternichs, / Metternich, Clemens Wenzel Lothar, Fürst von (1773-1859): österreichischer Staatsmann; ab 1809 Außenminister, 1821 – 1848 Staatskanzler; wurde nach dem Wiener Kongress (1815) Haupt der Reaktion in Europa; unterdrückte gewaltsam alle nationalen und liberalen Bestrebungen; durch die Wiener Märzrevolution 1848 gestürzt mit allen jenen dreisten Crispins [* Crispin: dreiste und stets auf das eigene Wohl bedachte Diener-Gestalt der französischen Komödie] beliefern, die unter sich um Geschicke eines Reiches spielen, wie die gewöhnlichen Leute beim Domino um ihr Kirschwasser. Wir haben dich als den unerschrockensten Kämpen ausgegeben, der es je mit der Ausschweifung aufgenommen hat, jenem herrlichen Ungeheuer, das alle starken Geister zum Kampf herausfordert; ja, wir haben sogar behauptet, dass es dich noch nicht besiegt habe. Ich hoffe, du wirst unsere Lobreden nicht Lügen strafen. Taillefer, unser Amphitryon, [* Amphitryon: sagenhafter König von Theben, der eine Blutschuld sühnen musste, um die Hand Alkmenes zu erlangen. Nach der gleichnamigen Komödie von Molière gilt er als wohlhabender, gern den Gastgeber spielender Mann] hat uns versprochen, die knausrigen Saturnalien [*Saturnalien: altrömische Feste zu Ehren des Gottes Saturn mit karnevalistischem Treiben und dem Rollentausch von Herren und Sklaven] unserer kleinen modernen Lukullusse zu überbieten. Er ist reich genug, um Niedrigkeit mit Größe, Laster mit Eleganz und Grazie zu umgeben. Hörst du zu, Raphael?« fragte der Redner und unterbrach sich.

      »Ja«, antwortete der junge Mann, der weniger erstaunt war über die Erfüllung seiner Wünsche als über die Natürlichkeit, mit der die Ereignisse sich verketteten.

      Obgleich es ihm unmöglich war, an einen magischen Einfluss zu glauben, bewunderte er die Zufälle des menschlichen Lebens.

      »Du sagst ›ja‹ zu uns in einer Weise, als ob du an den Tod deines Großvaters dächtest«, sagte einer seiner Kameraden.

      »Ach«, sagte Raphael in einem so naiven Ton, dass die Schriftsteller, die Hoffnung des jungen Frankreich, in Gelächter ausbrachen, »ach, meine Freunde, ich dachte eben daran, dass wir auf dem Weg sind, rechte Schurken zu werden. Bisher haben wir nur zwischen zwei Weinen ruchlose Reden geschwungen, haben im Rausch das Leben und beim Verdauen Menschen und Dinge beurteilt. Jungfräulich im Tun, waren wir nur in Worten vermessen; jetzt aber vom glühenden Eisen der Politik gebrandmarkt, werden wir in dieses große Bagno eintreten und unsere Illusionen verlieren. Wenn man nur mehr an den Teufel glaubt, ist es erlaubt, um das Paradies der Jugend zu trauern, die Zeit der Unschuld, da wir einem guten Priester gläubig die Zunge hinstreckten, um den heiligen Leib unseres Herrn Jesu Christi zu empfangen. Ach, liebe Freunde, wenn uns ehemals unsere ersten Sünden so viel Vergnügen machten, dann weil wir noch Gewissensbisse hatten, die sie verschönten, ihnen einen pikanten Reiz verliehen; jetzt hingegen ...«

      »Oh, jetzt«, warf der erste Redner ein, »bleibt uns ...«

      »Was?« fragte ein anderer.

      »Das Verbrechen ...«

      »Das ist ein Wort, das die Höhe eines Galgens und die Tiefe der Seine hat«, versetzte Raphael.

      »Oh, du verstehst mich nicht ... ich rede von politischen Verbrechen. Seit heute morgen trachte ich nur noch nach einem: nach der Existenz eines Verschwörers. Ob ich morgen noch immer Lust dazu habe, weiß ich nicht; aber heute abend erfüllt das schale Leben unserer Zivilisation, das so einförmig ist wie ein Schienenstrang, mein Herz mit Ekel. Die Schrecken des Rückzugs von Moskau, die Abenteuer des roten Korsaren [* roter Korsar: Anspielung auf den Helden des Romans »Der rote Korsar« (1827) von James Fenimore Cooper (1789-1851)] und das Leben der Schmuggler begeistern mich leidenschaftlich. Da es in Frankreich kein Kartäuserkloster mehr gibt, so wünschte ich, dass es wenigstens ein Botany Bay, [* Botany Bay: große Bucht in der Nähe von Sydney, ursprünglich für die in Port Jackson errichtete Strafkolonie vorgesehener Standort, auf die sich die Anspielung bezieht] eine Art Heilanstalt für die kleinen Lord Byrons gäbe, die, nachdem sie das Leben wie eine Serviette nach Tisch weggeworfen haben, nichts Besseres wissen, als ihr Land in Brand zu stecken, sich eine Kugel in den Kopf zu jagen, für die Republik zu konspirieren oder zum Krieg zu hetzen ...«

      »Emile«, unterbrach Raphaels Nachbar feurig den Redner, »auf Manneswort, ohne die Julirevolution wäre ich Priester geworden, um irgendwo auf dem Land ein stumpfsinniges Leben zu führen und ...«

      »Und du hättest alle Tage das Brevier gelesen?«

      »Ja.«

      »Du bist ein Tor.«

      »Wir lesen doch auch Zeitungen!«

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