Название: Verlorene Illusionen
Автор: Оноре де Бальзак
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783955014933
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Nicht von der Muse zauberisch berührt
Wird jede Hand sein, die den Pinsel führt
Und meine Seiten schmückt;
Doch oft wird meiner schönen Herrin Stift
Mir anvertrauen, was sie schmerzlich trifft
Und was sie still beglückt.
Wenn sie mein gelbgewordenes Papier
Dereinst um die Geschicke fragt, die ihr
Die Zukunft noch verhüllt.
Dann mag die Liebe sehn, dass, treu bewahrt,
Ihr die Erinnerung an diese Fahrt
Noch sanft das Herz erfüllt.
»Habe wirklich ich Ihnen diese Verse eingegeben?« fragte sie.
Dieser Zweifel, den ihr die Koketterie einer Frau eingab, der es Vergnügen machte, mit dem Feuer zu spielen, ließ Lucien Tränen in die Augen treten; sie beruhigte ihn, indem sie zum erstenmal seine Stirn küsste. Lucien war entschieden ein großer Mann, den sie bilden wollte; es kam ihr in den Sinn, ihn Italienisch und Deutsch zu lehren und ihm bessere Manieren beizubringen; es ergaben sich daraus Vorwände, ihn immer bei sich zu haben, ihren langweiligen Hofmachern zum Trotz. Welches Interesse war wieder in ihr Leben gekommen! Sie wandte sich für ihren Dichter wieder der Musik zu, sie weihte ihn in die Welt der Musik ein, sie spielte ihm einige schöne Stücke von Beethoven und entzückte ihn; glücklich über seine Freude, sagte sie, als sie ihn fast außer sich sah, heuchlerisch zu ihm: »Ist es mit diesem Glück nicht genug?« Der arme Dichter beging die Dummheit, »Ja« zu antworten.
Endlich waren die Dinge an dem Punkt angelangt, dass Louise Lucien, eine Woche vor dem Zeitpunkt, an dem wir halten, bei sich zum Essen hatte. Herr von Bargeton war der dritte. Trotz dieser Vorsichtsmaßregel erfuhr die ganze Stadt die Sache und hielt sie für so maßlos unbegreiflich, dass sich jeder fragte, ob sie wahr sein könnte. Es gab einen schrecklichen Aufruhr. Manchem schien die Gesellschaft vor dem Untergang zustehen. Andere riefen aus: »Da sieht man, wohin die liberalen Lehren führen!«
Der eifersüchtige du Châtelet hatte nunmehr ausgekundschaftet, dass Madame Charlotte, die bei den Frauen die Wochenpflege hielt, Frau Chardon war, »die Mutter des Chateaubriand von Houmeau«, wie er sagte. Dieser Ausdruck galt für einen guten Witz. Frau von Chandour war die erste, die zu Frau von Bargeton eilte.
»Wissen Sie, liebe Naïs, wovon ganz Angoulême spricht?« sagte sie zu ihr. »Dieses kleine Dichterlein hat Madame Charlotte zur Mutter, die vor zwei Monaten meine Schwiegertochter im Wochenbett pflegte.«
»Meine Liebe,« sagte Frau von Bargeton mit ihrer königlichsten Miene, »was ist daran Außerordentliches? Ist sie nicht die Witwe eines Apothekers? Ein trauriges Geschick für ein Fräulein von Rubempré! Nehmen wir an, wir ständen ohne einen Pfennig Vermögen da, was täten wir, um zu leben? Wie wollten Sie Ihre Kinder ernähren?«
Die Kaltblütigkeit Frau von Bargetons unterdrückte alles Klagegeschrei des Adels. Die großen Seelen sind immer imstande, aus der Not eine Tugend zu machen. Außerdem besitzt die Beharrlichkeit, mit der man etwas Gutes tut, das einem zur Anschuldigung erhoben wird, einen unbesieglichen Reiz. Die Unschuld hat das Anziehende des Lasters. Am Abend füllte sich der Salon Frau von Bargetons mit ihren Freunden, die kamen, ihr Vorhaltungen zu machen. Sie ließ die ganze Schärfe ihres Witzes spielen; sie sagte, wenn die Herren Edelleute keine Molière, Racine, Rousseau, Voltaire, Massillon, Beaumarchais, Diderot sein könnten, dann müsste man wohl oder übel die Tapezierer, die Uhrmacher, die Messerschmiede empfangen, deren Kinder große Männer würden. Sie sagte, das Genie sei immer von Adel. Sie schalt die Krautjunker, dass sie ihre wahren Interessen so schlecht verstanden. Kurz, sie sagte viele Dummheiten, die für weniger alberne Menschen etwas hätten durchblicken lassen, in diesem Kreise aber für originell galten. Sie beschwor also das Gewitter mit Hilfe von Kanonenschlägen. Als Lucien, den sie bestellt hatte, zum erstenmal in den alten, verblichenen Salon eintrat, wo man an vier Tischen Whist spielte, empfing sie ihn aufs herzlichste und stellte ihn in der Haltung einer Königin vor, die Gehorsam verlangt. Sie nannte den Steuerdirektor »Herr Châtelet« und versteinerte ihn fast, als sie ihm so zu verstehen gab, dass sie wusste, auf wie illegalem Weg das Wörtchen »von« vor seinem Namen entstanden war. Lucien wurde an diesem Abend gewaltsam in die Gesellschaft Frau von Bargetons eingeführt; aber er wurde dort wie ein Giftstoff aufgenommen, den jeder sich vornahm mit Hilfe der Gegengifte der Unverschämtheit wieder auszutreiben. Trotz diesem Triumph verlor Naïs an Einfluss: es gab Abtrünnige, die den Versuch machten, auszuwandern. Auf den Rat des Herrn Châtelet entschloss sich Amélie, das war Frau von Chandour, einen Gegenaltar zu errichten, indem sie an den Mittwochen bei sich empfing. Frau von Bargeton öffnete ihren Salon jeden Abend, und die Menschen, die zu ihr kamen, waren solche Gewohnheitsmenschen, waren so sehr daran gewöhnt, sich in denselben Räumen zu versammeln, dasselbe Tricktrack zu spielen, die Menschen, die Leuchter zu sehen, ihre Mäntel; ihre Überschuhe, ihre Hüte im selben Vorraum zu lassen, dass sie die Treppenstufen ebensosehr liebten wie die Herrin des Hauses. »Alle ließen sich den Stieglitz im heiligen Hain gefallen«, bemerkte Alexandre de Brébian witzig. Schließlich beruhigte der Präsident der Landwirtschaftsgesellschaft den Aufruhr durch eine meisterhafte Bemerkung.
»Vor der Revolution«, sagte er, »empfingen die größten Herren Duclos, Grimm, Crébillon, lauter Leute, die, wie dieser kleine Dichter aus Houmeau, sonst nichts weiter zu bedeuten hatten; aber sie empfingen durchaus keine Steuereinnehmer, und was ist schließlich Châtelet weiter?«
Du Châtelet zahlte für Chardon die Zeche, jeder behandelte ihn kühl. Als er merkte, dass er es auszubaden hatte, ging der Steuerdirektor, der sich seit dem Augenblick, wo sie ihn Châtelet genannt, geschworen hatte, er wolle Frau von Bargeton besitzen, auf ihre Absichten ein; er kam dem jungen Dichter zu Hilfe und nannte sich seinen Freund. Dieser große Diplomat, dessen sich der Kaiser zu seinem Unglück beraubt hatte, schmeichelte Lucien und hieß sich seinen Freund. Um den Dichter zu lancieren, gab er ein Diner, an dem der Präfekt, der Generaldirektor der Steuern, der Oberst des Regiments, das in Angoulême in Garnison lag, der Direktor der Marineschule, der Gerichtspräsident, kurz, alle Spitzen der Behörden teilnahmen. Der arme Dichter wurde so großartig gefeiert, dass jeder andere als ein junger Mensch von zweiundzwanzig Jahren gegen die Lobsprüche, mit denen man ihn täuschte, misstrauisch geworden wäre. Beim Nachtisch veranlasste Châtelet seinen Nebenbuhler, seine Ode »Der sterbende Sardanapal« vorzutragen, die zurzeit seine beste Dichtung war. Als er fertig war, klatschte der Lyzeumsdirektor, ein phlegmatischer Mensch, in die Hände und sagte, Jean Baptiste Rousseau habe nichts Besseres gemacht. Der Baron Sixtus Châtelet dachte, der kleine Reimschmied werde früher oder später in der Treibhausluft dieser Lobpreisungen zugrunde gehen, oder er werde sich im Rausche seines verfrühten Ruhmes Frechheiten erlauben, die ihn wieder in das Dunkel schleuderten, aus dem er gekommen war. Bis zum Dahinscheiden dieses Genies schien er seine Ansprüche zu den Füßen der Frau von Bargeton zu opfern; aber er hatte mit der Geschicklichkeit eines Roués seinen Plan festgelegt, verfolgte mit der Aufmerksamkeit eines Strategen die weitere Entwicklung des Verhältnisses der beiden Liebenden und lauerte auf die Gelegenheit, Lucien den Garaus zu machen. Es erhob sich nun in Angoulême und der Nachbarschaft ein dunkles Gerücht, das von dem Vorhandensein eines großen Mannes im Angoumois wissen wollte. Frau von Bargeton wurde für die sorgsame Pflege, die sie dem heranwachsenden Genie widmete, allgemein gelobt. Nachdem sie so einmal Zustimmung gefunden, wollte sie die allgemeine Billigung ernten. Sie erließ im ganzen Departement Einladungen zu einer Abendunterhaltung mit Gefrornem, Kuchen und Tee. Das war eine große СКАЧАТЬ