Название: DSA 128: Der Pfad des Wolfes
Автор: Alex Spohr
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Das Schwarze Auge
isbn: 9783868896497
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Sie waren auf dem Pfad nicht allein. Während Daragh sich nichts anmerken ließ und dem Weg zielsicher folgte, ohne sich ablenken zu lassen, blickte sich der nervöse Druan ab und an um. So erblickte er zwei kleine Finken, die trotz der einbrechenden Dunkelheit ein fröhliches Lied angestimmt hatten, und einen Molch, der in einen Brackwassertümpel verschwand, als er die beiden Menschen bemerkte.
Stumm betete Druan weiter zu Natûru-Gon, dem großen Mammut, und zu Yurrga, auf dass sie ihn bei der bevorstehenden Aufgabe begleiteten und beschützten. Druans Glaube war wie immer von großer Zuversicht geprägt und so beruhigte ihn das Gebet. Er glaubte fest daran, dass die Götter auf seiner Seite stehen würden. Selbst der überraschende Ruf einer Eule erschreckte ihn nicht mehr sonderlich, sodass er nur kurz von seinem Gebet abließ und sich schnell wieder mehr auf seine Umgebung konzentrierte.
Daragh blieb unvermittelt stehen, und Druans Muskeln spannten sich intuitiv an, als ob eine Bedrohung genau vor ihnen läge. Es wäre nicht das erste Mal, dass ihn ein Wildtier als lohnende Beute betrachtet hätte. Doch der Alte schien nicht deswegen angehalten zu haben. Offenbar hatte Druan sich geirrt. Vor den beiden Männern lag eine Lichtung im Moor. Alte, verkrüppelte Eichen umsäumten einen moosbewachsenen Boden, mehrere kleinere Felsen lagen verstreut umher. Sie stammten von den Vorfahren der Gjalsker, den Gajka, die überall im Land seltsame Bauwerke zurückgelassen hatten. Man erzählte sich, dass sie mächtige Zauberer gewesen seien und selbst ihre Hinterlassenschaften noch Magie in sich bargen.
»Wir sind da«, war die schlichte Bemerkung Daraghs, bevor er damit begann, den Inhalt seines Lederbeutels auf einem der Steine zu entleeren.
Der junge Durro-Dûn hatte noch nie verstanden, was es mit den Zauberutensilien Daraghs auf sich hatte. Die seltsamen Steine und Knochensplitter, die Kräuter und getrockneten Pflanzen, die der Alte mit sich führte, schienen je nach Situation eine andere Wirkung und Bedeutung zu haben. Mal konnte er damit Wunden heilen, mal böse Geister oder den Bhalur, den Nebel, vertreiben. Auch wenn er ihn schon viele Jahre sehr gut kannte, hatte er dennoch nicht viel von dem Wissen des alten Schamanen um die Kraft Makkas und der Geister erfahren.
Der Brenoch-Dûn schaute sich die hingeworfenen Gegenstände an, wischte sie mit der Hand mehrmals durcheinander, als ob sie ihm die Sicht versperrten.
»Es ist so weit. Lege die Haut des Wolfes an«, befahl der Schamane. Druan gehorchte und holte das einzige weitere Kleidungsstück hervor, das er dabeihatte. Vor einigen Tagen war er auf die Jagd gegangen und hatte einen einsamen Wolf erlegt. Er wusste, dass er dies tun musste, damit der Große Madadh ihn in sein Reich lassen würde. Ohne selbst ein Wolf zu werden, konnte er den Pfad des Wolfes nicht betreten. Dennoch hatte er großes Bedauern empfunden, als er das Tier erlegte. Niemals vorher hatte er das Blut von Wölfen vergossen. Und doch war es unvermeidlich.
Der Brenoch-Dûn hatte am Fuß eines Felsens Platz genommen und stellte seine kleine Trommel vor sich hin. Dann stand er wieder auf und ging zu Druan.
»Die Zeit ist gekommen. Sobald Makkas Auge den höchsten Punkt des Himmels erreicht hat, musst du dich der Krallessa stellen. Du wirst dort entlanggehen müssen. Fürchte dich vor nichts, denn die Furcht wird dein Tod sein. Und nun trink!«
Er hatte einen Wasserschlauch hervorgeholt. Druan hatte bereits von anderen Durro-Dûn gehört, dass dies das Getränk der Durro-Dûn war. Es machte einem Krieger Mut und zugleich beruhigte es ihn. Der Schamane reichte ihm den Schlauch und wiederholte noch einmal seine Worte: »Trink nun. Trink.«
Druan nahm einen tiefen Schluck von dem würzigen und scharfen Getränk, das nach einer Art Beeren- oder Kräutersaft schmeckte. Nachdem er den Schlauch ausgetrunken hatte, gab er ihn Daragh zurück, der sich wieder vor seine Trommel setzte. Mit beiden Händen schlug er abwechselnd auf die Trommel und stimmte dabei einen monotonen Gesang an, ein Gebet zu den Göttern und Ahnengeistern in der alten Sprache der Gajka.
Druan stand noch immer an der gleichen Stelle, doch in seinem Magen breitete sich ein unangenehmes Gefühl aus, als ob ihm schlecht werden würde.
Das Auge Makkas hatte den Zenit erreicht, und als er nun Daragh ansah, gab dieser ihm mit einem Nicken zu verstehen, dass es Zeit war, zu gehen. Also machte er sich auf, den Pfad des Wolfes zu betreten, den einzigen anderen Weg, der zu dieser Lichtung führte, mitten durch das Moor. Die Schläge auf der Trommel hallten in seinen Ohren. Seine Haut war schweißnass, ein Zittern ging durch seinen Körper. Selbst seine Augenlider zuckten unablässig, begannen zu flattern. Fast schien es, als würde er einfach in sich zusammenfallen, doch er zwang sich, Schritt für Schritt weiterzugehen. Mühsam schaffte er es, vorwärtszukommen, doch es fiel ihm schwer.
Vorwärts! Ich schaffe das. Ich bin Druan bren Anargh vom Stamme Mortakh. Das Zittern wird mich nicht aufhalten, die Schwäche auch nicht. Der Geist des Wolfes ist stark, und Yurrga und Natûru-Gon beschützen mich! Weiter. Weiter!
Die Schläge von Daraghs Trommel wurden immer lauter und fraßen sich in Druans Schädel. Er konnte den rhythmischen Klang des Instrumentes kaum noch ertragen. So hielt er sich beide Ohren zu und begann lauthals zu schreien. Schmerzen und Krämpfe begannen ihn heimzusuchen, er bekam kaum noch Luft. Zwei weitere Schritte schaffte er, bis er auf die Knie sank. Er krümmte sich vor Schmerz und Übelkeit, seine Nägel bohrten sich in die Haut seiner Schläfen, bis Blut hervorquoll. Doch selbst seine Götter schienen ihn verlassen zu haben, denn die Tortur hörte nicht auf, sie wurde noch schlimmer. Er versuchte, aufzustehen, fiel jedoch auf den sumpfigen Boden und bemerkte nicht, dass das Schwert aus seinem Gürtel rutschte. Wie ein Schwein wälzte er sich im Schlamm, zwang sich mit schierer Willenskraft, aufzustehen.
Lasst es aufhören, o Götter, bitte. Ich halte es nicht mehr aus!
Der Klang der Trommel war so laut geworden, dass selbst seine Schreie die Geräusche nicht mehr verdrängen konnten. Er gab auf, und sein Bewusstsein schien ihn zu verlassen. Wieder fiel er auf den Boden, fast wie ein gefällter Baum. Als er sich nicht mehr rührte, wurden die Klänge der Trommel wieder leiser und langsamer. Schließlich war alles ruhig, und nur noch das Summen einiger Grillen war zu hören.
Und dann der Ruf eines Wolfes.
Als Druan die Augen aufschlug, sah er um sich herum aufgezogene Nebelschwaden. Trotz der leichten Schmerzen in seinem Schädel versuchte er schnell aufzustehen und hob sein Schwert auf, das ganz in der Nähe lag.
Der Bhalur sorgte dafür, dass Druans Angst wuchs. Jeder Gjalskerländer fürchtete den Nebel. In ihm lauerten die Geister des Bösen, der Verräter und der Feiglinge.
»Daragh, warum hast du aufgehört?«, rief er in die Schwaden hinein. Doch der Brenoch-Dûn gab keine Antwort.
Druan kehrte die etwa fünfzig Schritt bis zur Lichtung langsam und bedächtig zurück. Unsicher sah er in den Nebel, immer auf den Angriff eines Geistes gefasst. Doch dort, wo noch vor ein paar Augenblicken Daragh gesessen hatte, war er nicht mehr zu finden. Der kleine Felsen lag unberührt vor Druan, keine Spur von dem Alten. Beunruhigt sah er sich genauer um. Keine Fußspuren, weder von Daragh noch von ihm selbst!
Wie kann das sein? Niemand kann einen Weg gehen, ohne Spuren zu hinterlassen!
Etwas stimmte nicht, doch er konnte nicht sagen, was es war. Als er nachdachte, was er tun sollte, hörte er wieder den Ruf eines Wolfes, doch diesmal viel näher als zuvor.
Plötzlich bewegte sich etwas zwischen den Schwaden des Bhalur. Druan sprang zur Seite und hob sein Schwert.
Ein dunkler Schatten war mitten zwischen den Bäumen aufgetaucht. Zwei Augenpaare, rotglühende Schlitze, СКАЧАТЬ