Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри
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СКАЧАТЬ er doch noch bei mir bleiben?«

      »Gewiß,« erwiderte Mr. Havisham, »es ist keineswegs nötig, daß er heute nacht geht. Ich werde mich nach Tische aufs Schloß begeben und Seine Herrlichkeit von unsrer Ankunft in Kenntnis setzen.«

      Mrs. Errol warf einen Blick auf Cedrik, der mit unbewußter Anmut auf dem bunten Fell hingestreckt lag, während das Feuer im Kamin wechselnde Lichter auf sein golden schimmerndes Haar warf.

      »Der Graf weiß nicht, was er mir nimmt,« sagte sie mit schmerzlichem Lächeln und setzte dann, zu dem Advokaten aufblickend, hinzu: »Wollen Sie die Güte haben, ihm zu sagen, daß ich sein Geld nicht will?«

      »Sein Geld? Sie sprechen doch nicht von dem Jahreseinkommen, das er für Sie ausgesetzt hat?«

      »Doch,« antwortete sie einfach, aber bestimmt. »Ich möchte dasselbe lieber nicht haben. Die Wohnung hier muß ich annehmen und bin dankbar dafür, denn ich könnte ja sonst nicht in der Nähe meines Kindes bleiben; aber ich habe ein kleines Vermögen, das hinreicht, um bescheiden davon leben zu können, und mehr brauche ich nicht. Bei der Natur unsrer Beziehungen könnte ich keine Wohlthaten von ihm annehmen, ohne das Gefühl zu haben, ihm Cedrik zu verkaufen, und ich lasse ihn doch nur von mir, weil ich nicht an mich denke, sondern an sein Bestes, und weil sein Vater es wünschen würde.«

      »Seltsam, sehr seltsam,« sagte Mr. Havisham, sein Kinn reibend. »Der Graf wird sich ärgern, wird es ganz und gar nicht verstehen.«

      »Ich glaube doch, wenn er sich's überlegt. Nötig habe ich das Geld nicht, und Luxus annehmen von seiten eines Mannes, der mich so sehr haßt, daß er mir meinen Sohn nimmt, könnte ich nicht.«

      Kurz darauf wurde die Mahlzeit aufgetragen, an der alle drei teilnahmen und bei der sich auch die Katze einfand, die unter vergnüglichem Schnurren den Stuhl neben Ceddie für sich in Anspruch nahm.

      Im Verlaufe des Abends begab sich Mr. Havisham noch nach dem Schlosse, wo er sofort von dem Hausherrn empfangen wurde. Er fand ihn in einem bequemen Fauteuil am Kamin, das gichtkranke Bein auf einer Fußbank. Ein scharfer, fragender Blick flog unter den buschigen Augenbrauen hervor, und Mr. Havisham erkannte wohl, daß er trotz aller zur Schau getragenen Gleichgültigkeit in großer Unruhe und gespannter Erwartung war.

      »Da sind Sie ja, Havisham! Gut angekommen? Was gibt's Neues?«

      »Lord Fauntleroy und seine Mutter sind in Court Lodge angelangt. Beiden ist die Reise gut bekommen und ihr Befinden ist vortrefflich.«

      »Freut mich, zu hören,« sagte der Graf mit einer etwas ungeduldigen Handbewegung. »Machen Sie sich's bequem und nehmen Sie ein Glas Wein. Was sonst?«

      »Der junge Lord bleibt heute nacht bei seiner Mutter. Morgen werde ich ihn ins Schloß bringen.«

      Der Arm des Grafen hatte auf der Stuhllehne geruht, nun hielt er sich plötzlich die Hand vor die Augen.

      »Nun so reden Sie doch weiter. Briefliche Mitteilungen hatte ich mir ja verbeten, und so weiß ich noch von gar nichts. Was für eine Sorte ist der Bursche? Von der Mutter will ich nichts hören, nur von dem Jungen.«

      Mr. Havisham kostete den alten Portwein, den er sich eingegossen hatte, und hielt das Glas in der Hand.

      »Es ist schwierig, über den Charakter eines Kindes von sieben Jahren ein Urteil abzugeben,« begann er vorsichtig.

      »Er ist also ein Schafskopf?« rief der alte Herr rasch aufblickend. »Oder ein schwerfälliger Tölpel? Das amerikanische Blut schlägt vor, hm?«

      »Ich glaube kaum, daß ihm dasselbe zum Nachteil gereichte, Mylord,« erwiderte der Advokat in seiner trockenen, kühlen Weise. »Ich verstehe mich nicht besonders auf Kinder, aber ich halte ihn für einen hübschen Jungen.«

      Vorsichtig und zurückhaltend in seinen Aeußerungen zu sein, war Havishams Art, und er kehrte sie heute mehr als je hervor, denn er wollte, daß der Graf selbst urteilen und seinen Enkel kennen lernen sollte, ohne irgendwie beeinflußt zu sein.

      »Gesund? Gut gewachsen?«

      »Offenbar ganz gesund und gut gewachsen.«

      »Gerade Glieder – menschliche Physiognomie?«

      Ein leises Lächeln flog um Mr. Havishams dünne Lippen, als er an den rosigen Blondkopf dachte, wie er ihn zuletzt auf dem Tigerfell hatte liegen sehen.

      »Ein ziemlich hübsches Kind, soweit man das von einem Jungen sagen kann, und soweit ich mich drauf verstehe. Aber Sie werden ihn einigermaßen verschieden von den englischen Kindern finden.«

      »Zweifle nicht daran,« brummte der Graf mit einem Zucken in dem kranken Beine. »Freches, vorlautes Volk, diese amerikanischen Kinder! Habe oft genug davon gehört.«

      Mr. Havisham trank seinen Portwein und eine kleine Pause folgte.

      »Ich habe einen Auftrag von Mrs. Errol zu bestellen,« bemerkte er ruhig.

      »Verschonen Sie mich damit! Je weniger ich von der Person höre, desto besser!«

      »Die Sache muß doch erörtert werden. Sie zieht es vor, die ihr von Ihnen ausgesetzte Jahresrente nicht anzunehmen.«

      »Was soll das heißen?« rief der Graf auffahrend. »Was soll das heißen?«

      Mr. Havisham wiederholte seine Mitteilung und setzte hinzu: »Sie sagt, sie bedürfe der Summe nicht, und da die Beziehungen zwischen ihr und Ihnen nicht freundlicher Art seien –«

      »Nicht freundlicher Art! Das will ich meinen! Der bloße Gedanke an sie ist mir zuwider. Eine geldgierige Amerikanerin mit schriller Stimme! Ich will sie nicht sehen!«

      »Mylord, geldgierig können Sie die Dame doch kaum nennen. Sie hat nicht nur nichts verlangt, sondern das ihr Angebotene abgelehnt.«

      »Bloßer Kunstgriff,« grollte der edle Lord. »Damit will sie mich dran kriegen, daß ich sie sehen soll und womöglich ihren Geist bewundern, wovor ich mich wohl hüten werde. Amerikanischer Trotz! Ich will nicht, daß sie als Bettlerin vor meinem Thore wohnt. Sie ist die Mutter des Jungen und hat als solche eine Stellung zu wahren und soll sie wahren. Sie wird das Geld bekommen, ob sie will oder nicht! Damit will sie nur ihrem Jungen eine schlechte Meinung von mir beibringen! Wird ihn ohnehin schon genügend gegen mich eingenommen haben.«

      »Nein,« sagte Mr. Havisham. »Ich habe Ihnen in dieser Hinsicht noch etwas von Mrs. Errol zu bestellen.«

      »Was ich nicht hören will!« stieß Seine Herrlichkeit, keuchend vor Aerger und Gichtschmerzen, hervor.

      Mr. Havisham aber fuhr ungerührt fort: »Sie läßt Sie bitten, in Lord Fauntleroys Gegenwart nichts zu äußern, was ihm klar machen könnte, daß Sie ihr nicht wohlwollen. Der Knabe hängt sehr an ihr, und sie ist überzeugt, daß ihn dies Ihnen entfremden würde. Sie hat ihm einfach gesagt, daß er noch zu jung sei, um die Gründe der Trennung von ihr zu verstehen, und zwar, weil sie wünscht, daß auch kein Hauch des Mißtrauens gegen Sie in des Knaben Herz aufkomme.«

      Der Graf war in seinen Stuhl zurückgesunken; seine tiefliegenden, feurigen Augen funkelten hinter den starken Augenbrauen.

      »Seien Sie vernünftig, Havisham,« sprach er mühsam, »Sie werden mir nicht weismachen wollen, daß die Mutter ihm nichts gesagt hat.«

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