Название: Die wichtigsten Werke von Adalbert Stifter
Автор: Adalbert Stifter
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027237647
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»Ich bitte dich noch um etwas«, sprach Witiko.
»Sage es«, entgegnete Bertha.
»Gehe mit mir heute an diesem Tage, wenn es deinem Vater und deiner Mutter genehm ist«, sprach Witiko, »zu der Stelle, auf welcher ich dich zum ersten Male gesehen habe, da du mit Rosen bekränzt da standest, und gehe mit mir zu den Steinen, auf welchen wir an jenem Tage gesessen waren.«
»Ich werde sehr gerne mit dir gehen, Witiko«, sagte Bertha, »und wir werden den Vater und die Mutter darum bitten.«
»So gehen wir nun«, sprach Witiko.
Und sie gingen über den Gang zurück in das Gemach Wiulfhilts. In demselben war noch Heinrich bei seiner Gattin. Witiko und Bertha traten vor die Eltern. Wiulfhilt stand auf, und küßte Bertha auf die Stirne. Heinrich nahm Witikos Hand in die seine, und legte sie dann in die Hand Wiulfhilts.
»Lasse die Kinder an unserer Seite sitzen, Wiulfhilt«, sagte er.
»Setzet euch zu uns«, sprach Wiulfhilt.
Heinrich und Wiulfhilt setzten sich auf ihre Stühle, und Witiko und Bertha setzten sich auf Stühle daneben.
»So sind Eure Wünsche gesichert«, sprach Heinrich, »und die Vollendung wird folgen. Und da Ihr nun, Witiko, wie Eure Worte gelautet haben, der höheren Ehren bei uns teilhaftig geworden seid, so werdet Ihr auch die minderen nicht verschmähen, und eine Weile unser Gast sein.«
»Ich werde es mit Freude sein«, antwortete Witiko, »und werde auch diese Ehre ehren.«
»Und uns wird es eine Freude sein, Euch länger zu sehen als sonst«, sagte Wiulfhilt.
»Wir können dann auch über viele Dinge sprechen, die sich ereignet haben, und Ihr könnt mir manches erzählen, Witiko«, sprach Heinrich. »Auch könnt Ihr Bertha besser kennen lernen, und Bertha Euch.«
»Ich kenne Witiko schon, mein Vater«, sagte Bertha.
»Und ich kenne Bertha«, sagte Witiko.
»Und wenn ihr eines das andere kennet«, sprach Heinrich, »so wird die Gegenwart euch doch erheben.«
»Ja«, sagte Bertha.
»Ja«, sagte Witiko.
»Und unser Haus und unser Wald und unsere andern Liegenschaften können Euch zu mancher Betrachtung dienen«, sagte Heinrich.
»Und ich kann für die Zeit, die mir zunächst liegt, etwas lernen«, sprach Witiko.
»Ihr könnt für Eure Handlungen, die Ihr jetzt tut, bald die Einsichten gewinnen«, sagte Heinrich.
»Und Ihr werdet mir mit Eurem Rate gewiß beistehen«, sprach Witiko.
»Wenn Ihr ihn bedürft, und wenn er etwas nützt, werde ich ihn gerne geben«, antwortete Heinrich.
»Ich werde ihn bedürfen, und er wird nützen«, sagte Witiko.
»Jetzt aber«, sprach Heinrich, »ist es die erste Pflicht des Wirtes, den Gast zu pflegen. Ihr seid von dem Pferde gestiegen, und seid gleich in mein Gemach geführt worden. Es ist billig, daß ich Euch in Eure Wohnung geleite, daß Ihr Euch stärkt, vorerst einrichtet, und dann sagt, was Ihr weiter bedürfet.«
»Es ist eine Bitte ganz anderer Art, welche ich stellen möchte«, sprach Witiko.
»So redet«, sagte Heinrich.
»Gebet Eure Genehmhaltung«, sprach Witiko, »daß Bertha und ich an diesem heutigen Tage die Stelle besuchen, an welcher ich Bertha zum ersten Male gesehen habe. Bertha bittet das gleiche.«
»Ich bitte das gleiche, Vater«, sagte Bertha.
»So besuchet die Stelle«, antwortete Heinrich, »wenn die Mutter meiner Meinung ist.«
»Lasse die Kinder gehen«, sagte Wiulfhilt.
»Ich danke«, sprach Witiko, »wir werden wieder in das Gemach zurückkommen.«
»Ich danke, Vater und Mutter«, sagte Bertha.
Nach diesen Worten standen Witiko und Bertha auf, verabschiedeten sich von den Eltern, und verließen das Gemach. Sie gingen durch die Tür des Hauses auf den Sandplatz hinaus, und von dem Sandplatze auf dem Wiesenpfade gegen Mittag dahin, wie sie vor sechs Jahren auf demselben Pfade gegen Mitternacht dem Hause zugegangen waren. Sie sprachen beide kein Wort. Als sie zu der Betstelle des roten Häuschens gekommen waren, knieten beide neben einander nieder, und beteten. Dann gingen sie stumm weiter. Sie kamen an den Saum der Schlucht, in welcher das Wasser rauschte, wie es vor sechs Jahren gerauscht hatte. Sie gingen am Rande der Schlucht in der Richtung des rinnenden Wassers dahin. Der Wald nahm sie auf. Sie verließen dann das Wasser, und gingen links zwischen den Stämmen weiter.
Da sagte Witiko: »Bertha, Bertha, vor sechs Jahren sind wir auf diesem Wege herauf zu deinem Vater und zu deiner Mutter gegangen, zu denen du mich, den Fremdling, geführt hast. Wer von uns beiden hätte damals gedacht, daß wir einmal diesen Weg gehen werden, wie wir ihn heute gehen?«
»Das habe ich nicht gedacht«, sagte Bertha, »aber das war mir, daß wir oft mit einander gehen werden.«
»Und mir war«, entgegnete Witiko, »daß ich oft mit dir gehen möchte. Hast du mich also gerne in das Haus deiner Eltern geführt?«
»Ich wäre sonst nicht an der Waldstelle mit den Rosen auf meinem Haupte stehen geblieben, als du dich nähertest«, sagte Bertha, »sondern wäre in den Wald geflohen wie Trude geflohen ist.«
»Also bist du meinetwillen an der Stelle stehen geblieben?« fragte Witiko.
»Ich wollte dich sehen«, sagte Bertha, »und als ich dich gesehen hatte, warst du mir lieb.«
»Und als ich dicht gesehen hatte, warst du mir auch lieb«, sprach Witiko. »Wir waren zwei Kinder.«
»Ja, aber ich habe schöne Ritter und Knaben vor dir gesehen, und keiner war mir lieb«, antwortete Bertha.
»Und ich habe schöne Jungfrauen und Mädchen vor dir gesehen, und keine war mir lieb«, sagte Witiko.
»Siehst du?« sprach Bertha.
»Und weil ich dir lieb war, hast du mit mir geredet?« fragte Witiko.
»Weil du mir lieb warst, habe ich mit dir geredet«, antwortete Bertha.
»Und weil ich dir lieb war, bist du mit mir zu den Sitzsteinen an den Ahornen gegangen?« fragte Witiko.
»Weil du mir lieb warst, bin ich mit dir zu den Sitzsteinen an den Ahornen gegangen«, antwortete Bertha.
»Und bist neben mir auf den Steinen gesessen«, sagte Witiko.
»Und bin neben dir auf den Steinen gesessen«, sprach Bertha.
»Und mir bist du so lieb gewesen«, sagte Witiko, »daß ich immer bei dir hätte sitzen, und immer mit dir hätte reden mögen. Du bist heute wie damals gekleidet, Bertha.«
»Es СКАЧАТЬ