Название: Gesammelte Krimis (69 Titel in einem Buch: Kriminalromane und Detektivgeschichten)
Автор: Edgar Wallace
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788026822240
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Ich wußte nicht, in welcher Richtung wir fuhren, aber plötzlich waren wir auf freiem Felde. Sie ließen das eine Fenster herunter, ohne den Vorhang zu lüften. Aber der frische Duft der Felder strömte herein, und ich wußte, daß wir schon weit von London entfernt sein mußten.
Dann muß ich eingenickt sein, denn als ich aufwachte, dämmerte der Tag schon. Ich verhielt mich ganz ruhig und überdachte meine Lage.
Die beiden Männer waren auch eingeschlafen. Ich sah mich vorsichtig um, der Wagen fuhr jetzt ziemlich langsam. Offenbar hatten sie dem Chauffeur Weisung gegeben, während der Nacht die Geschwindigkeit zu vermindern. Ich sah die inneren Handgriffe der Tür und überlegte mir, nach welcher Seite ich fliehen könnte. Ich entschied mich für die Tür an meiner rechten Seite, die mir zunächst lag, nahm all meine Energie und Kraft zusammen, stand plötzlich auf, öffnete die Tür und sprang hinaus. Ich habe genug Erfahrung durch den Verkehr auf Londoner Autobussen und kann auf den Boden springen, ohne gleich auf die Nase zu fallen.
Ich befand mich auf einer Heide, die keine Deckung bot. Aber in etwa achthundert Meter Entfernung sah ich ein kleines Gehölz und eilte darauf zu. Glücklicherweise mußte ich eine Mulde passieren. So kam es, daß ich schon außer Sicht war, bevor die beiden Männer den Chauffeur, der wahrscheinlich gar nichts bemerkt hatte, von meiner Flucht verständigen konnten. Erst als ich auf der anderen Seite der Mulde wieder herauskam, sahen sie mich, und einer von ihnen muß auch nach mir geschossen haben, denn ich hörte eine Kugel an meinen Ohren vorbeischwirren. Das ist alles. Es war noch ein glücklicher Ausgang für ein Abenteuer, das zuerst recht gefährlich aussah.«
Jeremiah Bangley lud Frank ein, mit ihm zum Pfarrhaus zurückzufahren. Der junge Journalist verabschiedete sich von Mr. Smith, der die Nachforschungen nach Lady Constance weiter fortsetzte. Aber auch eine nochmalige eingehende Untersuchung der Räume blieb erfolglos.
»Als einzige Erklärung bleibt nur übrig«, sagte Mr. Smith etwas deprimiert, »daß Lady Constance das Haus verlassen hat, während der Kutscher in seine Zeitung vertieft war. Vielleicht erwartet sie uns im Pfarrhaus und hat nur einen Spaziergang gemacht.«
Aber er wußte genau, daß es nicht so war. Die verschlossenen Tore, vor allem die Spuren des Kampfes, der in dem Arbeitszimmer stattgefunden haben mußte, und der blutige Handabdruck wiesen darauf hin, daß es sich hier um ein Verbrechen handelte.
»Auf jeden Fall befindet sich Lady Constance hier in dieser Gegend in einem Umkreis von nicht mehr als sechs bis acht Kilometern«, sagte er grimmig, »und ich werde sie finden, selbst wenn ich das geheimnisvolle Haus Stein für Stein abbrechen müßte.«
16
Doris Grays Hochzeitsmorgen dämmerte herauf. Die Sonne ging strahlend auf, es war ein herrlicher Tag. Doris saß am Fenster und schaute auf die Gärten am Brakely Square hinunter. Sie hatte die Hände um die Knie geschlungen. Ihre Stimmung war nicht die beste, sie war bedrückt und aufgeregt. Glücklicherweise waren so viele andere Dinge mit der Hochzeit verknüpft, daß sie nicht viel Zeit hatte nachzudenken. Von Frank hatte sie am letzten Abend ein Telegramm erhalten, das zu ihrem Erstaunen in Great Bradley aufgegeben war. Aus einem unbestimmten Gefühl heraus war sie ärgerlich darüber, daß er London verlassen hatte. Es kränkte sie, daß er selbst am Vorabend seiner Hochzeit noch in seine Arbeit vertieft war. Sie vermutete, daß ihn seine Nachforschungen nach dem Tollington-Erben wieder nach Great Bradley geführt hatten. Wenigstens den letzten Tag vor der Hochzeit hätte er doch in ihrer Nähe zubringen müssen, damit sie ihn erreichen konnte, wenn sie ihn brauchte oder um Rat fragen wollte. Plötzlich tauchte der unangenehme Gedanke in ihr auf, daß er sich in seiner Stellung als ihr zukünftiger Gatte schon zu sicher fühlte. Poltavo dagegen war ihr sehr behilflich gewesen. Sie hatte mit ihm am Nachmittag des vorigen Tages Tee getrunken. Dezent und zurückhaltend hatte er es vermieden, ihre Hochzeit überhaupt zu erwähnen, ebensowenig hatte er von sich selbst gesprochen. Aber alles, was er nicht mit Worten ausdrückte, sagten seine Blicke. Sie fühlte Mitleid mit ihm, denn sie zweifelte nicht an der Echtheit seiner Gefühle. Poltavo schnitt an diesem Tage sehr gut ab.
Ein Dienstmädchen weckte Doris aus ihren Träumereien und brachte sie zur nüchternen Wirklichkeit zurück.
»Mr. Debenham ist gekommen, gnädiges Fräulein. Ich habe ihn in das Wohnzimmer geführt.«
»Ach, das ist der Rechtsanwalt – ich werde sofort hinunterkommen.«
Mr. Debenham ging nachdenklich in dem Raum auf und ab, als sie eintrat.
»Ich vermute, daß Ihnen bekannt ist, daß ich Ihrer Trauung beiwohnen muß«, sagte er, als er ihr die Hand gab. »Ich muß Ihnen die Schlüssel zu dem Safe Ihres Bankdepots übergeben. Hier ist eine Aufstellung über den genauen Geldbetrag, der sich dort befinden muß.«
Bei diesen Worten legte er eine Abrechnung auf den Tisch.
»Sie können in einer freien Stunde ja einmal hineinsehen, aber rund gerechnet beträgt das Vermögen, das Ihnen Ihr verstorbener Vater hinterließ, achthunderttausend Pfund. Es ist in erstklassigen Wertpapieren angelegt, wahrscheinlich werden Sie auch noch finden, daß eine große Summe von Dividenden auf Ihre Papiere fällig ist. Der verstorbene Mr. Farrington hat diese etwas ungewöhnliche Art der Aufbewahrung gewählt, um Ihr Geld sicherzustellen, obgleich ich ihm einen entgegengesetzten Rat gab. Ich möchte Ihnen noch mitteilen, daß er mich vor ungefähr sechs Jahren darüber um Rat fragte. Ich war damals gegen die Festlegung des Geldes, aber die Ereignisse haben mir unrecht gegeben, denn gleich darauf muß er große Verluste an der Börse gehabt haben, wie seine Bücher ausweisen. Ich möchte bemerken, daß ein Mann mit einer weniger starken Energie als Mr. Farrington unter den damaligen Verhältnissen leicht in Versuchung hätte kommen können.
Ich habe mich jetzt nur noch meiner Verantwortung zu entledigen. Ich bin hierhergekommen, um Sie vorher noch einmal zu sehen und zu fragen, ob Ihr Onkel Ihnen etwas von der großen Tollington-Erbschaft gesagt hat. Er war einer der Treuhänder, obwohl er nicht direkt etwas mit der Verwaltung zu tun hatte.«
Sie sah erstaunt auf.
»Es ist merkwürdig, daß Sie diese Frage an mich stellen. Mr. Doughton bemüht sich, den Erben dieses Vermögens zu finden.«
»Das ist mir bekannt. Ich frage nur deshalb, weil ich eine Nachricht von den anderen Treuhändern in Amerika erhalten habe. Es tut mir leid, daß die Nachforschungen Ihres Gatten erfolglos sein werden, wenn er den Erben nicht innerhalb der nächsten achtundvierzig Stunden entdeckt.«
»Warum denn?« fragte sie verwundert.
»Die Bestimmungen des Testaments sind sehr eigenartig«, erklärte Mr. Debenham. »Das Tollington-Vermögen, wie Sie vielleicht wissen –«
»Ich weiß wirklich nichts davon«, unterbrach sie ihn.
»Dann will ich es Ihnen erzählen«, sagte er lächelnd. »Das Vermögen soll zu gleichen Teilen an den Erben und dessen Gattin fallen.«
»Wenn er nun aber nicht mit einer Frau gesegnet ist?« fragte sie belustigt.
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