Название: Gesammelte Krimis (69 Titel in einem Buch: Kriminalromane und Detektivgeschichten)
Автор: Edgar Wallace
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788026822240
isbn:
Ihre Stimme zitterte, aber dann faßte sie sich wieder.
»All diese Jahre hindurch habe ich ihn nicht vergessen, sein Bild stand immer vor mir. Liebe stirbt nur schwer, Mr. Smith, und verletzte und beleidigte Liebe hat in mir alle Leidenschaften geweckt, deren die weibliche Natur überhaupt fähig ist. Jetzt habe ich zum erstenmal erfahren, warum George Doughton fortging und den Tod fand. – Er hatte mir früher immer erzählt, daß man auf der Jagd nach wilden Tieren immer zuerst das Weibchen töten muß, denn wenn es am Leben bleibt, rächt es den Tod des Gefährten. – Es wird noch eine schreckliche Zeit für jemand kommen«, sagte sie dann bedeutsam. – »Für wen?«
»Sie wissen schon zuviel, Mr. Smith. Den Rest müssen Sie mit Ihren unübertrefflichen Methoden selbst herausbringen. Hindern Sie mich nicht daran, meine Rachepläne auszuführen. Das klingt zwar theatralisch, aber es ist mein bitterer Ernst, wie Sie noch sehen werden. Man hat mir George Doughton genommen, man hat ihn ermordet! Und der Mann, der dies tat, war Montague Fallock!«
Sie gab keine weiteren Erklärungen, und Mr. Smith war zu vorsichtig, um im Augenblick weiter in sie zu dringen. Er begleitete sie nach draußen, wo ihr Sportwagen auf sie wartete.
»Ich hoffe, Sie recht bald wiederzusehen, Lady Constance.«
»Ohne Haftbefehl?« fragte sie lächelnd.
»Ich glaube, ja«, entgegnete er ruhig. »Der Haftbefehl könnte höchstens für Ihren Freund Fallock bestimmt sein.«
Er stand in der Eingangsdiele und sah dem Wagen nach, der schnell um die Ecke des Platzes fuhr. Kaum war er außer Sicht, als ein Motorradfahrer aus der kleinen Nebenstraße herauskam, die an der Hinterseite der Häuser vorbeiführte. Er schlug dieselbe Richtung ein wie das Auto.
Mr. Smith nickte befriedigt. Er überließ nichts dem Zufall. Lady Constance würde nun Tag und Nacht beobachtet werden.
»Und dabei hat sie nicht einmal Farrington näher erwähnt«, sagte er zu sich selbst, als er die Treppe hinaufstieg. »Man könnte fast annehmen, daß er noch lebt.«
Um neun Uhr desselben Abends fuhr der kleine Zweisitzer, den Lady Constance Dex geschickt lenkte, die breite Straße entlang, die nach Great Bradley führt. Dann schlug sie einen Nebenweg ein und hielt schließlich vor dem großen, unregelmäßig gebauten Pfarrhaus, das sich etwas abseits von der Stadt auf einem schönen Grundstück erhob. Behend sprang sie aus dem Wagen.
Das Geräusch des haltenden Autos hatte einen der Dienstboten herbeigelockt. Sie ging an dem Mann vorbei, ohne ein Wort zu sagen, eilte nach oben in ihr Zimmer und verriegelte und verschloß die Tür hinter sich, bevor sie den Lichtschalter andrehte. Elektrisches Licht zu besitzen war ein ungewöhnlicher Vorzug in einer so kleinen Stadt, aber sie verdankte diese Annehmlichkeit der Freundschaft, die sie mit dem merkwürdigen Manne unterhielt, der das »geheimnisvolle Haus« bewohnte.
Dieses hochaufragende Gebäude, das man vom Pfarrhaus aus nicht sehen konnte, lag drei Meilen entfernt in einem kleinen Tal, das in der Umgegend unter dem Namen »Mördertal« bekannt war. Es war eine hübsche, kleine Schlucht, in der sich vor vielen Jahren einmal ein furchtbares Verbrechen abgespielt hatte, und das Haus paßte ganz zu dem schauerlichen Namen, den die Gegend führte. Niemand sah jemals den Besitzer des »geheimnisvollen Hauses«. Sein Sekretär und seine beiden italienischen Diener kamen häufig nach Great Bradley, um dort ihre Einkäufe zu machen. Ab und zu sah man auch einen geschlossenen Wagen in den Straßen des Ortes. – Die Leute, die gerne erfahren hätten, wer der Eigentümer des Hauses war, konnten nur hoffen, daß eines Tages eine Achse dieses Wagens brechen und so der Insasse gezwungen würde, sich ihnen zu zeigen.
Aber im allgemeinen störte niemand den Sonderling in seiner Abgeschiedenheit. Mochte er unerhörte Dinge tun, wie er es auch wirklich tat – die Bewohner von Great Bradley kümmerten sich nicht darum und dankten Gott, daß sie nicht so waren wie dieser unbekannte Mann.
Der rätselhafte Mann hatte wirklich sonderbare Gewohnheiten. Er hatte eine eigene elektrische Kraftanlage, deren großer Schornstein über Wadleigh Copse hinausragte. In dem Kraftwerk befanden sich Maschinen von gewaltiger Stärke, die den elektrischen Strom erzeugten, der das große Haus erleuchtete und heizte.
In Great Bradley lebten viele ehrbare englische Arbeiter, die böse darüber waren, daß der Besitzer des »geheimnisvollen Hauses« fremde Leute ihnen vorzog. Aber es stand fest, daß nur Ausländer in dem Kraftwerk arbeiteten. Sie hatten ihre eigenen Wohnungen abseits des Ortes, lebten dort friedlich für sich und hatten nicht den Wunsch, mit den anderen Einwohnern der Stadt in nähere Berührung zu kommen. Es waren genügsame Italiener, die gern schwer arbeiten und soviel wie möglich von ihrem Gehalt sparen wollten, um später einmal in ihre geliebte Heimat zurückkehren zu können. Sie wurden für ihre Verschwiegenheit gut bezahlt, und sie hatten sie auch noch nie gebrochen.
Lady Constances Haus wurde von der Kraftstation des »geheimnisvollen Hauses« gleichfalls mit Strom versorgt, und sie gehörte auch zu den wenigen Bevorzugten, die das Haus unaufgefordert betreten durften.
Sie war einige Zeit damit beschäftigt, sich umzuziehen. Dann brachte ihr Mädchen das Abendessen auf einem Tablett, und als sie mit ihrer Mahlzeit fertig war, ging sie in ihr Wohnzimmer, öffnete eine Schublade ihres Schreibtisches und nahm eine zierliche Pistole heraus. Sie betrachtete sie einen Augenblick, prüfte dann sorgfältig die Munitionskammer und steckte einen Patronenrahmen hinein. Nachdem sie die Waffe gesichert hatte, ließ sie dieselbe in die Tasche ihres Mantels gleiten, schloß ihren Schreibtisch wieder ab, verließ ihr Zimmer und ging die Treppe hinunter. Ihr Wagen wartete noch draußen, aber sie wandte sich an den Diener, der ehrerbietig an der Tür stand.
»Bringen Sie das Auto in die Garage – ich will Mrs. Jackson noch besuchen.«
»Jawohl, Mylady.«
9
Mr. Smith kam mit einer bestimmten Absicht nach Great Bradley. Er wußte, daß nicht nur das geheimnisvolle Verschwinden Farringtons, sondern vielleicht auch die Identität des rätselhaften Montague Fallock eher in dieser kleinen Stadt als in der großen Metropole aufgeklärt werden konnte. Es ging jetzt um die Ehre von Scotland Yard. In einem Zeitraum von nur sieben Tagen waren zwei Morde, eine mysteriöse Schießerei und ein Selbstmord vorgekommen, der von so merkwürdigen Nebenumständen begleitet war, daß man auch hier einen Mord vermuten mußte. Und die Polizei war noch nicht in der Lage, der ungeduldig wartenden Öffentlichkeit auch nur die leiseste Erklärung für all diese Ereignisse zu geben. Hierzu kam noch der Einbruch im Zollamt, so daß Scotland Yard in eine Art Verteidigungsstellung getrieben war.
»Es kursieren allerhand dumme Gerüchte über uns«, sagte der Polizeipräsident an dem Morgen, an dem Mr. T.B. Smith nach Great Bradley abfuhr. Er reichte ihm eine Zeitung über den Tisch, und der Detektiv nahm sie mit einem sonderbaren Lächeln. Er las die auffallende Überschrift und den gesperrt gedruckten Artikel, in dem die Leistungsfähigkeit der Polizei in Frage gestellt wurde, und reichte das Blatt seinem Vorgesetzten wieder zurück.
»Ich СКАЧАТЬ