Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Essays + Memoiren + Tagebücher. Стендаль
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Название: Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Essays + Memoiren + Tagebücher

Автор: Стендаль

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788026824862

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СКАЧАТЬ Frau von Rênal im Hinausgehen und schloß den Geliebten ein.

      Nach kurzer Zeit kam sie wieder, mit Apfelsinen, Zwieback und einer Flasche Malaga. Brot beiseite zu schaffen war ihr nicht möglich gewesen.

      »Was macht dein Mann?« fragte Julian.

      »Er setzt mit ein paar Bauern Kaufverträge auf.«

      Es schlug acht Uhr. Jetzt ward es laut im Hause. Wenn die Hausherrin nicht zu sehen gewesen wäre, hätte man sie überall gesucht. Somit war sie gezwungen, Julian zu verlassen.

      Nach einer Weile kam sie abermals zu ihm herauf und brachte ihm, jedweder Vorsicht zum Trotz, eine Tasse Kaffee. Sie fürchtete, er könne Hunger leiden. Nach dem Frühstück lockte sie die Kinder unter das Fenster des Gastzimmers. Julian fand, sie seien gewachsen, aber sie kamen ihm gewöhnlich vor. »Ist es so, oder habe ich sie früher mit andern Augen angeschaut?« fragte er sich. Er hörte, wie ihre Mutter mit ihnen von ihm sprach. Der Älteste bekundete Freundschaft und Verlangen nach dem früheren Hauslehrer, aber die beiden jüngeren hatten ihn wohl schon halb vergessen.

      Herr von Rênal ging an diesem Vormittag nicht aus. Fortwährend lief er im Hause umher, treppauf, treppab, damit beschäftigt, Lieferungsverträge mit Bauern abzuschließen, die ihm seine Kartoffelernte abnehmen sollten. Bis zur Hauptmahlzeit konnte Frau von Rênal ihrem Gefangenen keinen Augenblick widmen.

      Als zu Tisch geläutet wurde und angerichtet war, geriet sie auf den Gedanken, ihm einen Teller heißer Suppe hinaufzuschaffen. Vorsichtig tat sie das, aber im Gange, als sie sich leise der Türe näherte, hinter der Julian eingeschlossen war, erblickte sie plötzlich den Diener, der am Morgen die Leiter versteckt hatte. Er kam ebenfalls leise durch den Gang, als ob er horchen wollte. Wahrscheinlich war Julian unvorsichtig hin und her gegangen. Verlegen entfernte sich der Diener.

      Frau von Rênal betrat kühn das Zimmer. Julian erschrak, als er von der Begegnung vernahm.

      »Du hast Angst!« sagte sie. »Ich werde allen Gefahren der Welt trotzen, ohne mit der Wimper zu zucken. Nur eines fürchte ich: den Augenblick, wo ich wieder allein bin, wenn du fort bist.«

      Rasch war sie wieder hinaus.

      »Ach!« sagte Julian begeistert. »Die Reue ist die einzige Gefahr, vor der dieser erhabenen Seele bangt.«

      Endlich ward es Abend. Herr von Rênal begab sich in den Klub. Frau von Rênal schützte heftige Kopfschmerzen vor und zog sich in ihr Zimmer zurück. Elise wurde baldigst entlassen. Dann machte sich Frau von Rênal rasch wieder zurecht und ließ Julian ein.

      Er war in der Tat halb verhungert. Sie ging in die Speisekammer, um Brot zu holen. Kaum war sie fort, da hörte Julian einen Schrei.

      Sie kam zurück und erzählte ihm, sie sei ohne Licht in die Speisekammer gegangen. Da habe sie plötzlich am Brotschrank einen weiblichen Arm gefaßt. Es sei Elise gewesen, deren Schrei er wohl gehört habe.

      »Was machte sie dort?«

      »Entweder war sie beim Naschen, oder sie spioniert«, meinte Frau von Rênal mit völliger Gleichgültigkeit.

      »Glücklicherweise habe ich eine Pastete und ein Schwarzbrot erwischt.«

      »Und was hast du darin?« fragte er, auf ihre Schürzentaschen deutend.

      Frau von Rênal hatte vergessen, daß sie nach Tisch Brötchen eingesteckt hatte. Leidenschaftlich verliebt schloß Julian seine Freundin in die Arme. Noch nie war sie ihm so schön erschienen. Wie vor einer Vision dachte er: »Selbst in Paris werde ich keiner so großen Seele begegnen.« In ihr einte sich das unbeholfene Wesen einer Frau, die an derartige Abenteuer nicht gewöhnt ist, mit dem echten Mut eines Menschen, der irdischer Gefahren nicht achtet.

      Julian aß mit großem Appetit, während seine Freundin über sein frugales Mahl scherzte. Es graute ihr, ernste Dinge zu sagen. Da wurde plötzlich kräftig an der Tür gerüttelt. Es war Herr von Rênal.

      »Warum hast du dich eingeschlossen?« fragte er grob.

      Julian hatte kaum Zeit, unter das Sofa zu kriechen.

      »Noch völlig angezogen?« sagte der in das Zimmer Eintretende. »Du ißt zu Abend und riegelst dich ein?«

      Frau von Rênal verlor ihre Ruhe nicht. An jedem andern Tage hätte die barsch-ehemännische Frage sie empört und verwirrt. So aber dachte sie kaltblütig daran, daß sich ihr Gatte nur ein wenig zu bücken brauchte, um Julian zu erblicken. Hatte er sich doch in den Lehnstuhl gesetzt, der dem Sofa gegenüberstand. Eben noch hatte Julian daselbst gesessen.

      »Du weißt, ich habe Kopfschmerzen«, sagte sie kurz.

      Nun erzählte ihr Herr von Rênal lang und breit von der Billardpoule, die er im Klub gewonnen hatte. »Ich sage dir, eine Poule von neunzehn Franken! Das war eine Sache!«

      Gerade als er dies sagte, erblickte sie Julians Hut auf dem andern Lehnstuhle. Ihre Ruhe verdoppelte sich. Sie begann sich auszukleiden. Im rechten Augenblick schlüpfte sie hinter den Gatten und warf ein Kleidungsstück über den Stuhl mit dem Hut.

      Endlich ging Herr von Rênal.

      Sie bat Julian, ihr noch einmal sein Leben im Seminar zu schildern. »Gestern habe ich dir gar nicht recht zugehört. Während du erzähltest, habe ich nur daran gedacht, mich zu zwingen, dich fortzuschicken.«

      Sie ließ jede Vorsicht außer acht. Beide unterhielten sich ziemlich laut. Es mochte nachts zwei Uhr sein, als es zu ihrem Schreck plötzlich gegen die Türe donnerte. Wiederum war es Herr von Rênal.

      »Mach schnell auf!« rief er. »Es sind Einbrecher im Hause. Ich habe Stimmen gehört. Johann hat heute früh eine fremde Leiter gefunden.«

      »Jetzt ist alles aus!« flüsterte Frau von Rênal und fiel in Julians Arme. »Er wird uns alle beide töten. Das mit den Einbrechern, das sagte er bloß so. Ich will in deinen Armen sterben, glücklicher im Tode, als ich im Leben war!«

      Ihrem Manne gab sie keine Antwort. Er schimpfte draußen, während sie Julian innig an sich drückte.

      »Erhalte deinem Stanislaus die Mutter!« gebot ihr Julian in herrischem Tone. »Ich werde durch das Fenster im Kabinett nebenan in den Hof springen und mich durch den Garten retten. Die Hunde tun mir nichts. Sie haben mich wiedererkannt. Binde meine Kleider zu einem Bündel und wirf sie, sobald du kannst, in den Garten! Laß ihn nur die Türe eintreten. Und vor allem nichts eingestehen! Das verbiete ich dir! Verdacht ist immer besser als Gewißheit.«

      »Du wirst beim Hinabspringen das Genick brechen!«

      Das war ihre einzige Antwort und ihre einzige Sorge. Sie geleitete ihn an das Fenster des Kabinetts, dann versteckte sie bedächtig seine Kleider, und schließlich öffnete sie ihrem wutschnaubenden Manne.

      Ohne ein Wort zu sagen, blickte er sich im Zimmer um, ebenso im Kabinett. Dann verschwand er wieder.

      Julian bekam seine Sachen nachgeworfen. Er fing sie auf und eilte durch den Garten, abwärts dem Doubs zu. Im Laufen hörte er eine Kugel pfeifen und gleichzeitig den Knall eines Flintenschusses. »Das ist Rênal nicht!« dachte er. »So gut schießt der nicht!« Die Hunde liefen mit ihm, ohne zu bellen. Ein zweiter Schuß knallte. Offenbar war einer der Hunde in die Pfote getroffen, denn er begann kläglich zu heulen.

      Julian sprang eine Terrassenmauer hinunter und lief etwa fünfzig Schritte in der Deckung hin. Dann lief er wieder abwärts. Er vernahm Stimmen, die sich gegenseitig СКАЧАТЬ