Gesammelte Werke von Gustave Flaubert. Гюстав Флобер
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Название: Gesammelte Werke von Gustave Flaubert

Автор: Гюстав Флобер

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027209903

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СКАЧАТЬ allem Herkömmlichen abhold ist, und empfindet Ärgernis oder Bewunderung davor. Rudolfs weißes Batisthemd mit gefälteten Manschetten bauschte sich im Ausschnitt seiner grauen Flanellweste, wie es dem Winde gerade gefiel; seine breitgestreiften Hosen reichten nur bis an die Knöchel und ließen die gelben Halbschuhe ganz frei, auf deren spiegelblanke Lackspitzen das Gras Reflexe warf. Er trat unbekümmert in die Pferdeäpfel. Eine Hand hatte er in der Rocktasche, und der Hut saß ihm schief auf dem Kopfe.

      »Ein Bauer wie ich …«, meinte er.

      »Bei dem ist Hopfen und Malz verloren«, scherzte Emma.

      »Sehr richtig! Übrigens ist kein einziger von all diesen Biedermännern imstande, den Schnitt eines Rockes zu beurteilen.«

      Dann sprachen sie von dem Leben in der Provinz, wo die Eigenart des einzelnen erstickt und das Leben keinen Schwung hat.

      »Darum verfalle ich der Melancholie …«, sagte er.

      »Sie?« erwiderte Emma erstaunt. »Ich halte Sie gerade für sehr lebenslustig.«

      »Ach, das sieht nur so aus! Weil ich vor den Leuten die Maske des Spötters trage. Aber wie oft habe ich mich beim Anblick eines Friedhofes im Mondenscheine gefragt, ob einem nicht am wohlsten wäre, wenn man schliefe, wo die Toten schlafen….«

      »Sie haben doch Freunde. Vergessen Sie die nicht!«

      »Ich? Freunde? Welche denn? Ich habe keine. Um mich kümmert sich niemand.«

      Dabei gab er einen pfeifenden Ton von sich.

      Sie mußten sich einen Augenblick voneinander trennen, weil sich ein Mann zwischen sie drängte, der einen Turm von Stühlen schleppte. Er war derartig überladen, daß man nichts von ihm sah als seine Holzpantoffeln und seine Ellbogen. Es war Lestiboudois, der Totengräber, der ein Dutzend Kirchenstühle herbeischaffte. Findig, wie er immer war, wo es etwas zu verdienen gab, war er auf den Einfall gekommen, aus dem Bundestage seinen Vorteil zu schlagen. Und damit hatte er sich nicht verrechnet; er wußte gar nicht, wen er zuerst befriedigen sollte. Die Bauern, denen es heiß war, rissen sich förmlich um diese Stühle, deren Strohsitze nach Weihrauch dufteten. Sie lehnten sich mit wahrer Kirchenstimmung gegen die hohen wachsbeklecksten Stuhlrücken.

      Frau Bovary nahm Rudolfs Arm von neuem. Er fuhr fort, als spräche er mit sich selbst.

      »Ja, ja! Ich habe vieles entbehren müssen! Immer einsam! Ach, wenn mein Dasein einen Zweck gehabt hätte, wenn ich einer großen Leidenschaft begegnet wäre, wenn ich ein Herz gefunden hätte … Oh, alle meine Lebenskraft hätte ich daran gesetzt, ich wäre über alle Hindernisse hinweggestürmt, hätte alles überwunden…«

      »Mich dünkt, Sie seien gar nicht besonders beklagenswert«, wandte Emma ein.

      »So, finden Sie?«

      »Zum mindesten sind Sie frei…« Sie zögerte. »… und reich!«

      »Spotten Sie doch nicht über mich!« bat er.

      Sie beteuerte, es sei ihr Ernst. Da donnerte ein Böllerschuß. Alsbald wälzte und drängte sich alles der Ortschaft zu. Aber es war ein falscher Alarm gewesen. Der Landrat war noch gar nicht da. Der Festausschuß war nun in der größten Verlegenheit. Sollte der feierliche Akt beginnen, oder sollte man noch warten?

      Endlich tauchte an der Ecke des Marktes eine riesige Mietkutsche auf, von zwei mageren Gäulen gezogen, auf die ein Kutscher im Zylinderhut aus Leibeskräften mit der Peitsche loshieb.

      Binet, der Feuerwehrhauptmann, kommandierte in aller Hast:

      »An die Gewehre!«

      Und der Oberst der Bürgergarde brüllte das Echo dazu.

      Hals über Kopf stürzte man an die Gewehrpyramiden. Etliche der Bürgergardisten vergaßen in der Eile, sich den Kragen zuzuknöpfen. Aber der Landauer des Herrn Landrats schien die Verwirrung zum Glück zu ahnen. Die beiden Pferde kamen im langsamsten Zotteltrabe gerade in dem Moment vor der Vorhalle des Rathauses an, als sich Feuerwehr und Bürgergarde in Reih und Glied unter Trommelschlag davor aufgestellt hatten.

      »Stillgestanden! Präsentiert das Gewehr!« kommandierte Binet.

      »Stillgestanden! Präsentiert das Gewehr!« der Oberst auf der andern Seite.

      Die Trageringe rasselten in den Reihen, als ob ein Kupferkessel eine Treppe hinunterkollerte. Die Gewehre flogen nur so.

      Nun sah man einen Herrn aus der Karosse steigen, in einer silberbestickten Hofuniform. Er hatte eine große Glatze, ein Toupet auf dem Hinterhaupte, sah blaß im Gesicht aus und war offenbar sehr leutselig. Um die Menschenmenge besser zu sehen, kniff er seine Augen, die zwischen dicken Lidern hervorquollen, halb zusammen, wobei er gleichzeitig seine spitzige Nase hob und seinen eingefallenen Mund zum Lächeln verschob. Er erkannte den Bürgermeister an seiner Schärpe und teilte ihm mit, daß der Landrat verhindert sei, persönlich zu kommen. Er selber sei Regierungsrat. Es folgten noch ein paar verbindliche Redensarten.

      Tüvache, der Bürgermeister, begrüßte ihn ehrerbietig. Der Rat erklärte, er fühle sich beschämt. Die beiden standen sich dicht gegenüber, Angesicht zu Angesicht; um sie herum der Festausschuß, der Gemeinderat, die Honoratioren, die Bürgergarde und das Publikum. Der Regierungsrat schwenkte seinen kleinen schwarzen Dreimaster gegen die Brust und sagte ein paar Begrüßungsworte. Währenddem klappte Tüvache in einem fort wie ein Taschenmesser zusammen, lächelnd, stotternd, nach Worten suchend. Darauf beteuerte er die Königstreue der Yonviller und dankte für die ihnen widerfahrene große Ehre.

      Hippolyt, der Hausknecht aus dem Goldnen Löwen, nahm die Pferde der Kutsche an den Kandaren und zog das Gefährt humpelnd nach dem Gasthofe, an dessen Hoftor ein Schwarm von gaffenden Landleuten stand. Die Trommeln wirbelten, der Böller krachte.

      Die Herren vom Festausschuß begaben sich nun auf die vor dem Rathause errichtete Estrade und setzten sich in die roten Plüschsessel, die von der Frau Bürgermeisterin zur Verfügung gestellt worden waren.

      Alle die Männer glichen einander. Alle hatten sie ausdruckslose blonde, apfelweinfarbene Gesichter, die von der Sonne etwas gebräunt waren, buschige Backenbärte, die sich unter hohen steifen Halskragen verloren, und weiße, sorglich gebundene Krawatten. Die Samtweste fehlte keinem, ebensowenig an den Uhrketten das ovale Petschaft aus Karneol. Alle stemmten sie die Arme auf die Schenkel, nachdem sie die Falten des Beinkleides sorgsam zurechtgestrichen hatten. Das nicht dekatierte Hosentuch glänzte mehr als das Leder ihrer derben Stiefel.

      Die Damen der Gesellschaft hielten sich hinter der Estrade auf, unter der Vorhalle zwischen den Säulen, während die große Menge dem Rathause gegenüber stand oder teilweise auf Stühlen saß. Der Kirchendiener hatte die erst nach der Wiese getragenen Stühle rasch wieder hierhergeschleppt und brachte immer noch mehr aus der Kirche herzu. Durch seinen Handel entstand ein derartiges Gedränge, daß man nur mit Mühe und Not zu der kleinen Treppe der Estrade dringen konnte.

      »Ich finde,« sagte Lheureux zu dem Apotheker, der sich nach der Estrade durchdrängelte und gerade an ihm vorüberkam, »man hätte zwei venezianische Maste aufpflanzen und sie mit irgendeinem schweren kostbaren Stoff drapieren sollen, mit einer Nouveauté. Das würde sehr hübsch ausgesehen haben!«

      »Gewiß!« meinte Homais. »Aber Sie wissen ja! Der Bürgermeister macht alles bloß nach seinem eignen Kopfe. Er hat nicht viel Geschmack, der gute Tüvache, und künstlerischen Sinn nun gleich gar nicht!«

      Mittlerweile СКАЧАТЬ