Название: August Bebel - Die Frau und der Sozialismus
Автор: Bebel August
Издательство: Bookwire
Жанр: Социология
isbn: 9788027205295
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Die Lage der Frauen wurde auch dadurch besonders ungünstig, daß neben den Hindernissen, die allmählich die Verehelichung und die Niederlassung erschwerten, ihre Zahl die der Männer bedeutend überschritt. Als besondere Ursachen sind in erster Linie anzusehen die zahlreichen Kriege, Kämpfe und Fehden und die gefahrvollen Handelsreisen jener Zeit. Ferner war infolge von Unmäßigkeit und Völlerei die Sterblichkeit der Männer größer, und die aus dieser Lebensweise hervorgehende erhöhte Dispostion zu Krankheiten und Tod machte sich besonders geltend während der Pest, die im Mittelalter so häufig wütete. So zählte man in dem Zeitraum von 1326 bis 1400 zweiunddreißig, von 1400 bis 1500 einundvierzig und von 1500 bis 1600 dreißig Pestjahre 49.
Scharen von Frauen trieben sich auf den Landstraßen als Gauklerinnen, Sängerinnen, Spielerinnen, in Gesellschaft von fahrenden Schülern und Klerikern, umher und überschwemmten die Messen und Märkte. In den Heeren der Landsknechte bildeten sie besondere Abteilungen mit ihrem eigenen Weibel und wurden, dem Zunftcharakter der Zeit entsprechend, zünftlerisch organisiert und nach Schönheit und Alter den verschiedenen Chargen zugewiesen. Bei schwerer Strafe durften sie sich außerhalb dieses Kreises keinem hingeben. In den Lagern mußten sie mit den Troßbuben Heu, Stroh und Holz herbeischleppen, Gräben, Teiche und Gruben ausfüllen, die Reinigung des Lagers besorgen. Bei Belagerungen hatten sie mit Reisig, Wellen und Büscheln die Gräben auszufüllen, um das Stürmen zu erleichtern; sie waren behilflich, die Geschütze in Position zu bringen, und mußten sie, wenn diese in den grundlosen Wegen steckenblieben, an der Fortschaffung derselben helfen 50.
Um dem Elend dieser zahlreichen hilflosen Frauen einigermaßen entgegenzuwirken, errichtete man seit der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts in vielen Städten sogenannte Beguinenanstalten, die unter städtischer Verwaltung standen. In diesen untergebracht, waren sie gehalten, einen anständigen Lebenswandel zu fuhren. Aber weder waren diese Anstalten noch die zahlreichen Frauenklöster imstande, alle Hilfesuchenden aufzunehmen.
Die Eheerschwernisse, die Reisen der Fürsten, der Herren weltlichen und geistlichen Standes mit ihrem Troß an Rittern und Knechten, die nach den Städten kamen, die Männerjugend in den Städten selbst, nicht zu vergessen die verheiratete Männerwelt, die lebenslustig, von Skrupeln nicht berührt, nach Abwechslung im Lebensgenuß trachtete, schufen auch in den Städten des Mittelalters das Bedürfnis nach Prostitution. Und wie jedes Gewerbe in jener Zeit organisiert und reguliert wurde und ohne Zunftordnung nicht bestehen konnte, so geschah das auch mit der Prostitution. Es gab in allen größeren Städten Frauenhäuser, die städtisches, landesfürstliches oder kirchliches Regal waren, deren Reinerträge in die bezüglichen Kassen flossen. Die Frauen in diesen Häusern hatten eine selbstgewählte Altmeisterin, die auf Zucht und Ordnung zu sehen und insbesondere eifrig darüber zu wachen hatte, daß nichtzünftige Konkurrentinnen, die »Bönhasen«, dem legitimen Geschäft nicht schadeten. Im Falle des Ertapptwerdens wurden sie behördlich bestraft. So beschwerten sich die Bewohnerinnen eines Nürnberger Frauenhauses über ihre nichtzünftigen Konkurrentinnen bei dem Magistrat, »daß auch andere Wirte Frauen halten, die nachts auf die Gassen gehen und Ehemänner und andere Männer beherbergen und solches (ihr Gewerbe) inmaßen und viel gröber denn sie es halten, in dem gemeinen (zünftigen) Tochterhaus, daß solches zum Erbarmen sei, daß solches in dieser löblichen Stadt also gehalten werde« 51. Die Frauenhäuser genossen besonderen Schutz; Ruhestörungen in ihrer Nähe wurden doppelt hart geahndet. Auch hatten die weiblichen Zunftgenossen das Recht, bei Prozessionen und Festlichkeiten, bei denen die Zünfte stets mitwirkten, ebenfalls im Zuge zu erscheinen. Nicht selten wurden sie auch zu fürstlichen und Ratstafeln als Gäste gezogen. Die Frauenhäuser wurden für dienlich erachtet, »zu besserer Bewahrung der Ehe und der Ehre der Jungfrauen«. Das ist dieselbe Begründung, mit der man in Athen die Staatsbordelle rechtfertigte und noch heute die Prostitution entschuldigt. Indes fehlte es auch nicht an gewalttätigen Verfolgungen der Freudenmädchen, die ausgingen von derselben Männerwelt, die durch ihre Anforderungen und ihr Geld die Prostituierten unterhielten. So verordnete Kaiser Karl der Große, daß eine Prostituierte nackt auf den Markt geschleppt und ausgepeitscht werden solle; er selbst, der »allerchristlichste« König und Kaiser, hatte nicht weniger als sechs Frauen auf einmal; auch waren seine Töchter, die offenbar dem Beispiel des Vaters folgten, keineswegs Tugendboldinnen. Sie bereiteten ihm durch ihren Lebenswandel manche unangenehme Stunde und brachten auch mehrere uneheliche Kinder ihm heim. Alkuin, Karl des Großen Freund und Ratgeber, warnte seine Schüler vor den »gekrönten Tauben, die nächtlich durch die Pfalz fliegen«, worunter er des Kaisers Töchter verstand.
Dieselben Gemeinwesen, die das Bordellwesen offiziell organisierten und es unter ihren Schutz nahmen und den Priesterinnen der Venus allerlei Privilegien einräumten, verhängten die härtesten und grausamsten Strafen über eine arme, verlassene Gefallene. Die Kindsmörderin, die aus Verzweiflung ihre Leibesfrucht getötet hatte, wurde den grausamsten Todesstrafen unterworfen, nach dem gewissenlosen Verführer krähte kein Hahn. Er saß vielleicht mit im Gericht, welches über das arme Opfer das Todesurteil fällte. Dergleichen kommt noch heute vor 52. Auch der Ehebruch der Frau wurde aufs härteste bestraft, der Pranger war ihr mindestens sicher, aber über den Ehebruch des Mannes wurde der Mantel christlicher Liebe gedeckt.
In Würzburg schwor der Frauenwirt dem Magistrat: »Der Stadt treu und hold zu sein und Frauen zu werben.« Ähnlich in Nürnberg, Ulm, Leipzig, Köln, Frankfurt usw. In Ulm, in dem 1537 die Frauenhäuser aufgehoben wurden, beantragten 1551 die Zünfte wieder ihre Einführung, »um größeres Unwesen zu verhüten«! Hohen Fremden wurden auf Stadtkosten Freudenmädchen zur Verfügung gestellt. Als König Ladislaus 1452 in Wien einzog, sandte ihm der Magistrat eine Deputation aus öffentlichen Dirnen entgegen, die, nur mit leichter Gaze bekleidet, die schönsten Körperformen zeigten. Und Kaiser Karl V. wurde bei seinem Einzug in Antwerpen ebenfalls von einer Deputation nackter Mädchen begrüßt, eine Szene, die Hans Makart in einem großen Gemälde, das sich im Museum zu Hamburg befindet, verherrlichte. Solche Vorkommnisse erregten in jener Zeit kaum Anstoß.
48. Sammlung von Karl Lachmann und Moritz Haupt. Leipzig 1857. S. Hirzel.
49. Dr. Karl Bücher, Die Frauenfrage im Mittelalter. S. 6 bis 7. Tübingen 1882.
50. Dr. Karl Bücher, a.a.O., S. 35.
51. Joh. Scherr, Geschichte der deutschen Frauenwelt. 4. Auflage. Leipzig 1879.
52. Leon Richter berichtet in »La femme libre« einen Fall, wonach in Paris ein Dienstmädchen wegen Kindesmordes durch den Vater ihres eigenen Kindes, einen angesehenen frommen Advokaten, der mit im Schwurgericht saß, verurteilt wurde. Noch mehr. Der Advokat war sogar selbst der Mörder und die Mutter vollkommen unschuldig, wie diese erst nach ihrer Verurteilung vor dem Gericht bekannte.
4. Rittertum und Frauenverehrung
Phantasiereiche Romantiker und Leute von schlauer Berechnung haben den Versuch gemacht, das Mittelalter als besonders sittlich und als beseelt von wahrer Frauenverehrung darzustellen. Dazu muß besonders die Zeit der Minnesänger – vom zwölften bis zum vierzehnten Jahrhundert – die Folie geben. Der Minnedienst СКАЧАТЬ