Die Herrscher und Gestalten des Mittelalters. Reinhard Pohanka
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СКАЧАТЬ bei so vielen Angehörigen des mittelalterlichen Bürgertums ist auch bei Chaucer das Geburtsdatum nicht genau bekannt und dürfte zwischen 1340 und 1345 liegen. Sein Vater John war Weinhändler und Bürger von London, er war mit der Tochter des Schatzmeisters von London verheiratet und hatte gute Beziehungen zum englischen Hof. Chaucer bekam eine gute Erziehung und dürfte auch die Universität besucht haben. Erstmals hören wir von ihm 1357, als er im Haushaltsbuch der Lady Elizabeth du Burgh, der Frau des Prinzen Lionel, dritter Sohn von König Edward III., als Page erscheint. Er folgte seinem Herrn bis zum Frieden von Bretigny 1360 auf einen Kriegszug nach Frankreich, der die erste Phase des 100-jährigen Krieges einleitete, er wurde gefangen genommen und gegen 16 Pfund Lösegeld wieder ausgelöst. Als Lady Elizabeth starb, übersiedelte er als Page in Lionels Haushalt und erhielt ab 1367 eine Pension, die er sein Leben lang bezog.

      Vermutlich hat Chaucer vor 1374 geheiratet, mit seiner Frau Phillipa Roet scheint er aber nicht glücklich gewesen zu sein. Allerdings war ihre Schwester die Mätresse und spätere dritte Frau von Johann von Gent, was Chaucer zum Schwager des Sohnes des englischen Königs machte, der ab 1368 sein Gönner wurde.

      Als Kammerdiener oder Knappe lebte Chaucer im Haushalt von Johann von Gent und studierte nebenbei an der Londoner Rechtsschule. Seine Nähe zum Hof verhalf ihm zu diplomatischen Aufträgen in Frankreich, Flandern und Italien. 1368 traf er in Mailand bei der Hochzeit Lionels von Antwerpen, des Sohnes Edwards III., mit Violante, der Tochter Galeazzos II., Visconti von Padua, auch seine beiden literarischen Vorbilder

Petrarca und Jean Froissart. 1372 und 1373 war er in Genua und Florenz, lernte Italienisch und las die Werke von
Boccaccio und
Dante.

      1374 ernannte ihn Johann von Gent zum Zollinspektor für Wolle, Felle und Leder für England, und damit war er für einen Großteil des Einkommens des englischen Hofes verantwortlich. Weitere Aufenthalte in Frankreich und Mailand folgten 1377 und 1378. 1380 bekam er Schwierigkeiten mit der Justiz, weil er an einer Bäckerstochter »raptus« verübt hatte, ob damit eine Vergewaltigung oder eine Entführung gemeint ist, bleibt bis heute unklar.

      1385 zog Chaucer nach Kent und erwarb einen Sitz im Unterhaus der Grafschaft. Als 1386 Johann von Gent und Richard II. vom Parlament ihrer Autorität entkleidet wurden, verlor er seine finanzielle Unterstützung. 1387 starb seine Frau, und obwohl er 1390 zum königlichen Bauaufseher und später zum Forstaufseher über die königlichen Wälder ernannt wurde, häufte er Schulden an. Trotzdem entstand in dieser für ihn schwierigen Zeit sein Hauptwerk, die Canterbury Tales.

      1399 wandte sich das Blatt für Chaucer, als der Sohn seines verstorbenen Gönners Johann von Gent, Heinrich IV., den Thron bestieg. Chaucer ließ sich in London nieder, wo er am 25. Oktober 1400 starb. Er wurde in Westminster Abbey beigesetzt, sein Grab bildet das Zentrum des »Poets Corner«, in dem die berühmtesten englischen Dichter beigesetzt sind.

      Sein bekanntestes Werk sind die »Canterbury Tales«, die er nach 1388 schrieb. Zu schreiben begonnen hat Chaucer aber wesentlich früher. In seiner »französischen« Phase übersetzte er das berühmteste mittelalterliche Buch, den Rosenroman von

Jean de Meung und
Guillaume de Lorris, der sein späteres Werk deutlich beeinflussen sollte. Im »Buch der Herzogin«, seinem ersten eigenen Gedicht, lieferte er eine Lobrede auf Blanche, die 1368 verstorbenen erste Ehefrau des Johann von Gent. Nach dem Vorbild des Rosenromans ist es ein Traumgedicht, ebenso wie das der »italienischen« Phase zugerechnete, um 1380 entstandene »Haus der Fama«, ein Kompendium zahlreicher Themen von Kunst, Wahrheit und Lüge, das von
Dantes »Göttlicher Komödie« beeinflusst wurde. Chaucer übersetzte Boethius, schrieb eine unglückliche Liebesgeschichte über Anelida und Arcyte und das Traumgedicht »Das Parlament der Vögel«, eine Allegorie auf Ehe, Treue und Untreue, die vermutlich anlässlich der Vermählung von Richard II. mit Anne von Böhmen entstanden ist. Das Thema der Liebe behandelte er in »Troilus und Cressida« und in »The Legend of Good Women«, in denen er all der verlassenen Ehefrauen der Antike gedachte.

      Die ab 1388 entstandenen »Canterbury Tales« sind an Boccaccios »Decamerone« orientiert. Auch hier gibt es eine Rahmenhandlung mit einer Pilgerfahrt zum Grabe von

Thomas Becket. Der Dichter trifft dabei in einer Taverne 29 andere Personen, und der Wirt schlägt vor, dass jeder auf dem Hin- und Rückweg zwei Geschichten erzählen muss. Es waren also 120 Geschichten geplant, vollendet wurden nur 22 davon. Chaucer hat jedem der Pilger eine eigene Persönlichkeit, Gestalt und ein literarisches Profil gegeben, damit ist es ihm möglich, von der Rittererzählung über die Heiligenvita bis zur höfischen Dichtung und zum Bauernschwank alle literarischen Genres zu bedienen. Die »Canterbury Tales« sind als Hauptwerk der »englischen« Phase in Chaucers Schaffen zu sehen, und er hat damit das Englische, das seit
Wilhelm I. dem Eroberer in England vom normannischen Französisch verdrängt war, wieder als Literatursprache eingeführt.

      Chaucer war schon zu Lebzeiten ein bekannter Schriftsteller, sein Werk zirkulierte in zahlreichen Kopien und war auch eines der ersten, das 1478 in England gedruckt wurde. Er war ein scharfer Beobachter, Diplomat und Soldat, der zum Künstler wurde, und hat seine Erfahrungen in der Literatur verarbeitet. Dennoch ist er niemals bitter oder tragisch, sondern hat die Lust und den Spaß am Leben beschrieben. Shakespeare hat von ihm Motive entliehen, die Reformation konnte wenig mit ihm anfangen, da er zu unernst für sie war, und die Romantiker hielten ihn für obszön. Man kann sagen, dass heute alle etwas in seiner Dichtung finden können, seien es die Theologen, Philosophen oder Historiker, denn er hat in den »Canterbury Tales« die Welt der Plantagenets und des mittelalterlichen England so lebendig porträtiert wie kein anderer.

      CHLODWIG I.

      (466–511)

      Er vereinigte die kleinen fränkischen Herzogtümer auf dem Gebiet des ehemals römischen Gallien und nahm für sein Volk das Christentum an. Er verstand es, die alte römische mit der fränkischen Kultur zu verbinden, und schuf damit die Vorraussetzungen für den fränkischen Staat des

Karl Martell und
Karls des Großen
.

      Chlodwig wurde um 466 im Gebiet des heutigen Belgien geboren. Sein Vater Childerich I. war einer jener fränkischen Kleinkönige aus dem Geschlecht der Merowinger, die sich nach dem Niedergang des römischen Reiches Teile des alten Gallien zu Eigen gemacht hatten und sich als fränkische Könige, aber auch als gallo-römische Provinzherren und Militärbefehlshaber verstanden. Childerich I. hatte die Grundlage für den Aufstieg seiner Familie gelegt und sich als fränkischer Kleinkönig den Raum der ehemaligen römischen Provinz Belgica II. in den heutigen südlichen Niederlanden und dem nördlichen Belgien um die Provinzhauptstadt Tournai gesichert.

      Sein Sohn Chlodwig, der 482 als 16-Jähriger als König bestätigt wurde, einte die benachbarten fränkischen Kleinkönigreiche in den darauf folgenden Jahren durch Überzeugung, Krieg, Verrat und Mord unter seiner Herrschaft. 486 konnte er den Krieg gegen Syragius, den letzten römischen Heerführer in Gallien, aufnehmen und besiegte ihn bei Soissons. Dieser Sieg erweiterte die fränkische Herrschaft über den größten Teil des Gebietes zwischen Seine und Loire.

      492 oder 494 heiratete Chlodwig die burgundische СКАЧАТЬ