Gesammelte Werke. Isolde Kurz
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Isolde Kurz

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962812515

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СКАЧАТЬ zwei­er Mäch­te, die nur in gleich­schwe­ben­der Waa­ge ihr hö­he­res Sein er­fül­len kön­nen. Es ist eine un­aus­ge­spro­che­ne, viel­leicht noch nir­gends be­ach­te­te Fein­heit in der Sieg­fried­my­the, dass der Held aus der Ehe mit Gun­thers Schwes­ter nicht den Hel­den­sohn ge­winnt, den er aus Göt­ter­stamm hät­te zeu­gen müs­sen, und ihm nur eine Toch­ter hin­ter­bleibt, die, gleich­falls durch Sip­pen­ver­rat, zu schau­ri­gem Ende be­stimmt ist. Aus dem my­thi­schen Stamm des Achill da­ge­gen er­wuchs durch die zeu­gen­de Kraft des Ideals der his­to­ri­sche Alex­an­der.

      Mit Trug und Hin­ter­list hat der Sohn der Meer­göt­tin und En­kel des Zeus nichts zu schaf­fen: ver­hasst ist ihm »wie die Pfor­te des Aïs, wer ein an­de­res spricht und ein andres im Bu­sen be­we­get«. Der Un­be­sieg­ba­re, der mit sei­ner Per­son al­lein das gan­ze Heer der Grie­chen auf­wiegt, kämpft auch nicht für sich, ihn treibt we­der Ge­winn­sucht noch Ruhm­gier, nur das Ge­fühl der Ehre. Er hat sich der Sa­che der Grie­chen ver­schwo­ren, die ihn im Grun­de nichts an­geht, weil er ja gar nicht un­ter den Frei­ern der He­le­na war, und er kämpft für sie, ob­gleich er weiß, dass ihr Sieg nur durch sei­nen frü­hen Tod er­kauft wer­den kann. Sein Le­ben und Ster­ben sind eine Dar­brin­gung: mit die­ser Auss­trah­lung des Gött­li­chen tritt uns der tod­ge­weih­te Halb­gott schon bei sei­nem ers­ten Er­schei­nen ent­ge­gen. Und ob er im Zelt die He­rol­de emp­fängt, die kom­men ihm die Brysëis weg­zu­füh­ren – wer könn­te sie ihm ent­rei­ßen, hät­te er nicht ge­lobt sich sel­ber zu be­zäh­men! –, oder ob er wei­nend am Ge­sta­de sitzt, die gött­li­che Mut­ter an­ru­fend in sei­nem Leid –, im­mer ist es um ihn wie eine lei­se schmel­zen­de Mu­sik, die alle sei­ne Be­we­gun­gen be­glei­tet. Wo­ge­gen um sei­nen ger­ma­ni­schen Zwil­lings­bru­der nur im­mer wie­der die Jagd­f­an­fa­ren der un­ge­bän­dig­ten Ju­gend­lust er­tö­nen. Aber end­lich, wenn das Maß voll ist, der ge­lieb­tes­te Mensch er­schla­gen liegt und Verzweif­lung den Hel­den auf­rei­ßt, dann ist er nicht mehr Mensch, dann ist er Na­tur­ge­walt, ist ufer­los, ist das Ra­sen sei­nes müt­ter­li­chen Ele­men­tes selbst, das die Ebe­ne von Tro­ja mit Lei­chen über­schwemmt, dann ver­folgt er sei­ne Fein­de noch in das Bet­te des auf­brau­sen­den Strom­got­tes wie das Meer, wenn es sei­ne Flut strom­auf­wärts jagt.

      Den gan­zen ho­me­ri­schen My­thos um­wogt das Meer als sei­ne na­tür­li­che Beglei­tung; es singt ver­nehm­lich mit sei­nem An­rau­schen und Zu­rück­wo­gen im Rhyth­mus des Hexa­me­ters, der auch sei­ne tiefs­te Be­deu­tung ver­liert, wenn er auf bin­nen­län­di­sche Ge­gen­stän­de an­ge­wen­det wird. Für das ho­me­ri­sche Epos eine an­de­re Form zu su­chen, ist dar­um ein un­be­greif­lich falsches Be­gin­nen, seit der Hexa­me­ter durch das Rin­gen un­se­rer größ­ten Dich­ter der deut­schen Spra­che ge­won­nen ist, die da­durch al­lein vor al­len an­de­ren den Schlüs­sel zu dem he­ro­i­schen Stil der Al­ten emp­fing. Wir sol­len uns dar­um des phi­lo­lo­gi­schen Be­den­kens ganz ent­schla­gen, dass wir nicht wis­sen, wie der grie­chi­sche Hexa­me­ter dem Ohr der Grie­chen ge­klun­gen hat: si­cher ist, dass er für sie wie für uns den Rhyth­mus des Mee­res in sich trug. – Die na­tur­ge­ge­be­ne Form der Ed­da­lie­der da­ge­gen ist der Stab­reim, den ich auch schon als Kind lieb­te und mich so ger­ne von ihm auf sei­ne kurz­sto­ßen­den Flü­gel neh­men ließ, wenn das Fal­ken­hemd der Fre­ya schwirr­te, die Dra­chen­schif­fe der Nord­lands­re­cken auf­ein­an­der­prall­ten oder die Schild­jung­frau ih­ren Er­we­cker, der sie spä­ter so schmäh­lich be­trog, Heil­se­gen und Siegs­ru­nen lehr­te.

      Das trau­rig schö­ne Wis­sen um die hö­he­ren Lose, das mit dem Kin­de ging und es in­ner­lich noch ein­sa­mer mach­te, als es durch Ge­burts­stun­de und Er­zie­hung war, hat­te in die­sen Ein­drücken sei­nen Aus­gangs­punkt. Aber es be­drück­te sie nicht. Sie trug die Über­zeu­gung in sich, dass es so sein muss­te und dass es so schön war. Es zog mich, so frü­he den Tod als et­was schmerz­lich Herr­li­ches an­zu­bli­cken, und viel­leicht war es mein vie­les Den­ken an ihn, was ihn sel­ber an­zog, mir spä­ter­hin so oft in den Weg zu tre­ten. In dem Ge­dicht »Aus der Kind­heit«, in dem ich mir zu­erst Re­chen­schaft ab­leg­te, sind die­se frü­hen Ein­drücke in die Form ge­ron­nen:

       O da er­kannt’ ich jene Mäch­te,

       Vor de­nen Göt­ter hilf­los stehn,

       Wenn sie für ihre al­ten Rech­te

       Das wil­de Op­fer­fest be­gehn.

       Nicht blin­de Wahl trifft eins von al­len,

       Das Haupt nur das am hells­ten strahlt,

       Das höchs­te muss, das schöns­te fal­len,

       Dann hat es für den Schwarm ge­zahlt.

       Dann winkt der Sieg – – –

      Und dann die Apo­theo­se:

       Nun aber tre­ten sie her­an,

       Die seit­wärts kum­mer­voll ge­stan­den,

       Als sie den Lieb­ling fal­len sahn,

       Und in am­bro­si­schen Ge­wan­den

       Soll ihn von Göt­ter­hand die Glut emp­fah’n.

       Dort bei den Schif­fen, sieb­zehn Nächt’ und Tage,

       Be­vor die Flam­me sein Ge­bein ge­bleicht,

       Schafft ihm der Men­schen und der Göt­ter Kla­ge

       Den Ruhm, dem kei­ner in der Zu­kunft gleicht.

       Da ward mein Auge se­hend – – –

      Wer be­zwei­feln woll­te, dass ein so klei­nes Kind so große Din­ge er­fasst habe, dem müss­te ich ant­wor­ten, dass un­se­re In­nen­welt mit uns ge­bo­ren ist, und dass das Kind, be­vor es mit der Spra­che rich­tig den­ken lernt, schon lan­ge mit dem Her­zen ge­dacht hat. Denn das Kind ist noch kein em­pi­ri­scher Mensch, es hängt ihm noch ein Stück von dem Über­sinn­li­chen an, aus dem wir stam­men.

       Hauch der Dich­tung, himm­lisch Kind,

       Fas­se die Se­gel, dass auch der Wind,

       Dein ir­di­scher Bru­der, wie er treibt,

       Weit weit im Flug zu­rück­e­bleibt.

       Dir ists ein klei­nes, Aar und Pfeil

       Zu über­ho­len, des Win­des Eil,

       Du küs­sest und wirst nim­mer müd

       In Ei­nem Atem Nord und Süd,

       Die Zeit selbst, die dich will be­lü­gen,

       Sie muss sich dei­nem Ge­bo­te fü­gen.

       Du sau­sest nah, du sau­sest fer­ne,

       Ach, du auch stehst im Bann der Ster­ne!

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