Gesammelte Werke. Isolde Kurz
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Isolde Kurz

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962812515

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СКАЧАТЬ woll­te er sie, wie nie ein Weib ent­wür­digt wor­den, ih­ren Ruhm zer­bre­chen und sie zu ei­nem Spott­lied ma­chen für ganz Ita­li­en. Da­bei ver­gisst er auch die jun­ge Schön­heit nicht, die ihr Ein­satz war beim Spiel.

      Wer ist das jun­ge Mäd­chen un­ter den Da­men der Grä­fin, das bei der Brücke stand? fragt er den Knecht.

      Euer Gna­den zu die­nen, es ist ein grie­chi­sches Mäd­chen, Pa­ten­kind der Herr­schaft, die sie aus der Tau­fe ge­ho­ben hat, da sie zum ka­tho­li­schen Glau­ben über­trat. Ma­da­ma liebt sie aus der Ma­ßen. Man sagt, sie kön­ne sich kei­nen Tag von ihr tren­nen. Ione heißt sie.

      Ione? – Er ist nicht un­ge­lehrt, der Fürch­ter­li­che, er ver­steht die Spra­che der Grie­chen, und es scheint sei­ner über­fei­ner­ten Sinn­lich­keit, als ver­brei­te sich bei die­sem Na­men der Duft ei­nes gan­zen Veil­chen­beets. Was er sich hin­ter sei­nen ge­run­zel­ten Brau­en zu­sam­men­denkt, ist nicht zu er­ra­ten, aber er kann nichts den­ken, was er nicht mit sei­nen Ge­dan­ken be­schmutzt.

      Sie liebt also das Mäd­chen ganz aus­neh­mend?

      Ja, Herr, mehr als alle ihre Ehren­fräu­lein zu­sam­men. Mehr als die ei­ge­nen Kin­der, heißt es. Die Grie­chin ist ei­gent­lich das ein­zi­ge, was Ma­da­ma liebt. Aber sie ver­dient es, Herr. Sie ist ein gu­tes Mäd­chen, freund­lich ge­gen den Ge­rings­ten. Je­der Mann der Be­sat­zung lie­ße sich für sie in Stücke hau­en.

      Komm her­nach in mei­ne Woh­nung, ich habe einen Auf­trag für dich.

      Zu sei­nen Of­fi­zie­ren sagt er:

      Mor­gen stür­men wir. Ihr Her­ren Haupt­leu­te, ver­sam­melt Euch heu­te Abend bei mir, um die nä­he­ren Be­feh­le ent­ge­gen­zu­neh­men. Ei­nen er­tei­le ich schon jetzt. Es be­fin­det sich in der Roc­ca eine blut­jun­ge Grie­chin von ganz be­son­de­rer Schön­heit, de­ren Ehre und Le­ben ich ge­schont wis­sen will. Ihr darf beim Stür­men kein Leid ge­sche­hen. Sagt es Eu­ren Sol­da­ten, Mann für Mann. Und tragt mir Sor­ge, sie auch vor un­se­ren Gas­co­gnern und Schwei­zern zu be­hü­ten; Ihr haf­tet mir für ihre Si­cher­heit. So­bald Ihr ih­rer hab­haft seid, führt Ihr sie in mei­ne Woh­nung, ich wer­de ih­ren Ret­ter frei­ge­big loh­nen. Den­je­ni­gen aber, der sie un­ehr­er­bie­tig be­rührt, wer­de ich zu tref­fen wis­sen. Ihr kennt mich. Geht.

      Sie­he da, auf dem nächs­ten Tep­pich hat man das In­ne­re der Roc­ca vor Au­gen, das einen gänz­lich un­er­war­te­ten An­blick bie­tet. Im Krei­se ih­rer Frau­en sitzt die Dame von For­li, als gäbe es kei­ne Be­la­ge­rungs­ma­schi­nen, kei­ne Ka­no­nen und kei­nen Va­len­ti­no auf der Welt. So tut sie im­mer, wenn ihre Kom­man­dan­ten­pflicht ihr eine kur­ze Atem­pau­se ver­gönnt. Die an­de­ren sit­zen nach dem Brauch der Zeit am Bo­den, die Ge­bie­te­rin nur we­nig über sie er­höht. Sie hält eine klei­ne Waa­ge in der Hand, wo­mit sie Kör­ner oder Pül­ver­chen zu wä­gen scheint, wäh­rend ihre Frau­en be­schäf­tigt sind, un­ver­kenn­ba­re Din­ge in Mör­sern zu zer­stamp­fen. Was ma­chen sie nur? Mi­schen sie Gif­te nach der Metho­de des Bor­gia, um sie un­ter die Be­la­ge­rer zu feu­ern? Nein, ihre Be­schäf­ti­gung ist die al­lerun­schul­digs­te, sie be­rei­ten Wund­bal­sam und die be­rühm­ten Ge­heim­mit­tel zur Schön­heits­pfle­ge nach Ca­te­ri­nas ei­ge­nen Re­zep­ten, wo­mit die ei­ser­ne Krie­ge­rin ih­rer zar­ten Haut den Ju­gend­schmelz, ih­rer Haar­fül­le den sei­di­gen Glanz er­hält. Denn auch un­ter den Schre­cken und Nö­ten des Krie­ges be­haup­tet die Weib­lich­keit ihr Recht. Und die Sol­da­ten la­chen, wenn sie in den Pau­sen des Ge­schütz­feu­ers das ge­wohn­te Mör­ser­ge­räusch ver­neh­men. Sie sa­gen sich nicht: Die schöns­te Frau der Zeit will auch im Ster­ben noch schön sein. Sie sa­gen: Ma­da­ma ver­steht mehr vom Krieg als der fei­ge weich­li­che Spa­nier. Stün­de es schlecht um uns, so wür­de sie nicht Sal­ben rei­ben. Das glei­che den­ken ihre Frau­en und blei­ben gu­ten Mu­tes, statt ihr durch vor­zei­ti­ges Jam­mern und Heu­len den Kopf zu ver­wir­ren, der für das Gan­ze denkt.

      Zu ih­ren Fü­ßen am Bo­den sitzt das schö­ne We­sen, das dem Bor­gia auf der Zug­brücke er­schi­en, und schmiegt sich enge an die Ge­wand­fal­ten der Her­rin. Die Ge­schich­te weiß nichts von ihr, kei­ne Chro­nik die­ser wun­der­sa­men Be­ge­ben­hei­ten ge­denkt ih­rer. Da­rum ist sie nicht min­der wahr. Sie muss­te sein, des­halb ward sie an die­ser Stel­le. Und Ione heißt sie.

      Sie hat dunkle Haa­re, aber ihre Au­gen un­ter den schat­ten­den Wim­pern sind tief­blau, wie die grie­chi­schen Veil­chen, von de­nen sie den Na­men trägt. Ihr Va­ter ist der Dich­ter Ma­rullo aus By­zanz, der un­ter den Sol­da­ten Ca­te­ri­nas ficht, nicht der Löh­nung we­gen, wie sei­ne Ar­mut vor­gibt, son­dern aus Lie­be, aus hei­ßer, un­bän­di­ger Lie­be zu der Kriegs­her­rin, ei­ner Lie­be, die nicht ohne ge­hei­me Hoff­nung ist, weiß man doch, dass sie schon mehr als einen Nied­rig­ge­bo­re­nen, wenn er schön und tap­fer war, zu ih­rem Buh­len er­höht hat. Der Ma­rullo ist nicht schön, aber tap­fer ist er, und statt ei­ge­ner Schön­heit dient ihm die Schön­heit sei­ner Ver­se. Nur lei­der weiß die Ama­zo­ne mit den Ver­sen nichts an­zu­fan­gen, denn Ca­te­ri­na Sfor­za, die von Ju­gend auf nichts Hö­he­res kann­te, als im Sat­tel zu sit­zen und einen Sol­da­ten­trupp zu füh­ren, un­ter­schei­det sich von al­len Fürs­tin­nen ih­rer Zeit durch ihre na­he­zu bar­ba­ri­sche Gleich­gül­tig­keit ge­gen al­les was Dich­tung heißt. Wenn er des Abends von der Ka­no­ne ab­ge­löst wird, legt er ihr ein fein­ge­schmie­de­tes So­nett, wor­an er Nacht und Tag im stil­len ge­wer­kelt hat, ed­ler als der edels­te Schmuck, zu Fü­ßen. Die Frau, die von den Mü­hen sol­cher Schmie­de­kunst nicht die lei­ses­te Ah­nung hat, liest sie ohne Dank, wie ir­gend­ei­nen an­de­ren Zet­tel, und steckt sie acht­los ins Ka­min­feu­er. Er weiß es, aber gleich­wohl wird er treu­er bei ihr aus­hal­ten als Herr Jo­hann von Ca­sa­le, der Kas­tel­lan, der ihre Frau­en­gunst ge­nießt und doch im Au­gen­blick der Ent­schei­dung nur an sich sel­ber den­ken wird.

      In Ione ist die Lie­be des Ma­rullo Fleisch und Bein ge­wor­den, sie be­tet die schö­ne Her­rin an, von de­ren grau­sen Ta­ten und be­schol­te­nem Le­ben sie nichts weiß; – und möch­te sie nie da­von er­fah­ren! Sie ist in dem zar­ten und schwär­me­ri­schen Al­ter, wo das der Man­nes­lie­be noch un­kun­di­ge Mäd­chen­herz ger­ne ei­nem ho­hen Frau­en­bild Al­tä­re baut, um ihr durch feu­ri­ge Hin­ga­be zu die­nen und an ihr zu wach­sen. So­lan­ge sie in Ca­te­ri­nas Nähe sein darf, kennt sie kei­ne Ge­fahr. Un­ter dem schon ge­wohn­ten Don­ner der Ge­schüt­ze träumt sie mit lei­sen Grif­fen in ihr Sai­ten­spiel und summt ein grie­chi­sches Lied­lein dazu. Aber ih­res Va­ters Dich­ter­geist tritt auf ihre Lip­pen, wenn sie zu der­je­ni­gen spricht, die ihr al­les in ei­nem ist: Mut­ter, Ge­bie­te­rin, Göt­tin. Dann sind ihre Wor­te ein ein­zi­ger Lie­bes­ge­sang, der mit un­ge­such­tem Rhyth­mus aus dem Her­zen des Kin­des bricht. Du bist schön, mei­ne Her­rin, sagt sie ihr, was sol­len dir Sal­ben und Schön­heits­was­ser? Aus dir sel­ber kommt ja alle Schön­heit, sie hat An­fang und Ende in dir. Wenn du des Mor­gens ins Frau­en­ge­mach trittst, sei der Tag noch so trü­be, so ist es, als brä­che die Son­ne durch. Dein klei­nes Veil­chen harrt dir ent­ge­gen und wünscht sich nichts an­de­res, als nur im­mer in dei­nem Lich­te zu le­ben. Schön bist du, Her­rin, wen du an­blickst, der ist für den gan­zen Tag ge­seg­net.

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