Kult-Krimis: 26 Romane & Detektivgeschichten. Friedrich Glauser
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Kult-Krimis: 26 Romane & Detektivgeschichten - Friedrich Glauser страница 52

Название: Kult-Krimis: 26 Romane & Detektivgeschichten

Автор: Friedrich Glauser

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075834973

isbn:

СКАЧАТЬ

      Der Portier Dreyer trug eine Weste mit angesetzten Lüsterärmeln und eine grüne Schürze vorgebunden. Er war daran, den Gang z'wüsche. Studer stellte sich breitbeinig vor ihn hin:

      »Loset, Dreyer!«

      Der Mann sah auf, sein Blick war leer. Die linke Hand, die auf dem Besenstiel ruhte, trug einen Verband.

      »Ja, Herr Wachtmeister?« Der Mann kannte ihn also schon. Desto besser!

      »Ihr seid verwundet?«

      »Nüt vo Belang…« sagte Dreyer und senkte den Blick.

      Bluttropfen im Direktionsbüro… Der Portier verwundet – an der Hand!… Studer nahm sich zusammen. Nid! Nid! Keine verfrühten Hypothesen. Einfach registrieren: Portier Dreyer ist an der Hand verwundet… Weiter!

      »War der Direktor verheiratet?«

      Der Portier grinste. Seine Augenzähne trugen Goldplomben, das störte Studer, darum blickte er beiseite.

      »Zweimal«, sagte Dreyer. »Zweimal war er verheiratet. Und beide Frauen sind tot. Die zweite war zuerst Köchin bei ihm, Haushälterin hat man das genannt. Sie war aus keiner schlechten Familie. Sie hat's dann gut verstanden, ihre Geschwister in der Anstalt unterzubringen: den Bruder als Maschinenmeister, die Schwester als Buchhalterin in der Verwaltung – und ihr Schwager, der Mann ihrer zweiten Schwester, ist vierter Arzt.« Es war zu erwarten gewesen, und die Erwartung hatte nicht getäuscht. Portiers waren wirklich auf dem laufenden. Sie redeten weniger witzig als beispielsweise Dr. Laduner, aber sachlicher.

      »Danke«, sagte Studer trocken. »Hat der Direktor gestern eine größere Geldsumme empfangen?«

      »Woher wisset ihr das, Herr Wachtmeister? Vom Mai bis in den August war er krank. Er hat Ferien genommen. Aber dann war der Herr Direktor noch bei einer Krankenkasse. Gestern ist das Geld gekommen: hundert Tage zu zwölf Franken Taggeld machte gerade tausendzweihundert Franken.«

      »So«, sagte Studer. »Und am Ersten hat er wohl den Lohn gezogen, das war doch auch gestern?«

      »Nein, den läßt er immer auf der Verwaltung stehen, und wenn eine größere Summe beieinander ist, läßt er sie an die Bank schicken. Er hat ja fast nichts gebraucht. Wohnung frei. Eine Haushälterin hat er nicht mehr nehmen wollen. So hat man ihm das Erstklaßmenü aus der Küche gebracht.«

      »Wie alt war der Direktor?«

      »Neunundsechzig. Nächstes Jahr hätte er seinen siebzigsten Geburtstag gefeiert…«

      Dann, als sei die Sache damit erledigt, schob Dreyer den schwarzen Haarbesen vor sich her, und für einen Augenblick herrschte der Geruch von Staub über die beiden andern: Bodenwichse und Apotheke.

      »Hat er das Geld bei sich behalten? Ich meine die zwölfhundert Franken…«

      Der Portier wandte sich um und gab Auskunft:

      »Eine Tausendernote und zwei Hunderter. Er hat die drei Noten in seine Brieftasche gesteckt. Er hat zu mir gesagt, daß er das Geld morgen – das heißt also heute – auf die Bank tun wolle. Er fahre sowieso nach Bern…«

      »Wo ist die Sichlete gefeiert worden?«

      »Geht dort zur hintern Tür hinaus. Dann ist grad vor euch das Kasino. Die Tür ist offen. Ihr werdet ungestört sein…«

      Das Kasino! Wie in Nizza oder Monte Carlo! Und dabei war man in der Heil- und Pflegeanstalt Randlingen…

      Es sah aus wie nach einem Vereinsfest: Asche am Boden, zerrissene Papiergirlanden an den Wänden, weiße Tischtücher, auf denen Brotreste herumlagen. Die Luft roch nach erkaltetem Rauch. Im Hintergrund eine Bühne, ein Tisch darauf, Weingläser… Die Honoratioren, wie Dr. Laduner sagte, hatten keinen Tee getrunken… Spitzbogenfenster mit billigen farbigen Butzenscheiben gaben dem Raum etwas Kirchenähnliches. Eine Kanzel, die an der Seitenwand hing, etwas über dem Boden, verstärkte noch den Eindruck. Vielleicht hatten die Kirchen während der Französischen Revolution so ausgesehen, wenn man in ihnen das Fest der Vernunft gefeiert hatte…

      Studer nahm einen Stuhl und setzte sich der Bühne gegenüber. Er zündete eine Brissago an, und dann begann er kleine Bewegungen mit seiner rechten Hand zu machen, wie ein Regisseur, der zu Beginn einer Szene den Schauspielern die Plätze anweist…

      Auf der Bühne der Direktor… Wahrscheinlich saß er in der Mitte des Tisches, auf jenem Armstuhl, der ein wenig schief dastand, so, als sei einer hastig aufgesprungen. Rechts von ihm Dr. Laduner, links von ihm der Verwalter… Die Assistenzärzte.

      Der vierte Arzt, dessen Frau die Schwester der zweiten Frau des Direktors war… Komplizierte Familiengeschichten. Der vierte Arzt war also sozusagen ein Schwager des Direktors. Wie hieß dieser Herr? Eigentlich hätte man sich gleich nach seinem Namen erkundigen können, auch wenn es das Namensregister verlängerte.

      Dort in der Ecke stand ein altes Klavier… Wer hatte den Patienten Pieterlen, der die Handharfe spielte, begleitet? – Und dann hatte man getanzt… Hier im freien Raum zwischen den Tischen. Männlein und Weiblein zusammen, Pfleger und Pflegerinnen. Und die Patienten hatten – wie hatte Dr. Laduner das ausgedrückt? – ah ja, ›erotische Spannungen abreagiert‹…

      Item. Um zehn Uhr wurde der Direktor ans Telephon gerufen. Vom Abteiliger – wie hieß er? – Jutzeler. Wurde vom Abteiliger Jutzeler ans Telephon gerufen. – Schreiben wir in unser Notizbuch, der Abteiliger Jutzeler sei zu fragen, ob eine männliche oder weibliche Stimme den Direktor verlangt habe… Das Telephon… Wo war das Telephon?…

      Studer stand auf, er ging zum Klavier hinüber, schlug einige Tasten an… Arg verstimmt, der Kasten!… Dann stieg er auf die Bühne – es kostete Mühe – und begann gebückt den Tisch zu umkreisen. In seinem dunklen Anzug, tief gebeugt, sah er aus wie ein riesiger Neufundländer, der eifrig eine Spur sucht. Er hob einen Zipfel des Tischtuches, bückte sich: Ein Kärtchen, blau, arg beschmutzt. Hulligerschrift… Eine brave Schülerinnenschrift… »Ich läut Dir dann um zehn Uhr an, Ueli. Wir gehn dann spaziren.« Spaziren ohne e… – Keine Unterschrift.

      Keine Unterschrift. Wenn das Kärtchen auch nicht gerade unter dem Armstuhl gelegen wäre, so wäre es dennoch nicht schwer zu erraten gewesen, für wen es bestimmt war.

      Wo war das Telephon? Studer stieg von der Bühne herab, sah sich um, und da entdeckte er in einer Nebenkammer den Apparat.

      Er war schwarz und hatte eine weiße Scheibe mit einstelligen Ziffern, von eins bis neun. Wie ein gewöhnlicher Apparat in der Stadt. In der Mitte der Scheibe stand die Nummer 49. Neben dem Telephon hing an der Wand eine Tabelle. In kleiner Druckschrift war an ihrem Fuße angegeben: »Alle rot gedruckten Nummern haben direkten Anschluß nach auswärts.«

      ›12 Direktor‹ war natürlich rot gedruckt, ›13 zweiter Arzt‹ auch, Verwaltungsbüro und so weiter. Aber die Nummern der Abteilungen waren schwarz. Wachsaal B (Männerseite) hatte Nummer 44. Und das Kasino mit Nummer 49 war auch schwarz gedruckt.

      Also – logische Feststellung: Der Herr Direktor Borstli war vom Innern der Anstalt aus ans Telephon gerufen worden. Wäre er von auswärts verlangt worden, hätte ihn der Portier Dreyer holen müssen und der Direktor hätte vom Direktionsbüro aus sprechen müssen oder von seiner Wohnung.

      Ein Meitschi hatte ihm angeläutet… »Ich läut Dir dann um zehn Uhr an, Ueli…« Um zehn СКАЧАТЬ