»Was nun?« frug Halef.
»Folgt mir nur!«
Dies war das erste Wort, welches ich seit gestern von ihm hörte. Er schritt auf die dem Strande zunächst gelegene Hütte zu. Ein alter Mann saß vor derselben.
»Sallam aaleïkum!«
»Aaleïkum.«
»Du bist Abdullah el Hamis, der Salzverwieger?«
»Ja.«
»Hast Du gesehen den Chabir Arfan Rakedihm aus Kris?«
»Er betrat bei Tagesanbruch mit einem fremden Manne das Land.«
»Was thaten sie?«
»Der Chabir ruhte bei mir aus und ging dann nach Bir Rekeb, um von da nach Kris zurückzukehren. Der Fremde aber kaufte sich bei meinem Sohne ein Pferd und frug nach dem Wege nach Kbilli.«
»Ich danke Dir, Abu el Malah!«
Er ging schweigend weiter und führte uns in eine Hütte, wo wir einige Datteln aßen und eine Schale Lagmi tranken. Dann ging es nach Beschni, Negua und Mansurah, wo wir auf unsere Erkundigungen überall in Erfahrung brachten, daß wir dem Gesuchten auf den Fersen seien. Von Mansurah ist es gar nicht weit bis zu der großen Oase Kbilli. Dort gab es damals noch einen türkischen Wekil, welcher unter der Aufsicht des Regenten von Tunis den Nifzaua verwaltete. Hierzu waren ihm zehn Soldaten zur Verfügung gestellt worden.
Wir begaben uns zunächst in ein Kaffeehaus, wo Omar nicht lange Ruhe hatte. Er verließ uns, um Erkundigungen einzuziehen, und kehrte erst nach einer Stunde zurück.
»Ich habe ihn gesehen.«
»Wo?«
»Beim Wekil.«
»Beim Statthalter?«
»Ja. Er ist sein Gast und trägt sehr prächtige Kleidung. Wenn Ihr mit ihm reden wollt, so müßt Ihr kommen, denn es ist jetzt die Zeit der Audienz.«
Mein Interesse war im höchsten Grade erregt. Ein steckbrieflich verfolgter Mörder war der Gast eines großherrlichen Statthalters!
Omar führte uns über einen freien Platz hinweg nach einem steinernen, niedrigen Hause, dessen Umfassungsmauern keine Spur von Fenstern zeigten. Vor der Thür desselben standen neun Nefers, welche vor einem Onbaschi exerzirten, während der Saka zuschauend an der Thür lehnte. Wir wurden ohne Widerstand eingelassen und von einem Neger um unser Begehr befragt. Er führte uns in das Selamlük, einen kahlwändigen Raum, dessen einzige Ausstattung in einem alten Teppiche bestand, der in einer Ecke des Zimmers ausgebreitet war. Auf demselben saß ein Mann mit verschwommenen Gesichtszügen, welcher aus einer uralten persischen Hukah Tabak rauchte.
»Was wollt Ihr?« frug er.
Der Ton, in dem diese Frage ausgesprochen wurde, behagte mir nicht. Ich antwortete daher mit einer Gegenfrage: »Wer bist Du?«
Er sah mich in starrem Erstaunen an.
»Der Wekil!«
»Wir wollen mit dem Gaste reden, welcher heut oder gestern bei Dir angekommen ist.«
»Wer bist Du?«
»Hier ist mein Paß.«
Ich gab ihm das Dokument in die Hand. Er warf einen Blick darauf, faltete es zusammen und steckte es in die Tasche seiner weiten Pumphosen.
»Wer ist dieser Mann?« frug er dann weiter.
»Mein Diener.«
»Wie heißt er?«
»Er nennt sich Hadschi Halef Omar.«
»Wer ist der andere?«
»Er ist der Führer Omar Ben Sadek.«
»Und wer bist Du selbst?«
»Du hast es ja gelesen!«
»Ich habe es nicht gelesen.«
»Es steht in meinem Passe.«
»Er ist mit den Zeichen der Ungläubigen geschrieben. Von wem hast Du ihn?«
»Von dem französischen Gouvernement in Algier.«
»Das französische Gouvernement in Algier gilt hier nichts. Dein Paß hat den Wert eines leeren Papieres. Also, wer bist Du?«
Ich beschloß, den Namen zu behalten, welchen mir Halef gegeben hatte.
»Ich heiße Kara Ben Nemsi.«
»Du bist ein Sohn der Nemsi? Ich kenne sie nicht. Wo wohnen sie?«
»Vom Westen der Türkei bis an die Länder der Fransezler und Engleterri.«
»Ist die Oase groß, in der sie leben, oder haben sie mehrere kleine Oasen?«
»Sie bewohnen eine einzige Oase, die aber so groß ist, daß fünfzig Millionen Menschen auf ihr wohnen.«
»Allah akbar, Gott ist groß! Es gibt Oasen, in denen es von Geschöpfen wimmelt. Hat diese Oase auch Bäche?«
»Sie hat fünfhundert Flüsse und Millionen Bäche. Viele von diesen Flüssen sind so groß, daß Schiffe auf ihnen fahren, die mehr Menschen fassen, als Basma oder Rahmath Einwohner hat.«
»Allah kerihm, Gott ist gnädig! Welch ein Unglück, wenn alle diese Schiffe in einer Stunde von den Flüssen verschlungen würden! An welchen Gott glauben die Nemsi?«
»Sie glauben an Deinen Gott, aber sie nennen ihn nicht Allah, sondern Vater.«
»So sind sie wohl nicht Sunniten, sondern Schiiten?«
»Sie sind Christen.«
»Allah iharkilik, Gott verbrenne Dich! So bist Du also auch ein Christ?«
»Ja.«
»Ein Giaur? Und Du willst es wagen, mit dem Wekil von Kbilli zu reden! Ich werde Dir die Bastonnade geben lassen, wenn Du nicht sogleich dafür sorgest, daß Du mir aus den Augen kommst!«
»Habe ich etwas gethan, was gegen die Gesetze ist oder was Dich beleidigt?«
»Ja. Ein Giaur darf sich niemals unterstehen, mir unter die Augen zu treten. Also wie heißt hier dieser Dein Führer?«
»Omar Ben Sadek.«
»Gut! Omar Ben Sadek, wie lange dienst Du diesem Nemsi?«
»Seit gestern.«
»Das ist nicht lange. Ich will also gnädig sein und Dir nur zwanzig Hiebe auf die Fußsohle geben lassen.«
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