Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada
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Название: Hans Fallada – Gesammelte Werke

Автор: Hans Fallada

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962813598

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СКАЧАТЬ klingt schon bes­ser«, sag­te Dr. Stie­bing freund­lich und nick­te.

      »Und wenn ich ges­tern die Kohl­sup­pe nur an­ge­ges­sen habe, so doch nur dar­um, weil mir sol­ches Es­sen ganz un­ge­wohnt ist. Si­cher«, setz­te ich ei­lig hin­zu, »war die Kohl­sup­pe sehr gut, aber zu Hau­se esse ich eben an­de­re Din­ge …«

      Bei­de sa­hen mich so auf­merk­sam an.

      »Und wenn ich ein biss­chen viel hin- und her­ge­lau­fen bin und kei­ne Ruhe ge­habt habe, so ist das in mei­ner Lage doch nur er­klär­lich. Wenn man eben über sein gan­zes Schick­sal im un­ge­wis­sen ist, wird man un­ru­hig. Über­haupt lau­fen alle Men­schen, die lan­ge war­ten müs­sen, auf und ab, das sieht man doch in je­dem War­te­zim­mer beim Zahn­arzt, auf den Gän­gen im Ge­richt …«

      »Schon gut, schon gut«, un­ter­brach mich der Arzt, ich hat­te aber das Ge­fühl, dass ich ihn nicht über­zeugt hat­te, und dass er lan­ge nicht al­les »schon gut« fand. »Und was ist mit der Ra­sier­klin­ge? Die ha­ben Sie ja ganz über­gan­gen!«

      Ich woll­te nicht rot wer­den – und doch … Nein, viel­leicht bin ich gar nicht rot ge­wor­den, bil­de es mir nur ein. Je­den­falls sag­te ich mit großer Fes­tig­keit: »Die Ra­sier­klin­ge habe ich nicht über­gan­gen, an die habe ich ein­fach nicht mehr ge­dacht. Ich habe hier nie eine Ra­sier­klin­ge ge­habt, wozu auch, wenn ich doch kei­nen Ap­pa­rat habe …« Vi­el­leicht stell­te ich mich zu sim­pel, viel­leicht dach­te auch der Arzt, dass der Be­schul­dig­te meist ge­gen eine ganz falsche Be­haup­tung am schärfs­ten pro­tes­tiert. Ich fand je­den­falls, dass schon die­se ein­lei­ten­de Be­spre­chung, bei der doch noch gar nicht von mei­ner Sa­che die Rede war, vol­ler Fal­len und Hin­ter­lis­ten steck­te.

      Dem Arzt aber war nicht an­zu­se­hen, was er von mei­nen Wor­ten dach­te. Ganz freund­lich sag­te er: »Je­den­falls ha­ben Sie, wie ich ge­hört habe, vor noch gar nicht lan­ger Zeit mit Trin­ken an­ge­fan­gen, da wer­den die Absti­nen­zer­schei­nun­gen ja gar nicht so hef­tig ge­we­sen sein. Sie wa­ren ja vor­her auch noch in der Un­ter­su­chungs­haft …«

      »Ja«, sag­te ich, »und je­den Tag habe ich dort auf dem Holz­hof ge­ar­bei­tet – ich habe mich frei­wil­lig zu die­ser Ar­beit ge­mel­det –, und fra­gen Sie je­den Wacht­meis­ter, ob ich nicht ge­nau­so viel wie je­der an­de­re ge­ar­bei­tet habe, und ich bin doch sol­che Ar­beit ei­gent­lich gar nicht ge­wöhnt.«

      »Sie ha­ben dann aber ziem­lich kräf­tig ge­trun­ken?«, frag­te mich der Arzt und schi­en nicht ge­son­nen, nach der Güte mei­ner Holz­ar­beit Er­kun­di­gun­gen ein­zu­zie­hen. »Man kann wohl sa­gen: sehr kräf­tig?«

      »Ei­gent­lich nie mehr, als ich ver­tra­gen konn­te!«, ver­si­cher­te ich. »Ich habe nie ge­tau­melt, Herr Me­di­zi­nal­rat, und bin nie hin­ge­fal­len.«

      Ei­nen Au­gen­blick muss­te ich an jene Sze­ne den­ken, wie ich mich im­mer wie­der un­ter Eli­nors Fens­ter am Dachrand hat­te hoch­zie­hen wol­len und im­mer wie­der rück­lings in die Bü­sche ge­stürzt war. Und gleich er­schi­en eine zwei­te Sze­ne vor mei­nem in­ne­ren Auge, die so­gar der Me­di­zi­nal­rat selbst be­ob­ach­tet hat­te, wie ich wirk­lich ziem­lich stern­ha­gel­voll mit ei­ni­gen eben­so be­trun­ke­nen Dorf­be­woh­nern ran­da­lie­rend am Schen­ken­tisch ge­ses­sen, wie ich beim Hin­aus­ge­hen fast ge­fal­len war, wie mich Dr. Mans­feld zum Auto hat­te füh­ren müs­sen … ›Das hät­te ich nicht be­haup­ten dür­fen‹, dach­te ich ver­zwei­felt. ›Das war falsch. Das ent­wer­tet mei­ne an­de­ren, wirk­lich ab­so­lut wah­ren Aus­sa­gen!‹ Aber ich ver­bot mir, dar­an zu den­ken, ich woll­te auch den Me­di­zi­nal­rat hin­dern, dar­über lan­ge nach­zu­den­ken, des­halb fuhr ich rasch fort: »Je­den­falls bin ich bei je­ner Sze­ne mit mei­ner Frau, die mir zu­erst als Mord­ver­such aus­ge­legt wor­den ist, bei kla­rem Be­wusst­sein ge­we­sen. Ich wuss­te ge­nau, was ich tat, und ich tat kein biss­chen mehr, als ich tun woll­te. Und ich hat­te vor­her wirk­lich ver­hält­nis­mä­ßig we­nig ge­trun­ken.«

      »Ja, mein Lie­ber«, sag­te der Arzt, plötz­lich fast spöt­tisch lä­chelnd, »un­ser bei­der An­sich­ten von We­nig­trin­ken schei­nen ein we­nig weit von­ein­an­der ent­fernt. Zäh­len Sie mir doch mal auf, was Sie so im Durch­schnitt täg­lich ge­trun­ken ha­ben, so­weit Sie sich dar­an er­in­nern na­tür­lich.«

      Ich dach­te an Mord­horst, und wie er mei­ne tö­rich­te Wahr­heits­lie­be ge­ta­delt hat­te, dass ich vor dem Rich­ter so ein­ge­hen­de An­ga­ben über mei­nen Schnaps­ver­brauch ge­macht hat­te. Ich über­leg­te, ob der Arzt wohl schon die­se Ak­ten zur Ein­sicht er­hal­ten hat­te, und ent­schied, dass das wohl kaum der Fall war, da noch kein Gut­ach­ten von ihm an­ge­for­dert war. Den­noch be­schloss ich, sehr vor­sich­tig zu sein, nicht zu viel zu schwin­deln, doch aber einen mög­lichst gu­ten Ein­druck zu er­zie­len. Bis­her hat­te ich kei­nen großen Er­folg mit mei­nen An­ga­ben ge­habt, das war klar. Al­les aber kam dar­auf an, von An­fang an einen gu­ten Ein­druck auf den Arzt zu ma­chen: Hat man bei ei­nem Men­schen erst ein­mal ge­won­nen, so ha­ben es nach­fol­gen­de, selbst ganz un­güns­ti­ge Nach­rich­ten schwer, die­sen ers­ten gu­ten Ein­druck zu er­schüt­tern. So über­leg­te ich, und so rich­te­te ich auch mei­ne Aus­sa­ge ein. Fast nie hät­te ich mehr als eine Fla­sche am Tage ge­trun­ken, aber meis­tens we­ni­ger … Was ich in der Schen­ke ver­zehrt, wüss­te ich nicht mehr so ge­nau, weil ich dort aus klei­nen Glä­sern und auch man­cher­lei durch­ein­an­der­ge­trun­ken, für an­de­re mit be­zahlt hät­te, gab ich an.

      Der Arzt hör­te mei­nen et­was weit­schwei­fi­gen Be­richt, das Ge­sicht in die Hand ge­stützt, fast schwei­gend an, nur sel­ten eine kur­ze Fra­ge ein­wer­fend. Schließ­lich, als ich nichts mehr zu sa­gen wuss­te, sag­te er: »Wie ge­sagt, es ist noch kein Gut­ach­ten von mir ein­ge­for­dert, wir ha­ben uns erst ein­mal nur ein biss­chen un­ter­hal­ten, um ein­an­der ken­nen­zu­ler­nen. Ma­chen Sie sich aber von dem Ge­dan­ken frei, Som­mer« (Som­mer! Nicht mehr »Herr« Som­mer), »dass Ihre Be­rich­te über das Ge­we­se­ne Ihr Schick­sal in die­sem Hau­se ent­schei­dend be­ein­flus­sen kön­nen. Über Ihre Zu­kunft ent­schei­det al­lein Ihr Wil­le, stark zu sein und Ver­su­chun­gen wie den frü­he­ren zu wi­der­ste­hen …« Er sah mich ernst an.

      Ich bin nicht sehr schlag­fer­tig, ja ich bin wohl ein et­was lang­sa­mer Den­ker, so nick­te ich eif­rig be­ja­hend und mei­nen Bes­se­rungs­wil­len be­teu­ernd. Erst zehn Mi­nu­ten spä­ter, in mei­nem Bett, wur­de mir klar, dass der Arzt mit die­sem Satz mei­ne Aus­sa­gen ei­gent­lich als Lü­gen ge­brand­markt hat­te – ach nein, nicht nur ei­gent­lich. Na­tür­lich hat­te er die Ak­ten schon in der Hand ge­habt und dort ge­le­sen, wie ich fast für je­den Tag ge­naue An­ga­ben über mei­nen Schnaps­ver­brauch ge­macht hat­te, sehr we­sent­lich hö­he­re An­ga­ben als heu­te. Aber da war es für den »gu­ten ers­ten Ein­druck« end­gül­tig zu spät.

      Jetzt reich­te mir der Me­di­zi­nal­rat je­den­falls freund­lich die Hand und sag­te: »Also, wir spre­chen uns wie­der. Ich las­se Sie ho­len. Gute Nacht, Herr Som­mer!«

      Ich woll­te schon ge­hen, da frag­te der Ober­pfle­ger: СКАЧАТЬ