Название: Butler Parker Jubiläumsbox 6 – Kriminalroman
Автор: Günter Dönges
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Butler Parker
isbn: 9783740931360
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Im Haus blieb alles unheimlich ruhig. Die Chinesin May Hing hatte sich kurz nach der Begrüßung zurückgezogen. Sie hatte sich mit Randers Erklärung zufrieden gegeben, Miss Morefields Verwandte hätten ihn in geschäftlichen und persönlichen Dingen nach Hongkong geschickt.
Mike Rander zuckte zusammen.
Um ein Haar hätte er sogar einen Schrei ausgestoßen, denn, wie aus dem Boden gewachsen, stand vor ihm ein breitschultriger Chinese, der ihn aus unergründlichen dunklen Augen forschend ansah. Dieser Chinese setzte einen kleinen Tisch vor Rander nieder. Auf diesem Tisch standen eine Karaffe Fruchtsaft, eine Flasche Gin und ein Syphon.
Ohne ein Wort zu sagen, verbeugte sich der Chinese mehrmals, schritt rückwärts davon und verschwand hinter einer Tür aus Glasperlenschnüren. Rander schnappte hörbar nach Luft und genierte sich nicht, sich den Schweiß von der Stirn zu wischen.
Er hatte Durst.
Nur zu gern hätte er sich etwas erfrischt, doch er riskierte es nicht. Er hatte Angst, eingeschläfert zu werden. Zuviel von gedopten Getränken schwirrten ihm im Kopf herum. Er dachte an Opium, an Haschisch und an Drogen, die ihm als Amerikaner unbekannt waren. Er begnügte sich mit einer Zigarette, schlug die Beine übereinander und wartete geduldig. Insgeheim bedauerte er es, seinen Butler nicht mitgenommen zu haben. Parker hätte sich von dieser bedrohenden, unheimlichen Atmosphäre ganz gewiß nicht beeinflussen lassen.
In der Halle roch es nach verbrannten Räucherstäbchen, ein süßlich, schweres Aroma, das sich auf die Lungen legte. Rander stand auf, trat an eines der beiden breiten Fenster, die einen weiten Blick auf die See gestatteten. Auf dem Wasser war schon nichts mehr zu erkennen. Die Dunkelheit verschluckte alle Einzelheiten.
»Mr. Rander …?«
Wie ein ertappter Dieb drehte der Anwalt sich um. Vor ihm stand die junge, mandeläugige Chinesin, die ihn höflich und distanziert ansah und lächelte. Sie hatte es verstanden, sich unhörbar zu näheren.
»Nachrichten von Miss Morefield?« fragte Rander sofort.
»Nein, wieso? Sie rief ja bereits an«, antwortete May Tai Hing. »Bis sie eintrifft, werden Sie sich noch etwas gedulden müssen. Wenn Sie erlauben, Sir, leiste ich Ihnen etwas Gesellschaft.«
»Aber sehr gern.« Randers Befangenheit wich. Er wies einladend auf die Sesselgruppe unterhalb der Fenster. Arbeiten Sie schon lange für Miss Morefield?«
»Seit drei Wochen«, gab die Chinesin zurück.
»Darf ich einige Fragen stellen?« holte Rander nach.
»Hoffentlich kann ich sie beantworten«, gab May Tai Hing zurück.
»Meine Fragen bestimmt«, sagte Rander lächelnd. »Sind Sie darüber informiert worden, daß Miss Morefield ihren Vermögensverwalter aus den Staaten erwartete?«
»Davon ist mir nichts bekannt.«
»Wüßten Sie davon, wenn es so wäre?«
»Selbstverständlich. Ich erledige alle Post.«
»Ich möchte annehmen, daß Sie einen ruhigen Job haben, oder? Viel wird’s doch nicht sein, was an geschäftlichen Dingen zu erledigen ist, oder?«
»Ich glaube, da irren Sie sich, Mr. Rander. Es gibt sogar sehr viel zu tun.«
»Soll das heißen, daß Miss Morefield sich hier geschäftlich betätigt?«
»Natürlich. Miss Morefield ist doch Teilhaberin einer Kleiderfabrikation Sie wissen das nicht?«
May Tai Hing sah Mike Rander mißtrauisch und abschätzend an. Sie wunderte sich, daß der Anwalt nicht orientiert war.
»Ich hatte keine Ahnung«, räumte Rander ein. »Kleiderfabrikation? Wie heißt denn die Firma? Oder ist das ein Geheimnis?«
»Keinesfalls. Die Firma ist bei der Handelskammer registriert und sehr aktiv. Miss Morefield hat einen Aufsichtsratsposten übernommen. Sie beabsichtigt, Damenkleider chinesischen Zuschnitts drüben in den Staaten populär zu machen.«
»Und der Name dieser Firma?«
»Hongkong Silk and Cotton Company. Ich möchte privat dazu sagen, Sir, daß Miss Morefield gut gewählt hat.«
»Oh, jetzt verstehe ich, warum Sie seit drei Wochen nichts mehr von sich hören ließ. Ihre Verwandten in den Staaten waren sehr beunruhigt.«
»Sind Sie deswegen geschickt worden, Sir?«
»Und wegen der Geldabhebungen.«
»O ja, ich weiß. Miss Morefield brauchte natürlich Betriebskapital. Darf ich eine Gegenfrage stellen?«
»Selbstverständlich.«
»Soviel ich weiß, ist Miss Morefield doch die alleinige Erbin des Familienvermögens.«
»Das stimmt.«
»Wieso kümmern sich dann die Verwandten darum, was sie mit ihrem Geld tut? Woher wissen die Verwandten, welche Kontenbewegungen vorgenommen werden?«
»Eine verflixt treffende Frage«, antwortete Mike Rander. »Um ehrlich zu sein, Miss May, darauf kann ich nicht antworten.«
»Die Verwandten fürchten wohl, Miss Morefield könne erpreßt werden, nicht wahr?«
»Jetzt treffen Sie den Nagel auf den Kopf. Sagen Sie, Miss May, woher stammt Ihr ausgezeichnetes Englisch?«
»Ich habe in Los Angeles ein College besucht und längere Zeit in Florida gelebt.«
»Sie kennen Miss Morefield von früher her?«
»Nein, ich lernte sie hier in Hongkong kennen. Um Ihren Verdacht zu zerstreuen, Mr. Rander, Miss Morefield wird weder erpreßt noch gefangengehalten. Lassen Sie es sich von ihr selbst sagen.«
»Klingt alles recht gut«, gestand Mike Rander. »Nur gibt es da einige Dinge, die nicht in das allgemeine Bild passen.«
Sie antwortete nicht, sondern sah ihn nur fragend an.
»Der Vermögensverwalter, Mr. Larry Crofton, wurde gleich nach der Landung seiner Maschine ermordet«, redete der junge Anwalt weiter. »Mein Butler und ich wurden vor das Ultimatum gestellt, bis morgen Hongkong zu verlassen. Einigen Leuten hier in Hongkong scheint es nicht zu passen, daß wir uns mit Miss Morefield in Verbindung setzen wollten und noch immer wollen.«
»Wer sollte Sie denn bedroht haben?« fragte May Tai Hing erstaunt.
»Die Gelben Drachen, falls Sie von dieser Gang schon mal gehört haben.«
May Tai Hing stand abrupt auf. Sie war sehr überrascht. Der Hinweis auf die Gelben Drachen schien ihr Angst und Entsetzen einzuflößen.
»Was ist?« fragte Rander und stand ebenfalls auf.
»Ich СКАЧАТЬ