Название: Detektiv Asbjörn Krag: Die bekanntesten Krimis und Detektivgeschichten
Автор: Sven Elvestad
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027212743
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»Wir haben doch Geld genug,« sagte er endlich sehr leise, »in der Truhe oben.«
»Geld, wir?« fiel sie scharf ein, es klang wie ein Schrei. »Nennst du das unser Geld! Das ist Geld, das einmal seine große Bestimmung erfüllen wird. Warum siehst du mich so an?« fragte sie plötzlich. »Hast du ein schlechtes Gewissen? Dein Blick weicht in letzter Zeit immer aus.«
Wieder stand sie da, die Hände vorgestreckt wie Krallen.
»Ich?« sagte der Mann zögernd. Er wandte sich ihr zu und hielt ihrem Blick stand, aber nur für eine Sekunde.
»Ich fange an, mich vor dir zu fürchten«, flüsterte er und wandte sich von ihr ab. Er schob den Riegel von der großen Tür zurück, um zu öffnen.
»Auch bei Tag?« fragte sie und lachte spöttisch. »Kannst du mit deiner Furcht nicht bis zur Nacht warten? In der Dunkelheit werden die bösen Taten vollbracht.«
Johannes schob die großen Türhälften zurück. Dort unter der Brücke lagen die Boote des Fährhauses dicht nebeneinander. Der Fluß strömte langsam und mächtig vorbei.
Im Gehen rief er zurück:
»Ich muß nach den Booten sehen.«
Kaisa trat in die Türöffnung und betrachtete den Mann, der sich unten an den Booten zu schaffen machte. Von Zeit zu Zeit hielt Johannes in seiner Arbeit inne und blieb nachdenklich mit hängendem Kopf auf der Ruderbank sitzen. Wieder lachte Kaisa.
Johannes hörte das höhnische Gelächter, aber blickte nicht auf. Vielmehr wandte er sein Gesicht dem Fluß zu. Die Schneeschmelze oben auf den Höhen hatte begonnen, der Fluß war in den letzten paar Tagen breiter geworden und hatte eine stärkere Strömung, es war ein hartes Stück Arbeit, ihn mit einem Ruderboot zu passieren. Auf dem anderen Ufer des Flusses erstreckte sich das Flachland weit hinein bis zu einem blauen Bergfirst, quer durch das Land dehnte sich der Fahrweg zwischen einer Lindenallee, deren Zweige unmerklich schwankten, wie von dem Lichtstrom bewegt, der sich funkelnd die ganze Allee hindurch abzeichnete. Am jenseitigen Ufer zog sich ein Schilfgürtel hin, und tief im Schilf war die Bootbrücke mit der Pferdefähre vertaut. So war die Landschaft hier unten rings um das Fährhaus.
Der junge Sigvard kam in das Schankzimmer und fragte nach Ann-Mari.
»Sie ist heute bei ihrer Arbeit,« sagte Kaisa unwirsch, »sie kann nicht Tag und Nacht herumstrolchen.«
»Du sollst nicht böse gegen Ann-Mari sein, Kaisa«, sagte Sigvard mit dem Ernst eines Erwachsenen, der wunderlich von seiner Jugend abstach. »Es gibt hier kein Mädel, das flinker bei ihrer Arbeit ist.«
»Sieh mal einer an, wie das Fröschlein quaken kann!« lachte Kaisa einschmeichelnd, und Sigvard fuhr wie von einem Frostschauer geschüttelt zusammen.
»Ich komme aus dem Bethaus«, sagte er nach einer kleinen Pause.
»Na, was heulen denn die dort?
»Der neue Pfarrer spricht von euch, Kaisa, und vom Wirtshaus. Er sagt, der Teufel hat seine Wohnstatt in diesem alten Hause aufgeschlagen. Und der Geist des Teufels hat auch von den Menschen Besitz ergriffen. Dieses Wirtshaus ist die Kirche des Teufels, sagt der Pfarrer. Von hier wirft der Satan sein Netz aus. Dieses Netz ist die falsche Lebensfreude. Es funkelt in den Maschen von dem blutigen Schweiß der Unglücklichen und den Tränen der Witwen. Es war schön.«
»Schön?« fragte Kaisa, indem sie mit ihren krummen Fingern auf die Treppe und den Fluß wies. »Aber du suchst ja auch dein Tagewerk hier im Netz des Teufels, obwohl du der Sohn eines Großbauern bist und es nicht nötig hättest.«
»Jaja«, sagte Sigvard sanftmütig. »Das weiß ich schon, aber ich finde doch, es war so schön gesagt. Es war, als könnte ich die Worte in meinem Herzen hören.«
Kaisa stand eine Weile still, und ihre Augen waren voll Gram.
»Vielleicht hat er trotz alledem recht, der neue Pfarrer,« sagte sie leise, »da wo der Allmächtige zurückweicht, macht er dem Teufel Platz. Menschen, die von Gott verlassen sind, werden leicht die Beute des Bösen. Aber der Böse ist auch ein mächtiger Herr. Wir werden sehen.«
Im selben Augenblick öffnete sich die Straßentür, und der fremde Gast trat ein. Er rief einen guten Morgen in die Stube und versuchte fröhlich zu lächeln, aber es wurde nur ein ängstliches, verlegenes Lächeln. Er hustete und zog seinen grauen Mantel über der Brust zusammen. Seine Wangen waren blaß, Haar und Bart ungepflegt, als hätte er sich am Morgen nicht gewaschen.
»Friert Ihr?« fragte Kaisa. »Dann kann Sigvard einheizen.«
Der Fremde warf einen scheuen Blick auf die Feuerstelle, in der nur ein paar halbverbrannte Klötze vom vorigen Abend lagen.
»Ja, danke«, erwiderte er. »Ich friere wirklich. Seltsam. Ich bin die ganze Zeit in der Sonne gegangen, aber der Sonnenschein erwärmt mich nicht. Es ist, als bliese er nur kühl durch mich durch, ohne zu wärmen.«
Er setzte sich an den großen Tisch und rieb sich die langen frostigen Handflächen.
Kaisa verschwand in die Küche, wo sie ärgerlich und ungeduldig nach Ann-Mari rief. Der Fremde fragte:
»Kommt der Lotsenälteste auch heute abend her?«
»Wahrscheinlich«, antwortete Sigvard vom Kamin her. »Er heißt übrigens Andersen.«
»Andersen, soso.«
»Wissen Sie das nicht? Und er kommt jeden Sonnabend und Sonntag her.«
»Dann treffe ich ihn wohl.«
Sigvard warf zaghaft hin:
»Sie sind wohl so lange in den heißen Ländern gewesen, daß Sie hier oben beständig frieren müssen.«
»Im Süden sind die Häuser aus Stein gebaut,« antwortete der Fremde, »und es gibt dort unten manche, die eine stete, unausrottbare Kälte in ihren Mauern haben, wie Grabkammern. Grabkammern werden immer kälter. Vielleicht mit jedem Jahrzehnt nur ein wenig, ganz unmerklich wenig kälter, aber doch kälter, in alle Ewigkeit immer kälter und kälter.«
Ann-Maris Stimme rief aus der Küche nach Sigvard, und er ging sogleich zu ihr hinaus. Bald kamen die beiden wieder herein. Ann-Mari deckte den obersten Teil des Tisches, an dem der Fremde saß, Sigvard blieb daneben stehen und wartete, ein Kaffeeservice behutsam in den Armen haltend. Sowie das Tuch mit großer Sorgfalt ausgebreitet war, machte Sigvard Miene, die Kaffeekanne niederzustellen, aber Ann-Mari hielt ihn mit einem vorwurfsvollen Blick zurück, eine ärgerliche Röte stieg ihr in die Wangen – wie konnte er sich erlauben! Ein Stück nach dem andern nahm sie ihm aus den Armen, Tassen, Teller, Butter und die Kanne, es war, als nehme sie alles von einem stummen Diener, hier waren die Arbeitsgebiete schon streng abgegrenzt. Sie deckte den Tisch zierlich mit weiblicher Anmut, und als Sigvard linkisch mit dem leeren Brett stehenblieb, drehte sie ihn um und schob ihn sanft beiseite, beunruhigt von dem Gedanken, daß seine Täppischkeit ihr Schande machen könnte. Er trabte mit dem Brett in die Küche hinaus, in seinen Bewegungen einem großen jungen Hund nicht unähnlich.
Der Fremde aß nicht viel. Er saß die ganze Zeit da und beschattete die Augen mit der einen Hand. Das blendende СКАЧАТЬ