Название: Im Sonnenwinkel Staffel 2 – Familienroman
Автор: Patricia Vandenberg
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Im Sonnenwinkel Staffel
isbn: 9783740914325
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Sie brachten die alte Dame heim. Rechts stützte sie Dorrit, links Eric. Ihn bewegte die Frage, ob es richtig war, dass man diesen geistesgestörten alten Mann sich selbst überließ.
»Er ist nicht gemeingefährlich«, erklärte seine Mutter auf diese Frage.
»Aber deinen Worten, die du zu ihm gesprochen hast, muss ich doch entnehmen, dass er schon mehrere Menschen erschreckt hat«, murmelte er.
»Erschreckt wohl, aber er wollte ihnen nichts antun. Er ist von Kindheit an zurückgeblieben, ohne jedoch total verblödet zu sein. Er war anstellig, aber zu einem gewissen Zeitpunkt blieb sein Denkvermögen stehen. Er lebt immer noch in dieser Zeit. Sie hörte vor etwa fünfzig Jahren für ihn auf, während sie für uns fortschritt. Er war übrigens Knecht bei Titus Grossmann.«
»Grossmann, den Namen habe ich heute doch schon einmal gehört«, murmelte Eric.
Sie hatten wohl beide vergessen, dass Dorrit alles mit anhörte.
»Freddy wird ihn genannt haben«, bemerkte Mary-Ann schon wieder ruhiger. »Er will Evi Grossmann heiraten.«
»Ich konnte mich noch nicht damit befassen«, erklärte Eric Ride. »Ich habe ihm gesagt, er soll sie heiraten und mit ihr nach Australien gehen.«
»Für dich scheint das sehr einfach zu sein«, meinte sie rätselhaft.
»Warum nicht? Er will sie haben, er soll sie bekommen. Ich lege ihm nichts in den Weg.«
»Du konzentrierst dich auf Jacky«, sagte sie mit leiser Bitterkeit.
»Sie ist ein Kind. Freddy und Tracy sind erwachsen«, stellte er fest.
»Ich billige ihnen Handlungsfreiheit zu.«
»Sie haben vielleicht auch Sorgen, mit denen sie allein nicht fertig werden«, flüsterte sie.
»Meinst du, dass ich dann nicht für sie da wäre, Mutter?«, entgegnete er. »Du verkennst mich.«
Plötzlich wurde es ihm bewusst, dass Dorrit bei ihnen war.
»Warum sind Sie allein in den Wald gegangen, Miss Maxwell?«, fragte er.
»Die Nacht war so schön, der Wald so verlockend«, erwiderte sie leise. »Es tut mir leid, dass ich diesen Zwischenfall ausgelöst habe.«
»Nonsens«, sagte Mary-Ann, »dann wäre ich es eben gewesen. Ja, dieser Wald und die Burg da droben besitzen eine magische Anziehungskraft. Eigentlich ist alles so gelieben, wie es vor langer Zeit war, nur der Sonnenwinkel und Erlenried sind dazugekommen. Es ist gut, dass neues Leben erblüht. Früher war es hier sehr einsam«, fuhr sie gedankenvoll fort. Doch da hatten sie das Haus erreicht. »Ich denke, wir sollten auf den Schrecken hin noch ein Glas Wein trinken«, schlug sie vor. »Bitte, machen Sie mir die Freude, Miss Dorrit. Schlafen können wir wohl alle nicht.«
*
Sie saßen vor dem Kamin, in dem Eric das Feuer entzündet hatte. Über ihnen war das Bild Albrechts von Riedings, des Letzten dieses Namens, der ihn voller Stolz getragen hatte, mit einer gewissen Verachtung für die anderen, mit einem Hochmut, der heute unbegreiflich war.
Mary-Ann hob ihr Glas zu dem Bild empor.
»Ruhe in Frieden, Albrecht«, sagte sie leise. »Du wusstest wirklich nicht, was du tatest.«
»Willst du dich nicht erklären, Mutter?«, fragte Eric.
Sie schüttelte leicht den Kopf.
»Wenn ich störe …«, begann Dorrit, doch die Ältere fiel ihr ins Wort.
»Sie stören nicht, mein Kind«, entgegnete sie rau. »Sie sind so selbstlos, wie dieser Mann egoistisch war. Glücklich wurde er nicht. Ihnen wünsche ich, dass Sie sehr glücklich werden, obgleich Sie keine guten Erinnerungen mitnehmen können.«
»O doch, das werde ich«, erwiderte Dorrit leise. »Ich durfte Sie kennenlernen. Dieser alte Mann hätte mich nicht erschreckt, wäre es nicht so dunkel gewesen. Er war so hilflos. Er tat mir leid, als er auf der Erde kniete und so voller Angst war.«
»Er hatte fünfzig Jahre Angst, endlose Angst, weil die Zeit für ihn nicht fortschritt. Ich möchte nicht wissen, wie oft er da droben im Wald herumirrte, um nach Erlenhof zu gelangen. Ach, lassen wir das jetzt. Miss Dorrit verlässt uns morgen, und sie soll diese düstere Stunde nicht in Erinnerung behalten. Trinken wir darauf, dass alles ein gutes Ende nimmt.«
Alles – wie viel war in diesem Wort enthalten?
*
Am nächsten Morgen brachen Mary-Ann Ride und Dorrit Maxwell früh auf.
Eric kam, um sich zu verabschieden. Er verneigte sich tief vor Dorrit.
»Ich hoffe doch, dass wir uns wiedersehen«, erklärte er. »Ich will Sie nicht entlohnen, ich möchte Ihnen danken.«
»Ich wünsche Ihnen viel Glück, Mr Ride«, sagte sie verhalten.
Ruhig, als hätte sie nicht eine schlaflose Nacht hinter sich, steuerte Mary-Ann den Wagen nach Hohenborn.
»Sie sind bewundernswert«, konnte Dorrit sich nicht versagen festzustellen.
»Guter Gott, warum denn? Ich lebe, und solange ich lebe, möchte ich auch dabei sein und das Alter nicht resigniert betrachten.«
»Es kommt auf das Herz an, und Ihr Herz ist jung«, bemerkte Dorrit.
»Schade, dass wir nicht viel mehr Zeit füreinander hatten«, äußerte Mary-Ann bedauernd. »Ich würde Sie gern noch besser kennenlernen. Bitte, kommen Sie doch noch einmal zum Erlenhof zurück.«
Dorrit schüttelte leicht den Kopf.
»Nein, ich glaube, es ist besser, ich erstatte Ihnen schriftlich oder telefonisch Bericht.«
Mary-Ann ging nicht darauf ein.
»Ich rechne noch mit Komplikationen«, fuhr sie fort. »Jacky hat einen richtigen Vater, und dieser ist am Leben. Ob man ihn erreichen konnte, ob er kommt und Interesse an dem Kind zeigt, ist eine andere Frage. Aber vielleicht könnte man ihn mit einem angemessenen Betrag veranlassen, auf das Kind zu verzichten. Ich werde Ihnen für alle Fälle einen Blankoscheck mitgeben, Dorrit.«
»Einen Blankoscheck? O nein!« Sie hob abwehrend die Hand. »Sie kennen mich kaum, Mrs Ride. Ich könnte damit durchbrennen.«
»Sie brennen nicht durch«, stellte die alte Dame gelassen fest.
»Danke für die gute Meinung. Aber es gäbe noch andere Möglichkeiten, die mir recht gefährlich erscheinen. Ich könnte ihn verlieren, er könnte mir gestohlen werden. Nein, es wäre mir in jedem Fall zu unsicher.«
»Sie sind sehr vorsichtig und sehr zuverlässig, Dorrit. Das gefällt mir. Sie könnten einen verantwortungsvollen Posten bekleiden, der Sie mehr ausfüllt als Ihre bisherige Tätigkeit. Lassen Sie es sich einmal durch den Kopf gehen.«
Es war ein verlockendes Angebot, für die Rides arbeiten zu können. Aber das wollte Dorrit sich wirklich lieber durch den Kopf gehen СКАЧАТЬ