Название: Karin Bucha Staffel 2 – Liebesroman
Автор: Karin Bucha
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Karin Bucha Staffel
isbn: 9783740911492
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Stolz trägt Frau Christine ihr Enkelkind auf ihren Armen, und etwas benommen folgt ihr Magda.
Sie steigen die nach dem ersten Stock führenden Stufen empor; es ist der Weg, den Magda unzählige Male im Traume gegangen ist, wenn die Sehnsucht nach der Heimat sie bis in den Schlaf hinein verfolgte.
Vor der Tür zu Magdas früherem Zimmer bleibt Frau Christine stehen und sagt mit einem lieben Lächeln um die Lippen:
»Es ist dir doch recht, Magda, wieder in die dir vertraute Umgebung einzuziehen?«
Magda nickt nur; zu sprechen vermag sie nicht. Sie ist überwältigt von der Feierlichkeit und der großen Anteilnahme aller anläßlich ihrer Heimkehr auf den Birkenhof.
Die Hand auf das hämmernde Herz gedrückt, überschreitet sie die Schwelle ihres einstigen Mädchenzimmers. Da stehen alle die vertrauten, ihr so lieben Gegenstände noch an ihrem alten Platz.
An einer Stelle bleiben Magdas Augen haften, werden starr und weit. Ihrem Bett gegenüber steht die seit Generationen im Besitz der Familie Lorenz befindliche Wiege.
Man läßt ihr das Kind? Man hat es nicht zu dem jungen Paar gebettet? – Hier darf sie sich ungestört mit dem Buben beschäftigen, kann ihn nach Herzenslust liebkosen, wenn keine fremden Augen auf ihr ruhen; hier kann sie nichts als liebende Mutter sein.
Damit verliert sich auch der letzte Argwohn, der bis zu diesem Augenblick noch in ihr war.
Die bisher mühsam zurückgehaltene Erregung droht ihr fast die Brust zu sprengen.
Jetzt löst sich die Spannung, und haltlos schluchzend liegt sie lachend und weinend an dem Herzen der Frau, die ihr eine wahre Mutter ist.
»Tante Christine, mein Mütterchen! Das ist dein Werk! Kaum vermag ich dir dafür zu danken, weil ich nicht in Worte fassen kann, was mich bewegt.«
»Du sollst nichts anderes als dich wohlfühlen bei uns, so wohl wie einst als Kind. Du sollst wissen, daß ihr beide zu uns gehört. Das Recht über den Jungen wollen wir dir nicht nehmen.
Die Mutter des Kindes bist du und wirst dir die Verehrung und Liebe aller Bewohner des Birkenhofes gefallen lassen müssen!«
*
Seit Klein-Hanno auf dem Birkenhof eingezogen ist, verläuft das Leben in Eintracht und Harmonie, wie zu des alten Hartmut Lorenz’ Zeiten.
Das Weihnachtsfest war heuer schöner denn je.
Überall sah man zufriedene Mienen, denn diesmal waren die Geschenke besonders reichlich ausgefallen. In ungezwungener Fröhlichkeit haben die Leute nach der Bescherung den Weihnachtsabend begangen. Ihr Lachen und ihre Lieder drangen herüber bis in das Herrenhaus, wo es nicht minder fröhlich zuging. Dafür sorgte schon Doktor Urban, der sich als Vertrauter der Familie besondere Rechte auf dem Birkenhof erworben hat. –
Auch Frau Aline lebt noch einmal auf. Aber es ist nur ein letztes Aufflackern ihres verlöschenden Lebenslichtes. Es scheint, als habe die Inbrunst, mit der sie den Einzug des Kindes herbeisehnte, ihre letzten Kräfte aufgezehrt.
Vor dem Neujahrstage bittet sie Magda und Hanno zu sich. Lange sieht sie beide schweigend an, nimmt dann ihre Hände und legt sie über ihrem Bett ineinander.
»Ich habe euch, dir, Magda, und auch dir, Hanno, einmal sehr weh getan – verzeiht mir! Ihr müßt mir versprechen, nach meinem Tode ein neues Leben zu beginnen. Glücklicher, als ich es sein konnte, sollt ihr beide miteinander werden!«
Ihre Stimme ist nur noch wie ein Hauch.
Hanno und Magda sind tief ergriffen. Kein Laut kommt über ihre Lippen.
»Bringe mir noch einmal Klein-Hanno und Christinchen, Magda!« bittet sie nach einer längeren Pause, und Magda eilt schon davon. Ihre Hände zittern vor Erregung; sie nimmt die friedlich schlummernden Kinder, preßt sie liebevoll an sich und bringt sie der Sterbenden.
Alines fieberglänzende Augen liebkosen den Jungen wie ihr Mädchen, und ein verklärtes Lächeln liegt auf ihrem Antlitz, als sie dann mit geschlossenen Lidern und einem tiefen Atemzug zurücksinkt.
Aline dämmert vor sich hin. Nur manchmal schlägt sie die Augen auf; groß und verständnisinnig gleiten sie dann über die Anwesenden und suchen Hanno.
Der läßt ihre Hand nicht aus der seinen. Dieses langsame Sterben greift ihm ans Herz, und sein ganzes Denken gilt zu dieser Stunde Aline.
Als die Glocken die erste Stunde des neuen Jahres einläuten, da hat das alte Jahr auch den letzten Atemzug Alines mit sich genommen.
»Ich – habe – dich – sehr – geliebt – Hanno!« Mit diesem letzten Bekenntnis auf den Lippen ist sie hinübergeschlummert.
Die einst so launenhafte, herrschsüchtige Frau hat sich in den Tagen ihrer Krankheit viele Freunde erworben, und mit ihrer letzten guten Tat, der Vereinigung Hannos und Magdas, hat sie sich bei beiden ein gutes Andenken gesichert.
Sie hinterläßt keine große Lücke, aber der Schmerz über ihr Dahinscheiden ist ehrlich. Man trauert um sie wie um einen Menschen, der endlich heimgefunden hat aus den Wirrnissen des Lebens.
*
Es ist eine alte Wahrheit: Die Zeit eilt und die Zeit heilt, und immer wieder triumphiert das lachende Leben über den Tod.
Wie vor Zeiten wandern Hanno und Magda wieder an dem Birkenwäldchen entlang, schweigend; horchen auf das Jubilieren der Vögel und hängen ihren Gedanken nach.
Über die Wiesen klingen verlorene Glockentöne von der Dorfkirche. Man läutet den Abend ein.
Friedvolles Schweigen liegt über derWelt, und die letzten Sonnenstrahlen küssen das frische, zarte Grün der Birken.
Magdas Haar glänzt in den sie umschmeichelnden Sonnenstrahlen wie flüssiges Gold.
Hanno muß sie immerzu anschauen. Wie der verkörperte Frühling, blühend und anmutig, schreitet sie neben ihm her.
»Magda!« Er bringt es nicht mehr über sich, gleichgültig neben ihr herzugehen, während Herz und Blut verlangend zu ihr hindrängen.
Er zieht die leise Widerstrebende dicht zu sich heran.
»Magda! Denkst du noch manchmal an den Frühling vor zwei Jahren?«
Bei dem warmen Klang seiner Stimme schauert sie zusammen. Sie wagt es nicht, seinen zärtlich blickenden Augen zu begegnen. Sie nickt nur.
Hanno beherrscht sich, langsam gehen sie weiter. In stiller Übereinkunft lenken sie ihre Schritte nach dem Friedhof.
Vor Alines Grab faltet Magda die Hände und blickt mit feuchten Augen auf die Frühlingsblumen, die den Hügel schmük-ken.
»Magda, es war der letzte Wunsch der Toten, daß wir glücklich würden. Wollen wir ein neues, schöneres Leben beginnen – gemeinsam mit unseren Kindern?«
Magda legt ihren Kopf an seine Brust, und sanft drückt er seine Lippen auf ihren blühenden Mund. Es ist ein neues, stilles Treuegelöbnis.
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