Название: Karin Bucha Staffel 1 – Liebesroman
Автор: Karin Bucha
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Karin Bucha Staffel
isbn: 9783959796712
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»Nein, Lorchen, Mami weint nicht mehr«, sagte Petra gepreßt und versuchte ein Lächeln. Es nahm sich seltsam genug in dem verhärmten Frauenantlitz aus. Nur die Lippen lächelten, die Augen waren tiefernst und von erschütternder Traurigkeit.
Scheu sah sie sich jetzt nach der dunkelgekleideten Frau um.
Beate nickte Petra herzlich und mütterlich zu. Sie hatte scharf beobachtet und wußte, daß sie gütigen Zuspruchs bedurfte.
»Mich kennst du wohl noch nicht?«
Sie stellte sich neben das Kind und strich der Kranken das wirre Haar aus der Stirn. »Ich bin Tante Beate, Nikolaus’ und Josts Tante –«
»Und wo ist Leontine?« forschte Petra zaghaft. Sie ließ keinen Blick von den guten, treuen Augen Beate Eckhardts, und deren Erschrecken entging ihr nicht.
Bitterkeit wallte in ihr auf.
»Ich weiß, Tante Beate.« Wie selbstverständlich kam die vertrauliche Anrede über ihre Lippen. »Ich weiß nun alles.«
Beate Eckhardt strich mit zarten Fingern über die samtene Haut der Wangen.
»Petra, nicht um die Zukunft sorgen«, raunte sie. »Es wird alles wieder gut und schön werden.«
Petra rührte sich nicht. Aber ihr Mund zuckte.
Die Schwester stand plötzlich neben Beate Eckhardt.
»Sie müssen die Kranke nun verlassen«, sagte sie sanft, aber bestimmt. »Frau Eckhardt hat Fieber. Sie braucht jetzt unbedingt vollkommene Ruhe.«
Nikolaus nahm behutsam die schmalen, kraftlosen Finger Petras in seine Hand und versprach:
»Morgen bin ich wieder bei Ihnen, Petra!«
*
Am nächsten Morgen gegen elf Uhr war Nikolaus Eckhardt wie versprochen wieder zur Stelle.
Er fand Petra gänzlich verändert und mit blanken, hoffnungsvollen Augen vor.
Ohne Scheu streckte sie ihm die zarte Hand entgegen, die er verlegen an seine Lippen führte.
»Wissen Sie auch, daß ich Ihnen bitter Unrecht getan habe?« fragte sie und versuchte, die Verlegenheit, die zwischen ihnen schwang, zu überbrücken. »Sie sind so gut. Schon daß Leonore Sie für ihren Vater hält, spricht für Sie.«
Gerührt neigte Nikolaus sich etwas vor.
»Wollen wir nicht du zueinander sagen, Petra?«
»Gern«, sagte sie einfach.
Seltsam feierlich und viel ernster als gestern kam ihr Nikolaus vor. So vertraut war er ihr, als kenne sie ihn schon sehr lange.
»Petra«, begann er nach einer ganzen Weile und riß sich gewaltsam von dem feingeschnittenen Antlitz los, das so wechselvoll im Ausdruck war, daß er meinte, die Gedanken stünden ihr auf der Stirn geschrieben.
Erwartungsvoll und voll Vertrauen hob sie den Blick zu ihm auf.
»Du kannst mir alles sagen, Nikolaus. Nichts ist schrecklicher als Ungewißheit.«
»Warst du immer restlos davon überzeugt«, sprach er, sich aufraffend, »daß mein Vater allein deinetwegen Jost fallenließ? Hast du nicht manchmal das Gefühl gehabt, daß
es noch andere Gründe sein könnten?«
»Andere Gründe?« wiederholte sie ungläubig. Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe immer angenommen, daß nur ich zwischen Jost und seinen Eltern stand.«
»Glaubst du nicht auch, daß man einen Menschen, den man besonders lieb hat, durch Härte an sich fesseln möchte?«
Petra dachte angestrengt nach. Eine tiefe Falte stand zwischen den feingeschwungenen Brauen.
»Ich kann mich nicht recht in deinen Gedankengang versetzen. Ich weiß nur, daß ich mein Kind niemals fallenlassen könnte. Und wenn es den Weg des Verbrechens betreten würde. Es bliebe in meinem Herzen immer mein geliebtes Kind.«
Ein heller Schimmer stand in Nikolaus’ Augen.
»Siehst du, Petra, nun sprichst du es aus. Tief im Herzen hat mein Vater Jost sehr geliebt und sich heimlich nach ihm gesehnt. Auch die Heirat, die einst so viel Staub und Ärgernis aufwirbelte, hat er ihm verziehen. Leider zog das Schicksal hier einen Strich. Jost sollte es nicht mehr erfahren… «
Ein Zittern lief über Petras schlanke Glieder.
»Du sprichst so seltsam. Hast du etwa Beweise dafür?«
»Ja, die habe ich.« Nikolaus atmete tief und schwer. »Mein Vater ist tot – starb kurz vor Jost an einem Herzschlag. In seinem letzten Willen hat
er sich alles von der Seele geschrieben, was ihn im Leben quälte. Willst du das Schriftstück lesen, fühlst du dich stark genug? Es kann ja auch sein – «
»Ich will alles wissen«, kam es entschlossen aus ihrem Mund.
Sekundenlang lehnte sie sich weit zurück. Sie hörte das Rascheln von Papier und fühlte, wie Nikolaus ihr etwas auf die Bettdecke legte.
»Soll ich dich allein lassen?«
Sie schlug die Augen auf und bat herzlich:
»Bleib, ich könnte dich brauchen.«
Wieder schlug sein Herz laut und ungestüm.
»Also gut. Ich bleibe.«
Er rückte mit seinem Stuhl etwas abseits, doch so, daß er das Gesicht der Kranken im Auge behalten konnte.
Petras schlanke Hände zitterten leicht, als sie das Schriftstück aufnahm.
»Ein Testament…«, murmelte sie, und ihr Blick suchte voll Unruhe Nikolaus. »Ist das nicht zuviel Vertrauen?«
»Nein, Petra, es ist eigens für dich bestimmt, das heißt, eigentlich für Jost, aber du trittst ja nun an Josts Stelle. Bitte, lies.«
Etwas von der Feierlichkeit, die über Nikolaus’ Wesen lag, übertrug sich auch auf Petra. Zuerst erkannte sie die klare, feste Schrift nur sehr schwach, alles verschwamm vor ihren Blicken in der Gemütsbewegung, die sie erfaßt hatte.
Dann wurden ihre Augen groß und weit, und ihr Herz rief leise und sehnsüchtig nach Jost, dem Mann, den diese reuigen Worte des Vaters nicht mehr erreicht hatten.
»Nikolaus!« unterbrach ihr leiser Ruf endlich die lastende Stille.
Zögernd ging Nikolaus zu ihr heran. Petra sah ergriffen aus. Das feine Gesicht war fast durchsichtig blaß
geworden. Ihre grauen Augen waren tief umrändert und nahmen sich unter den langen dunklen Wimpern schwarz und unnatürlich groß aus.
Er nahm die Veränderung wahr und СКАЧАТЬ