Название: Die Schlucht
Автор: Иван Гончаров
Издательство: Public Domain
Жанр: Русская классика
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»Was geruhen Sie zu befehlen?« fragte Ssawelij leise, ohne aufzublicken. Raiski schwieg und dachte nach, was er ihm wohl befehlen könnte.
»Vortrefflich!« rief er dann plötzlich lebhaft. »Hör’ mal – kennst du irgendeinen Gerichtsbeamten, der ein Schriftstück über die Gutsübergabe aufsetzen könnte?«
»Gawrila Iwanowitsch Mjeschetschnikow schreibt für uns alles, was nötig ist,« sagte Ssawelij nach einigem Überlegen.
»Nun, dann bitte ihn hierher!«
»Sehr wohl!« antwortete Ssawelij, nahm wieder den düsteren Gesichtsausdruck an, machte nachdenklich kehrt und ging langsam aus dem Zimmer.
»Was für ein melancholisches Gesicht dieser Ssawelij hat!« sagte Raiski, dem Davonschreitenden nachblickend.
»Da kann wohl einer melancholisch werden, wenn er ein Weib hat wie diese Marina Antipowna! Erinnerst du dich noch des alten Antip? Nun, also dessen Tochter ist seine Frau! Ein goldener Mensch, dieser Ssawelij – verkauft Getreide, nimmt Geld in Empfang – so ehrlich, so umsichtig: und da muß ihm das Schicksal so mitspielen! Jeder hat sein Kreuz in dieser Welt . . . Und nun sag’: was hast du eigentlich vor? Bist du denn ganz von Sinnen?« fragte sie nach kurzem Schweigen.
»Das gehört also wirklich alles mir?« sagte er und beschrieb mit dem ausgestreckten Arm einen Bogen. »Sie wollen es nicht behalten und verbieten auch den Schwestern, es anzunehmen . . .«
»So laß es doch schon dein eigen bleiben!« versetzte sie.
»Warum willst du es denn verschenken, warum die Bauern freilassen?«
»Ich muß doch irgend etwas damit anfangen! Ich reise wieder ab, Sie wollen sich nicht weiter darum kümmern, also muß ich doch irgendwie verfügen . . .«
»Warum willst du wieder abreisen? Ich dachte, du würdest für immer hier bleiben. Bist du des Herumtreibens noch nicht müde? Heirate, gründe dir einen Hausstand! Das nenne ich doch nicht verfügen, so an die dreißigtausend Silberrubel oder mehr ohne weiteres wegzugeben!«
Sie versank in Nachsinnen und schien in einem schweren inneren Kampfe begriffen. Nie war sie auf den Gedanken gekommen, die Verwaltung des Gutes aufzugeben, nie war das ihre Absicht gewesen. Sie hätte ja nicht gewußt, was sie mit sich anfangen sollte! Nur einen Schreck wollte sie Raiski einjagen – und nun hatte er die Sache plötzlich ernst genommen!
»Was soll denn aus ihm werden, wenn man ihn sich selbst überläßt? Dieser Sonderling!« dachte sie voll Angst und Unruhe.
»Wohlan denn, so lassen wir es beim alten,« sagte sie – »so will ich’s schon weiter verwalten, solange meine Kräfte zureichen. Denn dein Vormund wird’s mit dem andern Gut doch noch so weit bringen, daß du unter Vormundschaft kommst. Wovon sollst du dann leben, du sonderbarer Mensch?«
»Ich bekomme von dem anderen Gute Geld geschickt – zweitausend Silberrubel, das genügt mir. Und dann werde ich auch arbeiten: werde zeichnen, malen, schriftstellern . . .
Jetzt möchte ich ins Ausland reisen: zu diesem Zwecke verpfände oder verkaufe ich das andere Gut . . .«
»Gott sei dir gnädig, Borjuschka! Das ist der sicherste Weg, um an den Bettelstab zu kommen! Zeichnen, malen, das Gut verkaufen! Du wirst doch nicht etwa Stunden geben, die kleinen Jungen unterrichten? Ach, du! Hast den Offiziersrock ausgezogen, läufst im einfachen Kittel herum! Statt vierspännig in der Kalesche vorzufahren, kommst du in einer elenden Fuhre, ohne Diener, womöglich zu Fuß! Und du willst ein Raiski sein? Guck’ einmal in das alte Haus, wo deine Ahnen an den Wänden hängen, und schäme dich vor ihnen! Wirklich eine Schmach ist’s, Borjuschka! Wie ganz anders wär’s doch, wenn du mit stolzen Epauletts angekommen wärst, wie seinerzeit Onkel Sergiej Iwanowitsch! . . . Dreitausend Seelen hättest du als Mitgift bekommen! . . .«
Raiski lachte hell auf.
»Warum lachst du? Was ich sage, ist doch sehr vernünftig. Wie würde sich deine alte Tante freuen! Dann würdest du die Spitzen und das Silberzeug nicht verschenken: würdest sie selbst brauchen können . . .«
»Und wenn ich nun nicht heirate und die Spitzen nicht brauche, dann darf ich sie doch an Wjerotschka und Marsinka verschenken, nicht wahr? Ja oder nein?«
»Du fängst schon wieder damit an!« versetzte die Großtante.
»Ja, und wenn Sie dagegen sind, verschenk’ ich sie an Fremde: das ist jetzt abgemacht, darauf gebe ich Ihnen mein Wort . . .«
»Hört doch – sogar sein Wort gibt er darauf!« sagte die Großtante unruhig, immer noch in ihren Entschließungen schwankend. »Sein Eigentum wegzugeben! Ein Sonderling, ein ganz merkwürdiger Mensch! An dir scheint wirklich Hopfen und Malz verloren! Was hast du eigentlich getrieben in all den Jahren? Wie hast du gelebt? Wer bist du eigentlich, um Gottes willen? Alle anderen sind Menschen – und du? Jetzt hat er sich gar noch den Vollbart stehen lassen! Mach’, daß er herunterkommt, ich kann dich so nicht sehen!«
»Wer ich bin, Tantchen?« wiederholte er laut. »Ich bin der unglücklichste aller Sterblichen!«
Er versank in Nachdenken und lehnte den Kopf gegen das Diwankissen zurück.
»Sag’ das niemals!« unterbrach ihn die Großtante ängstlich. »Das Schicksal könnte es hören und dich strafen: du könntest wirklich unglücklich werden! Sei stets zufrieden, oder stell’ dich wenigstens so!«
Sie sah sich ängstlich um, als stände das Schicksal hinter ihrem Rücken.
»Unglücklich!« wiederholte sie. »Und worin besteht denn dein Unglück? Du bist gesund, bist begabt, hast dein eigenes Besitztum – da, sieh nur hinaus, Gott sei Dank!« – sie wies mit dem Kopfe durchs Fenster. »Was willst du eigentlich noch: willst du erst eins mit dem Pfahl übern Schädel haben?«
Marsinka lachte, und Raiski lachte mit ihr.
»Was heißt das: mit dem Pfahl?«
»Das heißt, daß der Mensch sein Glück nicht fühlt, bis er den Pfahl zu spüren bekommt,« sagte sie und sah ihn scharf durch ihre Brille an. »Ordentlich muß er eins über den Schädel haben, dann weiß er, daß er im Glück ist, und daß das bescheidenste Glück immer noch besser ist, als solch ein Hieb über den Schädel.«
»Praktische Bauernweisheit,« dachte Raiski im stillen.
»Sie haben recht, Tantchen, so mag’s im Leben sein!« sagte er. »Sie sind eine Philosophin.«
»Nun, siehst du – und du bist klug und gelehrt und hast das nicht gewußt!«
»Wollen wir uns also wieder vertragen?« sagte er und stand vom Diwan auf. »Sie übernehmen wieder dieses Fleckchen hier . . .«
»Kein Fleckchen ist’s, sondern ein Gut, dein Stammgut!« unterbrach sie ihn fast heftig.
»Sie willigen ein, daß all der alte Kram und Plunder diesen lieben kleinen Mädchen gehören soll . . . Ich bin ein Proletarier, ich brauche nichts, und sie werden einmal ihr eigenes Haus haben. Wenn Sie Ihre Zustimmung nicht geben, mache ich eine Stiftung zum besten unserer Schulen . . .«
»Was? Den Schuljungen willst du es geben? Niemals! Diese frechen Bengel sollen es bekommen? Wieviel Äpfel haben die uns schon aus dem Garten gestohlen!«
»Greifen СКАЧАТЬ