Название: Im Hause des Commerzienrates
Автор: Eugenie Marlitt
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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„Nun meinetwegen, da gehe in Deine Mühle,“ rief der Commerzienrath ärgerlich, nachdem er vergeblich versucht hatte, sie zurückzuhalten, „aber erst sieh’ hierher!“ Er zog seitwärts an einem schweren Gobelinbehange – dahinter, in einer tiefen Mauernische, stand ein neuer Geldschrank. „Der gehört Dir, Du Gebenedeite; das ist Dein ‚Bäumlein rüttle Dich, wirf Gold und Silber über mich!‘“ sagte er, und seine Hand glitt förmlich liebkosend über das kalte Metall. „Alles, was Dein Großvater an Haus und Hof, an Wald und Feld besessen hat, da drin liegt es, in Papier verwandelt. Diese Papiere arbeiten bienenfleißig Tag und Nacht für Dich. Sie ziehen unglaubliche Geldströme aus der Welt in diesen stillen Winkel. … Der Schloßmüller hat seine Zeit wohl begriffen – das beweist sein Testament; aber wie fabelhaft seine Hinterlassenschaft in der Form anwachsen wird, das hat er schwerlich geahnt.“
„Sonach bist Du auf dem besten Wege, die erste Partie im Lande zu werden, Käthe – kannst wie im Märchen zu Deinem Hochzeitsmahl den Speisesaal mit harten Thalern pflastern lassen,“ rief Flora herüber; sie lehnte wieder zwischen den Polstern des Ruhebettes und hatte ein Buch in die Hand genommen. „Schade um das Geld! Schau, Du mußt nicht böse sein, Kind, aber ich fürchte, Du bist moralisch allzu viel gedrillt worden, um mit Geist Deinen Goldregen vor der Welt funkeln zu lassen.“
„Das wollen wir abwarten,“ lachte das junge Mädchen. Einstweilen habe ich noch kein Recht, eigenmächtig auch nur einen Thaler da herauszunehmen,“ sie zeigte auf den Schrank; „aber in Bezug auf die Schloßmühle möchte ich, wenn auch nur für einen Tag, majorenn sein, Moritz.“
„Ist sie Dir unbequem, schöne Müllerin?“
„Meine Mühle? So wenig unbequem wie mein junges Leben, Moritz. Aber ich war gestern im Mühlengarten – er ist so groß, daß Franz die an die Chaussee stoßende Hälfte aus Mangel an Zeit und pflegenden Händen vernachlässigen muß. Er will Dir den Vorschlag machen, das Stück zu verkaufen; es gäbe prächtige Bauplätze zu Villen und würde gut bezahlt werden, meint er, ich aber finde, daß die Landhäuser ganz gut auch wo anders stehen können, und möchte das Grundstück lieber Deinen Leuten geben, die gern in der Nähe der Spinnerei bauen wollen.“
„Ach – verschenken, Käthe?“
„Fällt mir nicht ein. Du brauchst gar nicht so spöttisch mitleidig zu lächeln, Moritz. Ich werde mich wohl in der Villa Baumgarten mit ‚Sentimentalität und Ueberspanntheit‘ blamiren! … Uebrigens wollen ja die Leute auch gar kein Geschenk oder Almosen, wie Doctor Bruck sagt –“
„Ei, ‚wie Doctor Bruck sagt‘? Ist der auch schon Dein Orakel?“ rief Flora, aus den Kissen emporschnellend – sie fixirte über das Buch hinweg scharf, mit einem räthselhaft wechselnden Ausdrucke das Gesicht der Schwester; es erröthete allerdings für einen Augenblick tiefer, aber die Augen erwiderten den blinzelnden Blick fest, mit kaltem Ernste. „Ich weiß auch, welchen Werth das Selbsterworbene hat – was ich mir selbst erringen kann, ziehe ich dem bestgemeinten Geschenke weit vor,“ fuhr sie fort, ohne auf Flora’s Einwurf zu antworten; „und schon aus dem Grunde sollen die Leute zahlen, genau das zahlen, was sie für Deinen Grund und Boden geben wollten.“
„Da machst Du ja brillante Geschäfte, Käthe,“ lachte der Commerzienrath. „Mein steriles Stück Uferland wäre schon mit der Summe, die darauf geboten worden ist, schlecht genug bezahlt gewesen – nun gar der prächtige Gartenboden neben der Mühle! … Nein, Kind, so gern ich auch möchte –[95] mein vormundschaftliches Gewissen gestattet mir nicht, Dich auch nur für eine Stunde majorenn sein zu lassen.“
„Nun, da mögen sich die Baulustigen einstweilen behelfen, wie sie können,“ sagte sie weder überrascht, noch ärgerlich. „Ich weiß, ich werde in drei Jahren darüber noch genau so denken, wie heute, dann aber kann es sich schon ereignen, daß ich auch noch den dummen Streich mache, den Leuten das Baugeld ohne Procente vorzustrecken.“
Sie grüßte ruhig lächelnd und ging hinaus.
7
Langsam stieg sie die gewundene Treppe hinab, die zur oberen Hälfte das Mauerwerk so schmal durchschnitt, daß sich wohl nur der Schemen der wandelnden Ahnfrau an dem Herabsteigenden vorbeizudrücken vermochte. … Die arme Ahnfrau, hier hatte sie nichts mehr zu suchen, hier war sie verscheucht, und wenn auch der neugebackene Edelmann sie kraft seiner Besitzrechte reclamirte, wenn er auch, um der Auszeichnung willen, daß die gespenstige weiße Frau sich um sein Wohl und Wehe kümmere, noch einmal so tief in seinen strotzenden Geldsäckel griff, als ihm bereits der Adel gekostet. Drunten hing es an den Wänden, das Rüstzeug ihres ritterlichen Geschlechts, die Waffen, mit denen die alten Recken um Ehre und Schande, um Gut und Blut gekämpft; die hatte sie allnächtlich mit vorübergleitenden Händen gefeit und doppelt gesegnet, je mehr Beulen und Scharten und unheimliche dunkle Flecken feindlichen Blutes sie aufwiesen. Jetzt funkelten und gleißten sie feiernd am Nagel, und das Rüstzeug des neuen Geschlechts im alten Thurme waren – die modernen Geldschränke.
Ja, das seltsam fremdartige Element, das drüben in der Villa durch alle intimen Familiengespräche zitterte – das Geldfieber, der Speculationsgeist – es war auch hierher in das ernsthaft copirte Ritterwesen verschleppt worden. Es wehte in der Luft; es schlich treppab, treppauf, und dort die mächtigen, Jahrhunderte alten Humpen auf den Credenztischen der Halle, sie waren eine Ironie in den weichen Händen der Couponschneider, wie die riesenhaften, neuaufgefrischten Riegel und Vorlegeschlösser in grotesker Lächerlichkeit die eiserne Kellerthür bedeckten – sie hüteten die Champagnerflaschen des Commerzienraths, während droben Tausende und aber Tausende hinter kaum erkennbarem, zierlichem Verschlusse lagen. Das historische Pulver aus dem dreißigjährigen Kriege lag auch noch drunten, lediglich um deswillen von Seiten des Commerzienraths geduldet, wie Henriette boshaft behauptete, um wißbegierige Besucher nebenbei auch die kostbaren Weinsorten im kühlen, trockenen Thurmkeller sehen zu lassen. … Und das war’s, was Käthe den alten Heimathboden, auf welchem ihre Kindheit sich abgespielt, fast unkenntlich machte, dieses Sichsehenlassen, dieses Berechnen des Effectes nach außen in kostspieligen Neuerungen, das fieberhafte Streben, die Welt auch wissen zu lassen, daß das Postament, welches man erklommen, ein goldenes sei – das Alles schlug den Geist der ehemaligen alten Firma Mangold geradezu in das Gesicht; sie hatte nie ihren gediegenen Wohlstand als „blendenden Goldregen“ aus den altfränkischen Truhen aufsteigen lassen; ebenso wenig durfte zu Banquier Mangold’s Lebzeiten die Geldmacht im Familienkreise dominiren; ein so pünktlicher Chef er auch in seinem Comptoir gewesen, nie war ihm daheim ein Wort über Geldgeschäfte entschlüpft. Und jetzt! Selbst die Präsidentin speculirte; sie hatte ihr kleines Vermögen von wenigen Tausenden auch in das große Glücksrad geworfen, das heißt in Actien angelegt, und fast unheimlich sah es aus, wenn das Gesicht der sonst so kühlempfindenden Frau bei den immer wiederkehrenden Geldgesprächen vor aufgestörter innerer Leidenschaft roth bis über die Schläfe wurde. …
Käthe verließ den Thurm und betrat die Brücke. Sie bog sich einen Augenblick über das Geländer und sah forschend in die Wasserfluth, als müßten die alten Bekannten, die Zwergobstbäumchen und Beerensträucher, noch an ihren Plätzen stehen, aber sie blickte nur in ihr eigenes Gesicht mit dem Diadem der dicken, braunen Flechte über der Stirn – dieses Mädchen hatte die wundersame Eigenschaft, der Goldfisch der Familie zu sein; das wurde ihr täglich gesagt, als solcher wurde sie respectirt und ausgezeichnet; man suchte ihr begreiflich zu machen, daß sie eben als solcher die braunen Flechten nicht selber ordnen dürfe, daß eine Kammerjungfer nunmehr unumgänglich nöthig sei, aber sie hatte sich ernstlich und energisch der Frau Präsidentin gegenüber verwahrt; sie gab ihren Kopf nicht in СКАЧАТЬ