Da nun Meister La Hurière, ein Wirth seines Standes, nur unter gewissen Umständen Soldat war, so bestimmte ihn diese Betrachtung, sich zurückzuziehen und Schutz in der Ecke der Rue de Brac zu suchen, die so weit entfernt war, daß er einige Mühe gehabt hätte, von hier aus, besonders bei Nacht, die Linie zu finden, welche seine Kugel verfolgen mußte, um zu Herrn von Mouy zu gelangen.
Von Mouy warf einen Blick um sich her und ging, sich deckend wie ein Mensch, der sich zu einem Duell anschickt, vor. Als er aber sah, daß nichts kam, rief er:
»He! Herr Rathgeber! es scheint, Ihr habt Eure Büchse an meiner Thüre vergessen. Hier bin ich, was wollt Ihr von mir?«
»Ah, ah!« sprach Coconnas zu sich selbst, »das ist ein Braver!«
»Nun!« fuhr Mouy fort, »Freunde oder Feinde, wer Ihr auch sein möget, seht Ihr nicht, daß ich warte?«
La Hurière beobachtete ein Stillschweigen, Maurevel antwortete nicht, und die drei Schweizer verhielten sich ruhig.
Coconnas wartete einen Augenblick; als er aber sah, daß Niemand das von La Hurière angefangene und von Mouy fortgesetzte Gespräch unterhielt, verließ er seinen Posten, ging bis mitten in die Straße, nahm seinen Hut in die Hand und sagte:
»Mein Herr, wir sind nicht eines Mordes wegen hier, wie Ihr glauben dürftet, sondern eines Zweikampfes wegen. Ich begleite einen von Euren Feinden, der mit Euch zu thun haben möchte, um auf muthige Weise einen alten Streit zu endigen. Ei, Mordi! kommt doch hervor, Herr von Maurevel, statt den Rücken zu wenden. Der Herr nimmt es an.«
»Maurevel!« rief von Mouy, »Maurevel, der Mörder meines Vaters! Maurevel, der Todtschläger des Königs! Ha, bei Gott, ja, ich nehme es an!«
Und auf Maurevel anschlagend, der an das Hotel Guise klopfen wollte, um Verstärkung zu holen, durchbohrte er seinen Hut mit einer Kugel.
Bei dem Lärmen des Schusses, bei dem Geschrei von Maurevel kamen die Wachen, welche die Herzogin von Nevers zurückgeführt hatten, begleitet von einigen Edelleuten, denen ihre Pagen folgten, heraus und rückten nach dem Hause der Geliebten des jungen von Mouy vor.
Ein zweiter Pistolenschuß, mitten unter die Truppe abgefeuert, streckte den Soldaten, der sich zunächst bei Maurevel befand, todt nieder, wonach sich von Mouy, da er keine Waffen oder wenigstens nur unnütze Waffen hatte, insofern seine Pistolen abgefeuert und seine Gegner außerhalb des Bereiches seines Degens waren, hinter der Gallerie des Balcon verbarg.
Indessen öffneten sich da und dort die Fenster in der Umgegend, und schlossen sich wieder oder wurden, je nach dem friedlichen oder kriegerischen Geiste der Bewohner, mit Musketen und Büchsen besetzt.
»Mir zu Hilfe, mein braver Mercandon!« rief von Mouy mit einem Zeichen gegen einen bereits alten Mann, der aus einem Fenster, das sich dem Hotel Guise gegenüber geöffnet hatte, in dieser Verwirrung etwas zu sehen suchte.
»Ihr fordert Hilfe, Herr von Mouy?« rief der Greis. »Will man an Euch?«
»An mich, an Euch, an alle Protestanten; seht hier den Beweis.«
In der That sah von Mouy in diesem Augenblick, wie die Büchse von La Hurière sich gegen ihn richtete. Der Schuß ging los, aber der junge Mann hatte Zeit sich zu bücken, und die Kugel durchbrach eine Scheibe über seinem Haupte.
»Mercandon!« rief Coconnas, der beim Anblicke dieses Kampfes vor Vergnügen bebte und seinen Gläubiger vergessen hatte, aber durch die Anrede von Mouy wieder an ihn erinnert wurde, »Mercandon, Rue du Chaume, ja, so ist es! Ah, hier wohnt er! das ist gut. Wir werden es jeder mit unserem Manne zu thun haben.«
Und während die Leute des Hotel Guise die Thüren des Hauses einstießen, worin von Mouy sich befand, während Maurevel, eine Fackel in der Hand, das Haus in Brand zu stecken trachtete, während, sobald die Thüren eingestoßen waren, sich ein furchtbarer Kampf mit einem einzelnen Menschen entspann, der mit jedem Pistolenschusse, mit jedem Degenstiche seinen Feind niederstreckte, suchte Coconnas mit Hilfe eines Pflastersteines die Thüre von Mercandon einzustoßen, der, ohne sich um diese vereinzelte Anstrengung zu bekümmern, aus Kräften mit der Büchse aus seinem Fenster schoß.
Da war plötzlich dieses ganze verlassene, dunkle Quartier taghell beleuchtet und wie das Innere eines Ameisenhaufens bevölkert; denn aus dem Hotel Montmorency machten sechs bis acht hugenottische Edelleute mit Ihren Dienern und Freunden einen wüthenden Angriff und begannen, unterstützt durch das Feuern aus den Fenstern die Leute von Maurevel und die des Hotel Guise zurückzudrängen, welche sich endlich mit dem Rücken an das Hotel lehnten, aus dem sie hervorgekommen waren.
Coconnas, dem es noch nicht gelungen war, die Thüre von Mercandon einzustoßen, obgleich er aus Leibeskräften daran arbeitete, wurde mitten in seinem ungestümen Treiben überfallen. Er lehnte sich nun an die Mauer, nahm den Degen in die Hand und begann nicht nur sich zu vertheidigen, sondern auch mit so furchtbarem Geschrei anzugreifen, daß er das ganze Gemenge beherrschte. Er fuchtelte rechts und links, schlug Freund und Feind, bis sich ein weiter leerer Raum um ihn her gebildet hatte. Je öfter sein Degen eine Brust durchbohrte, je mehr das warme Blut seine Hände und sein Gesicht bespritzte, desto mehr gewann er, die Augen erweitert, die Nasenlöcher geöffnet, die Zähne zusammengepreßt, verlorenes Terrain, desto näher kam er dem belagerten Hause.
Nach einem furchtbaren Kampfe auf der Treppe und in der Flur verließ von Mouy sein Haus als wahrer Held. Mitten unter dem Gefechte schrie er unabläßig: »Herbei, Maurevel! Maurevel, wo bist Du?« wobei er ihn mit den beleidigendsten Beinamen überhäufte. Er erschien endlich auf der Straße, mit einem Arme seine halb nackte und beinahe ohnmächtige Geliebte unterstützend und einen Dolch zwischen den Zähnen haltend. Flammend durch die umdrehende Bewegung, die er ihm gab, zog sein Degen weiße oder rothe Kreise, je nachdem der Mond die Klinge versilberte oder eine Fackel die blutige Nässe glänzen machte. Maurevel war entflohen. La Hurière von Mouy bis zu Coconnas zurückgedrängt, der ihn nicht erkannte und mit der Degenspitze empfing, bat auf zwei Seiten um Gnade. In diesem Augenblick gewahrte ihn Mercandon und erkannte in ihm an seiner weißen Schärpe einen Schlächter. Der Schuß ging los. La Hurière stieß einen Schrei aus, streckte die Arme von sich, ließ seine Büchse fallen und stürzte, nachdem er es versucht hatte, die Mauer zu erreichen, um sich an irgend Etwas zu halten, mit dem Gesichte auf die Erde.
Von Mouy benützte diesen Umstand, warf sich in die Rue du Paradis und verschwand.
Die Hugenotten hatten so kräftigen Widerstand geleistet, daß die Leute aus dem Hotel Guise in dieses zurückgedrängt worden waren und die Thore des Hotel wieder verschlossen hatten, aus Furcht, belagert und im eigenen Hause gefaßt zu werden.
Berauscht von Blut und Lärmen, zu dem Zustande der Exaltation gelangt, wo sich, besonders bei den Südländern, der Muth in Wahnsinn verwandelt, hatte Coconnas nichts gesehen, nichts gehört. Er bemerkte nur, daß seine Ohren minder stark klangen, daß seine Hände und sein Gesicht ein wenig trockneten, und seine Degenspitze senkend sah er nichts mehr in seiner Nähe, als einen ausgestreckten Menschen, dessen Gesicht in eine rothe Lache getaucht war, und rings umher brennende Häuser.
Es war ein kurzer Waffenstillstand, denn in dem Augenblick, wo er sich dem Menschen nähern wollte, in welchem er La Hurière zu erkennen glaubte, öffnete sich die Thüre des Hauses, die er vergebens mit Pflastersteinen aufzubrechen gesucht hatte, und der alte Mercandon stürzte, gefolgt von seinem Sohne und zwei Neffen, auf den Piemontesen los, der damit beschäftigt war, wieder etwas Athem zu schöpfen.
»Hier ist er, hier ist er!« riefen Alle einstimmig.
Coconnas СКАЧАТЬ