Fridolins heimliche Ehe. Adolf von Wilbrandt
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Название: Fridolins heimliche Ehe

Автор: Adolf von Wilbrandt

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ style="font-size:15px;">      »So nimm deinen Hut!«

      »Ich nehme meinen Hut —« (Er griff nach dem Klavier, nahm aber statt eines Hutes Fridolins rotes Fez in die Hand, blieb stehn und fuhr fort:) »Meine geradezu unüberwindliche Unart, aus Anhänglichkeit an meine Ueberzeugungen bockbeinig, ausfällig, sogar grob zu werden; eine Unart, von der d u mich leider am wenigsten kurieren kannst, weil deine Lebhaftigkeit, deine Hitze mich nur immer von neuem reizt —«

      »Ein Viertel auf Sechs!« rief Fridolin aus und trat ins andere Zimmer, um nun endlich zu gehn.

      »Wie leider wieder heute nachmittag,« fuhr Philipp fort, »als ich mich fortreißen ließ, unbrüderlicherweise heftig zu werden; weil du in diesem unseligen Kampf des Staats gegen die Kirche dich des geradezu gewaltthätigen Staats mit einem Ungestüm annahmst —«

      »Des gewaltthätigen Staats?« rief Fridolin zurück. »Mein teurer Philippus, gegen dieses Wort könnt' ich dir Dinge sagen – Gegenbeweise – wenn ich nicht fort müßte —«

      »Was könntest du mir noch sagen, das ich nicht heute nachmittag schon Punkt für Punkt widerlegt hätte? Womit wolltest du den höchst berechtigten Unwillen entkräften, mit dem ein Mann von Rechtsgefühl und Gewissen, ein Mann von heiligen und sittlichen Ueberzeugungen sich gegen diese Selbstüberhebung der weltlichen Gewalt empören muß? Gegen diese —«

      »Selbstüberhebung? Der weltlichen Gewalt?« – Fridolin kam einen Schritt zurück. »Selbstüberhebung? Wir? Der Staat? Unser toleranter, menschlicher, gemäßigter, für alle sorgender Staat? – Aber ihr geistlichen Menschen, ihr kennt ja weder ihn, noch euch selbst; ihr wollt blind sein und seid es; euch ist nicht zu helfen!«

      »Uns ist nicht zu helfen? Warum nicht? Aus welchem Grunde wäre uns nicht zu helfen? Weil wir die oberflächliche Altklugheit, die Naseweisheit, die Wichtigthuerei deines edlen Staats« (Fridolin war drei Schritte fortgegangen, blieb nun wieder stehn) »nicht imponierend finden, weil wir ein höheres Ideal haben, darum also ist uns nicht zu helfen? Weil wir das Kommandieren so eines naseweifen Staats in die Kirche hinein unerträglich finden —«

      »In welche Kirche? Was geht diese Kirche dich an? Wenn du die Bäffchen eines protestantischen Pastors trägst, mußt du dich dann des Papstes und seiner Unfehlbarkeit annehmen? – Alle Teufel, ich muß fort!« Er war an der äußeren Thür.

      Indessen Philipp kam ihm mit drei großen, langgezogenen Schritten ins andere Zimmer nach.

      »Ich nehme mich der Unfehlbarkeit an? Wie kannst du sagen, daß ich mich der Unfehlbarkeit annehme? Ich verwerfe den Papst und seine Unfehlbarkeit; ich kenne ihn nicht, ich brauche ihn nicht, ich will ihn nicht; wie kannst du dann so leichtsinnig, so frivol sein, zu sagen, ich nehme mich seiner an?« (Fridolin kam zurück, schüttelte zornig seine Jupiterlocke gegen des Bruders hochgerötetes Gesicht und wollte reden; jedoch Philipp fuhr fort:) »Nein, ich nehme mich weder des Papstes noch seiner Unfehlbarkeit an; aber der Religion! Was will euer Staat? Er will die Menschen erziehen, er allein, ohne Religion! Kindisch! Unmöglich! Ihr mögt die Welt philosophisch zusammenflicken und chemisch zersetzen, ihr mögt euch euer Geld durch Aktienschacher erschwindeln und an der Börse verspielen – aber ihr seid und bleibt nur eine höhere Affenart, ohne Religion!«

      »Ich danke dir!« entgegnete Fridolin, der nun endlich zu Worte kam, mit gereizter Stimme. »Also wenn ich in den wahren Spiegel deiner Seele blicke, so sehe ich mich da nur als einen höheren Affen! Weil ich den Unsinn bekämpfe, den die Feinde deiner eigenen Kirche zum Weltgesetz machen wollen, bin ich, dein Bruder, dir nur ein höherer Affe!«

      »Du mir nur ein höherer Affe? hab' ich dich gemeint? Wie kannst du mir meine Worte so im Munde verdrehen —«

      »Ich verdrehe dir deine Worte? Hast du uns nicht alle miteinander höhere Affen genannt —«

      »Ohne Religion!«

      »Ohne welche Religion? Ohne eure entartete, handwerksmäßige, eingebildete, in ihrem eigenen Morast ertrunkene Religion! Behaltet sie für euch, eure Religion! Was thut ihr damit? Ihr vertreibt die Religion mit eurer Religion!«

      »Wir vertreiben die Religion mit unserer Religion? Gott im Himmel, und solchen Unsinn höre ich mit an!«

      »Solchen Unsinn und das sagst du mir

      »Nun, wem denn anders, als dir? Hat denn ein anderer ihn gesprochen, als du? – Wir vertreiben die Religion mit unserer Religion! Ich nehme mich des Papstes und seiner Unfehlbarkeit an! Uns ist nicht zu helfen! Wir wollen blind sein und sind es! – Und das alles, das alles höre ich geduldig mit an!«

      »Du hörst es geduldig mit an? Auf jedes meiner Worte mit Beleidigungen antworten, das nennst du geduldig mit anhören? Nun so bitte ich Gott, mich nie erleben zu lassen, daß du etwas ungeduldig mit anhörst! – Ich sage dir nur noch eins:« (er wandte sich zum siebentenmal zur Thür, und drehte sich an der Thür zum siebentenmal herum) »Menschen wie mich vertreibt ihr durch eure Religion aus der Religion! Ich habe meinen Gott, ich brauche meinen Gott, ich weiß, daß ich nur ein unbedeutender, kleiner Kunstprofessor bin gegen meinen Gott; aber euer Gott, dem ihr euren schwarzen Kleidrock angezogen, dem ihr eure Priestermütze aufgesetzt und euer unduldsames Herz eingesetzt habt, der ist mir für meinen Gott« (er suchte das Wort) – »für meinen Gott zu dumm! Und ihr taugt zum Verfluchen und zum Whistspielen, aber nicht zum Erziehen der Menschheit!«

      Diese Rede griff dem Pastor Philipp zu hart ans Herz. Er verwickelte seine großen Hände vor Aufregung ineinander. Er atmete schwer. Er keuchte endlich hervor: »Und ich will glauben, Fridolin – ich will glauben, zu deiner Ehre, daß du dies alles in einem Anfall von Irrsinn gesprochen hast!«

      In diesem Augenblick schlug die Uhr auf der Kommode, einer alten Rokokokommode, halb Sechs.

      »Heiliger Gott! Halb Sechs! Die Vorlesung!« – Fridolin stand wie betäubt. Er stand da und horchte, als müsse die Uhr noch einmal und anders schlagen. Dann riß er die Thür zum Vorplatz auf und stürmte hinaus.

      Philipp starrte ihm nach. Auf einmal war er tief erschrocken; noch ohne zu wissen, warum. Er hörte die Treppenthür auffliegen und wieder zufallen. Dann ward es still. Dann glaubte er noch ein paar laute Worte, einen Fluch oder etwas Aehnliches zu vernehmen; auch das verhallte. Plötzliche tiefe Stille nach dem lauten Streit. Er sah im Zimmer umher, sonderbar verwirrt. Sein Blick fiel in einen alten Spiegel mit Figurenschnitzwerk an der Wand, der ihm seine eigene Gestalt zeigte. Wie seltsam befremdet blickte er auf dieses seltsam befremdet auf ihn blickende, gerötete, dann nach und nach erblassende Gesicht. Die glühenden Augen, die bleichen, bartlosen Lippen, die lange Gestalt im Schlafrock verstörten ihn sehr. Endlich fuhr er zusammen, als plötzlich eine schnarrende Stimme hinter ihm sprach:

      »Fridoline! Ne quam immemor sis te philosophum esse.«

      »Wer spricht?« fragte er unwillkürlich.

      »Wer spricht?« wiederholte die Stimme. Darauf folgte ein lautes, sonderbares Lachen.

      Philipp erkannte nun erst den philosophischen Ratgeber, der ihn aus seinem Käfig in der Ecke angerufen: den rotschwänzigen Papagei, den einzigen Freund Fridolins im ganzen Vogelgeschlecht, den »außerordentlichen Professor«, wie Fridolins Kunstjünger ihn nannten. Er saß auf seiner vergoldeten Stange und wandte dem Pastor den Kopf von der Seite zu; sein kluges, rundes Auge schien zu sagen, daß er sich nach Gebühr über ihn lustig mache.

      Philipp, statt zu lachen seiner melancholischen Seele war in diesem Augenblick auch der Gedanke unmöglich, daß man lachen könnte – warf auf den unheimlichen Vogel einen verwirrten Blick; trat dann, beinahe hastig, durch die Thür und kehrte in Fridolins СКАЧАТЬ