Название: Übermittlung
Автор: Морган Райс
Издательство: Lukeman Literary Management Ltd
Жанр: Героическая фантастика
Серия: Chronik der Invasion
isbn: 9781094310305
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An einem normalen Tag würde er nicht verstecken müssen, was mit ihm nicht stimmte oder dankbar sein, dass seine beste Freundin auf eine andere Schule ging, nachdem er und seine Mutter umgezogen waren, sodass sie nichts hiervon nichts mitbekam. Er hatte Luna seit Tagen nicht angerufen und ihre Nachrichten sammelten sich auf seinem Handy. Kevin ignorierte sie, weil er nicht wusste, was er ihr sagen sollte.
Kevin konnte die Blicke spüren, die er auf sich zog, als er in das Schulgebäude ging. Es gab Gerüchte, selbst wenn niemand sicher wusste, was mit ihm los war. Weiter vorn konnte er einen der Lehrer sehen, Mr. Williams, und an einem normalen Tag wäre Kevin einfach an ihm vorbeigegangen, ohne Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Jetzt hielt der Lehrer ihn an, schaute an ihm hoch und runter, als wenn er Anzeichen erwartete, dass er jeden Moment sterben würde.
„Wie geht es dir, Kevin?“, fragte er. „Geht es dir gut?“
„Ich bin okay, Mr. Williams“, versicherte Kevin ihm. Es war einfacher zu sagen, dass es einem gut ginge, als die Wahrheit zu erklären: wie besorgt er um seine Mutter war und wie müde er von den ganzen Behandlungen war, wie viel Angst er davor hatte, was als Nächstes passierte.
Die Zahlen waren immer noch in seinem Kopf: 23h 06m 29.283s – 05° 02‘ 28.59. Sie hockten dort im hintersten Winkel seiner Gedanken, wie eine Kröte, die sich nicht bewegte − unmöglich zu vergessen und unmöglich zu ignorieren, egal wie sehr Kevin versuchte, die Ratschläge seiner Mutter zu befolgen.
„Nun gut, sag uns einfach Bescheid, wenn du irgendetwas brauchst“, sagte der Lehrer.
Kevin war sich nicht sicher, was er darauf antworten sollte. Es war diese Art von Sachen, die Menschen sagten und die dennoch ohne Bedeutung zu sein schienen. Die eine Sache, die er brauchte, war das Einzige, was sie ihm nicht geben konnten: alles ungeschehen zu machen, damit die Dinge wieder normal wurden. Lehrer wussten viel, aber davon hatten sie keine Ahnung.
Dennoch gab er sich Mühe, so zu tun, als wäre alles normal − während seiner Mathematik-Stunde und anschließend im Geschichts-Unterricht. Ms. Kapinski erzählte ihnen von der frühen europäischen Geschichte, bei der Kevin sich nicht sicher war, ob das überhaupt im Lehrplan stand, aber das war anscheinend, was sie studiert hatte und was sie ihnen ausführlicher auseinandersetzte, als sie eigentlich sollte.
„Wusstet ihr, dass die meisten der Römer in Nordeuropa eigentlich gar keine Römer waren?“, fragte sie. Kevin mochte eigentlich Ms. Kapinskis Unterricht, weil sie keine Angst davor hatte, vom Lehrplan abzuweichen und auch über anderen Epochen in der Geschichte zu sprechen, wenn sie ihr gerade in den Sinn kamen. Es war eine Erinnerung daran, wie viel bereits vor ihrer Zeit auf der Welt passiert war.
„Dann ist das also falsch?“, fragte Francis de Longe. Normalerweise wäre es Kevin gewesen, der diese Frage gestellt hätte, aber er genoss die Gelegenheit, ruhig und schon fast unsichtbar zu sein.
„Nicht wirklich falsch“, erwiderte Ms. Kapinski. „Wenn ich sage, sie waren keine Römer, dann meine ich, dass die Überreste von Menschen hinterlassen wurden, die nie in der Nähe des Landes waren, das jetzt Italien ist. Sie waren die einheimische Bevölkerung, aber als die Römer sich ausbreiteten und ihre Gebiete eroberten, erkannten die Einheimischen, dass es gut daran täten, sich den Römern anzupassen. Die Art, wie sie sich kleideten, die Gebäude, in denen sie lebten, die Sprache, die sie sprachen, sie haben alles verändert, um deutlich zu machen, wem ihre Loyalität galt und weil es ihnen eine bessere Gelegenheit bot, an gute Positionen in der neuen Rangfolge zu kommen.“ Sie lächelte. „Dann, während der Rebellion gegen Rom, war es für die Einheimischen leicht, sich daran zu beteiligen, indem sie sich einfach wieder von diesen Gewohnheiten abkehrten.“
Kevin versuchte, sich das vorzustellen: dieselben Menschen an ein und demselben Ort veränderten sich, wenn sich die politische Richtung änderte. Ihr ganzes Sein veränderte sich, je nachdem, wer sie gerade regierte. Er dachte, es wäre vielleicht ein wenig wie in einer der beliebtesten Cliquen in der Schule zu sein, zu versuchen die richtige Kleidung zu tragen und die richtigen Dinge zu sagen. Dennoch war es schwer, sich das vorzustellen − und nicht nur wegen der Bilder von ungewöhnlichen Landschaften, die weiterhin in seinem Hinterhirn abgespeichert waren.
Das war wahrscheinlich das einzige Gute an seiner Krankheit: die Symptome waren nicht sichtbar. Das war andererseits aber auch das Beängstigende daran. Da war diese Sache, die ihn umbrachte und wenn die Menschen nicht schon davon wussten, dann würden sie es nie herausfinden. Er könnte einfach hier sitzen und niemand würde jemals –
Kevin fühlte die Vision kommen, sie fuhr durch ihn hindurch, wie eine Art Druckwelle, die sich in seinem Körper aufbaute. Es folgte ein Schwindelgefühl, dass die Welt verschwimmen ließ, während er sich mit etwas anderem verband. Er stand auf und wollte fragen, ob er sich entschuldigen könne, aber da war es bereits zu spät. Er fühlte, wie seine Beine nachgaben und er in Ohnmacht fiel.
Er schaute auf dieselbe Landschaft, die er in seiner Erinnerung hatte, die falsche Farbe des Himmels, die Bäume zu verdreht. Er schaute zu, wie das Feuer hindurchwütete, blendend und hell, es schien von überall herzukommen. Er hatte das alles schon einmal gesehen. Jetzt aber gab es ein neues Element: ein schwacher Puls, der sich in regelmäßigen Abständen zu wiederholen schien, genau wie das Ticken einer Uhr.
Ein Teil von Kevin wusste, dass eine Uhr nur das war, was sie war, genauso wie er instinktiv wusste, dass es ein Countdown für etwas war, und nicht nur etwas, das die Zeit markierte. Er hatte das Gefühl, dass die Impulse subtil intensiver wurden, als ob sie sich zu einem fernen Crescendo hinbewegten. Es gab ein Wort in einer Sprache, die er eigentlich nicht hätte verstehen sollen, aber er verstand es.
„Warte.“
Kevin wollte fragen, auf was er warten sollte oder wie lange oder warum. Er tat es aber nicht, hauptsächlich, weil er sich nicht sicher war, wen er fragen sollte. Aber auch, weil der Moment, so schnell wie er gekommen war, auch wieder vorbei war und Kevin aus seiner Ohnmacht aufwachte und sich selbst auf dem Boden des Klassenzimmers wiederfand. Ms. Kapinski stand über ihn gebeugt.
„Bleib noch einen Moment ruhig liegen, Kevin“, sagte sie. „Ich habe den Schulsanitäter holen lassen. Hal wird gleich hier sein.“
Kevin setzte sich trotz ihrer Anweisungen hin, weil er bereits wusste, wie sich das anfühlte.
„Mir geht es gut“, versicherte er ihr.
„Ich denke, das sollten wir Hal beurteilen lassen.“
Hal war ein großer, runder Sanitäter, der dafür sorgte, dass die Schüler der St. Brendans Schule durch jeden medizinischen Notfall kamen, den sie erlitten. Manchmal argwöhnte Kevin, dass sie nur so schnell gesundeten, weil der Gedanke an die medizinische Versorgung durch den Sanitäter sie selbst die schlimmsten Verletzungen ignorieren ließ.
„Ich sehe Dinge“, schaffte Kevin es zu sagen. „Da war ein Planet und eine brennende Sonne und eine Art Nachricht … wie ein Countdown.“
In den Filmen hätte man jetzt darauf bestanden, jemanden wichtigen zu holen. Sie hätten die Nachricht als das erkannt, was es war. Es hätte Treffen und Ermittlungen gegeben. Jemand hätte etwas getan. Aber außerhalb der Leinwand war Kevin nur ein Dreizehnjähriger Junge und Ms. Kapinski schaute ihn mit einer Mischung aus Mitleid und leichter Verwunderung an.
„Ich bin mir sicher, es ist nicht so schlimm“, sagte sie. „Es ist wahrscheinlich normal, alle Arten von Sachen zu sehen, wenn man so einen … Schub hat.“
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