Автор: Фридрих Дюрренматт
Издательство: КАРО
Жанр: Классические детективы
Серия: Moderne Prosa
isbn: 978-5-9925-0493-4
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„Seid klug wie die Schlangen“, sagte er und musterte Tschanz lange und nachdenklich. Dann lächelte er: „Und sanft wie die Tauben“, und tippte Tschanz leicht auf die Schultern. „Ich habe geschlafen. Seit Tagen das erste Mal. Der verfluchte Magen.“
„Ist es denn so schlimm“, fragte Tschanz.
„Ja, es ist so schlimm“, entgegnete der Kommissär kaltblütig. „Sie sollten zu Hause bleiben, Herr Bärlach, es ist kaltes Wetter und es regnet.“
Bärlach schaute Tschanz aufs neue an und lachte: „Unsinn, es gilt einen Mörder zu finden[57]. Das könnte Ihnen gerade so passen, daß ich zu Hause bleibe.“
Wie sie nun im Wagen saßen und über die Nydeggbrücke fuhren, sagte Bärlach: „Warum fahren Sie nicht über den Aargauerstalden[58] nach Zollikofen, Tschanz, das ist doch näher als durch die Stadt?“
„Weil ich nicht über Zollikofen-Biel nach Twann will, sondern über Kerzers-Erlach.“
„Das ist eine ungewöhnliche Route, Tschanz.“
„Eine gar nicht so ungewöhnliche, Kommissär.“
Sie schwiegen wieder. Die Lichter der Stadt glitten an ihnen vorbei. Aber wie sie nach Bethlehem[59] kamen, fragte Tschanz:
„Sind Sie schon einmal mit Schmied gefahren?“
„Ja, öfters. Er war ein vorsichtiger Fahrer.“ Und Bärlach blickte nachdenklich auf den Geschwindigkeitsmesser[60], der fast Hundertzehn zeigte.
Tschanz mäßigte die Geschwindigkeit ein wenig. „Ich bin einmal mit Schmied gefahren, langsam wie der Teufel, und ich erinnere mich, dass er seinem Wagen einen sonderbaren Namen gegeben hatte. Er nannte ihn, als er tanken mußte. Können Sie sich an diesen Namen erinnern? Er ist mir entfallen.[61]“
„Er nannte seinen Wagen den blauen Charon“, antwortete Bärlach.
„Charon ist ein Name aus der griechischen Sage, nicht wahr?“
„Charon fuhr die Toten in die Unterwelt[62] hinüber, Tschanz.“
„Schmied hatte reiche Eltern und durfte das Gymnasium besuchen. Das konnte sich unsereiner nicht leisten. Da wußte er eben, wer Charon war, und wir wissen es nicht.“
Bärlach steckte die Hände in die Manteltaschen und blickte von neuem auf den Geschwindigkeitsmesser. „Ja, Tschanz“, sagte er, „Schmied war gebildet, konnte Griechisch und Lateinisch und hatte eine große Zukunft vor sich als Studierter, aber trotzdem würde ich nicht mehr als Hundert fahren.“
Kurz nach Gümmenen, bei einer Tankstelle, hielt der Wagen jäh an. Ein Mann trat zu ihnen und wollte sie bedienen.
„Polizei“, sagte Tschanz. „Wir müssen eine Auskunft haben.“
Sie sahen undeutlich ein neugieriges und etwas erschrockenes Gesicht, das sich in den Wagen beugte.
„Hat bei Ihnen ein Autofahrer vor zwei Tagen angehalten, der seinen Wagen den blauen Charon nannte?“
Der Mann schüttelte verwundert den Kopf, und Tschanz fuhr weiter. „Wir werden den nächsten fragen.“
An der Tankstelle von Kerzers wußte man auch nichts.
Bärlach brummte: „Was Sie treiben, hat keinen Sinn.[63]“
Bei Erlach hatte Tschanz Glück[64]. So einer sei am Mittwochabend dagewesen, erklärte man ihm.
„Sehen Sie“, meinte Tschanz, wie sie bei Landeron in die Straße Neuenburg-Biel einbogen, „jetzt wissen wir, dass Schmied am Mittwochabend über Kerzers-Ins gefahren ist.“
„Sind Sie sicher?“ fragte der Kommissär.
„Ich habe Ihnen den lückenlosen Beweis[65] geliefert.“
„Ja, der Beweis ist lückenlos. Aber was nützt Ihnen das, Tschanz?“ wollte Bärlach wissen.
„Das ist nun eben so. Alles, was wir wissen, hilft uns weiter“, gab der zur Antwort.
„Da haben Sie wieder einmal recht“, sagte darauf der Alte und spähte nach dem Bielersee. Es regnete nicht mehr. Nach Neuveville kam der See aus den Nebelfetzen zum Vorschein. Sie fuhren in Ligerz ein. Tschanz fuhr langsam und suchte die Abzweigung nach Lamboing.
Nun kletterte der Wagen die Weinberge hinauf. Bärlach öffnete das Fenster und blickte auf den See hinunter. über der Petersinsel standen einige Sterne. Im Wasser spiegelten sich die Lichter, und über den See raste ein Motorboot. Spät um diese Jahreszeit, dachte Bärlach. Vor ihnen in der Tiefe lag Twann und hinter ihnen Ligerz.
Sie nahmen eine Kurve und fuhren nun gegen den Wald, den sie vor sich in der Nacht ahnten. Tschanz schien etwas unsicher und meinte, vielleicht gehe dieser Weg nur nach Schernelz. Als ihnen ein Mann entgegenkam, stoppte er. „Geht es hier nach Lamboing?“
„Nur immer weiter und bei der weißen Häuserreihe am Waldrand rechts in den Wald hinein“, antwortete der Mann, der in einer Lederjacke steckte und seinem Hündchen pfiff, das weiß mit einem schwarzen Kopf im Scheinwerferlicht[66] tänzelte.
„Komm, Ping-Ping!“
Sie verließen die Weinberge und waren bald im Wald. Die Tannen schoben sich ihnen entgegen, endlose Säulen im Licht. Die Straße war schmal und schlecht, hin und wieder klatschte ein Ast gegen die Scheiben. Rechts von ihnen ging es steil hinunter. Tschanz fuhr so langsam, dass sie ein Wasser in der Tiefe rauschen hörten.
„Die Twannbachschlucht“, erklärte Tschanz. „Auf der andern Seite kommt die Straße von Twann.“
Links stiegen Felsen in die Nacht und leuchteten immer wieder weiß auf. Sonst war alles dunkel, denn es war erst Neumond gewesen. Der Weg stieg nicht mehr, und der Bach rauschte jetzt neben ihnen. Sie bogen nach links und fuhren über eine Brücke. Vor ihnen lag eine Straße. Die Straße von Twann nach Lamboing. Tschanz hielt.
Er löschte die Scheinwerfer, und sie waren in völliger Finsternis[67].
„Was jetzt?“ meinte Bärlach.
„Jetzt warten wir. Es ist zwanzig vor acht.“
Fünftes Kapitel
Wie sie nun warteten und es acht Uhr wurde, aber nichts geschah, sagte Bärlach, dass es nun Zeit sei, von Tschanz zu vernehmen, was er vorhabe.
„Nichts genau Berechnetes, Kommissär. So weit bin ich im Fall Schmied nicht, und auch Sie tappen ja noch im dunkeln, wenn Sie auch einen Verdacht haben.[68] Ich setze heute alles auf die Möglichkeit, dass es diesen Abend dort, wo Schmied am СКАЧАТЬ
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