Während die City in diesem aufgeregten Zustande war, kam ein durch königliche Proklamation angeordneter allgemeiner Fasttag. Die zur Motivirung dieses feierlichen Andachtsactes angeführten Gründe waren der beklagenswerthe Zustand Irland’s und die bevorstehende Abreise des Königs. Es wurden Gebete für das persönliche Wohl Sr. Majestät und für den Erfolg seiner Waffen zum Himmel emporgesandt. Die Kirchen London’s waren gedrängt voll, und die ausgezeichnetsten Kanzelredner der Hauptstadt, welche fast ohne Ausnahme entweder gemäßigte Tories oder gemäßigte Whigs waren, bemühten sich, das Volk zu beschwichtigen und ermahnten ihre Heerden in diesem kritischen Zeitpunkte dem Fürsten, mit dessen Geschick das Geschick der ganzen Nation verkettet sei, eine herzliche Unterstützung nicht vorzuenthalten. Burnet erzählte einer zahlreichen Gemeinde von der Kanzel herab, wie die Griechen, als der Großtürke Anstalt machte, Constantinopel zu belagern, nicht bewogen werden konnten, einen Theil ihres Reichthums der gemeinsamen Vertheidigung zum Opfer zu bringen und wie bitter sie nachher ihren Geiz bereueten, als sie gezwungen wurden, den siegreichen Ungläubigen die Schätze auszuliefern, die sie den Bitten des letzten christlichen Kaisers abgeschlagen hatten.77
Stimmung der Whigs
Die Whigs in ihrer Gesammtheit bedurften jedoch einer solchen Mahnung nicht, denn bei all’ ihrem Aerger und Unmuth erkannten sie doch sehr wohl, daß von der Stabilität des Thrones Wilhelm’s Alles abhing, was ihnen am höchsten galt. Wozu einige von ihnen sich vielleicht hätten verleiten lassen, wenn sie einen andren Führer hätten finden können, wenn zum Beispiel ihr protestantischer Herzog, ihr König Monmouth noch am Leben gewesen wäre, mag dahin gestellt bleiben. Jetzt hatten sie keine andre Wahl als zwischen dem Fürsten, den sie auf den Thron gesetzt, und dem Fürsten, den sie vom Throne gestoßen hatten. Es wäre wahrhaftig sehr sonderbar gewesen, wenn sie für Jakob Partei genommen hätten, um Wilhelm zu bestrafen, dem sie keinen schlimmeren Fehler zur Last legen konnten, als daß er die rachsüchtigen Gefühle nicht theilte, mit denen sie der Tyrannei Jakob’s gedachten. So sehr ihnen die Amnestiebill mißfiel, sie hatten die blutigen Assisen nicht vergessen. Sie blieben daher trotz ihrer Verstimmung ihrem eigenen Könige treu und waren, obgleich sie über ihn murrten, bereit, ihm mit Gut und Blut wider seinen Gegner beizustehen.78
Verkehr einiger Whigs mit Saint-Germains. Shrewsbury; Ferguson
Es gab allerdings Ausnahmen, aber es waren ihrer nur sehr wenige und sie kamen fast nur in zwei Klassen vor, deren gesellschaftliche Stellung zwar weit von einander verschieden war, die sich aber in Lauheit der Grundsätze sehr ähnelten. Alle die Whigs, von denen man weiß, daß sie mit Saint-Germains in Unterhandlung standen, gehörten nicht dem Hauptkörper der Partei, sondern entweder dem Kopfe oder dem Schweife derselben an. Es waren entweder Patrizier von hohem Range und hoher amtlicher Stellung, oder Lumpe, die schon seit langer Zeit zu den unsaubersten Parteizwecken benutzt wurden. Zur ersteren Klasse gehörte Shrewsbury, die hervorragendste Persönlichkeit der letzteren war Robert Ferguson. Von dem Tage, an welchem das Conventionsparlament aufgelöst wurde, fing Shrewsbury an in seiner Treue zu wanken; im Publikum aber bekam man davon erst lange nachher eine Ahnung. Daß Ferguson wenige Monate nach der Revolution ein wüthender Jakobit geworden, war Niemandem ein Geheimniß und konnte eigentlich auch Niemanden Wunder nehmen. Er konnte für seinen Abfall nicht einmal den erbärmlichen Entschuldigungsgrund anführen, daß er zurückgesetzt worden sei. Die schmachvollen Dienste, die er früher seiner Partei als Spion, als Anstifter von Unruhen, als Vertheiler von Bestechungen, als Verfasser von Libellen, als Einbläser falscher Zeugen geleistet hatte, waren für die Ehre der neuen Regierung nur zu freigebig belohnt worden. Ein hohes Amt konnte er daher unmöglich bekleiden. Aber es war für ihn eine Sinekure mit fünfhundert Pfund jährlichem Gehalte im Departement der Accise creirt worden. Er besaß daher was nach seinen Begriffen Reichthum war; aber Reichthum befriedigte ihn nicht. Zwar hatte er nie Bedenken getragen, für Geld Betrügereien, welche durch Heuchelei noch erschwert wurden, zu verüben; doch war die Liebe zum Gelde nicht seine stärkste Leidenschaft. Lange Gewohnheit hatte in ihm einen moralischen Krankheitszustand entwickelt, von dem Leute, welche die politische Agitation zu ihrem Lebensberufe erwählt haben, selten ganz frei sind. Er konnte nicht Ruhe halten. Das Aufwiegeln, das ursprünglich sein Geschäft gewesen, war dadurch auch sein Vergnügen geworden. Er konnte eben so wenig leben, ohne Unheil zu stiften, wie ein alter Branntweintrinker oder ein alter Opiumesser ohne seine tägliche Portion Gift leben kann. Gerade die Unbequemlichkeiten und Gefahren eines gesetzwidrigen Lebens hatten einen unwiderstehlichen Reiz für ihn. Er konnte eben so wenig in einen friedlichen und loyalen Unterthan verwandelt werden, wie der Fuchs in einen Schäferhund verwandelt werden oder wie die СКАЧАТЬ
73
Dieser Dialogue between a Lord Lieutenant and his Deputies findet sich nicht in der Sammlung von Warrington’s Schriften, welche im Jahre 1694 wie es scheint mit Genehmigung seiner Familie erschien.
74
Van Citters an die Generalstaaten 18. (28.) März, 4. (14.) April 1690; Narcissus Luttrell’s Diary; Burnet II. 72.; The Triennial Mayor, or the Rapparees, a Poem, 1691. Der Dichter sagt von einem der neuen Civilbeamten:
75
Treasury Minute Book, Feb. 5. 1689/90.
76
Van Citters, 11. (21.) Febr., 14. (24.) März, 18. (28.) März 1690.
77
Van Citters, 14. (24.) März; 1690. Die Predigt ist noch vorhanden. Sie wurde in der Bowkirche vor dem Collegium der Aldermen gehalten.
78
Welwood’s Mercurius Reformatus, Febr. 12. 1690.