Название: Der Zauberberg. Volume 2
Автор: Томас Манн
Издательство: РИПОЛ Классик
Жанр: Зарубежная классика
isbn: 978-5-521-06257-7, 978-5-521-05933-1
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"Ja, ja; aber warum ist er nicht Pater geworden? Er hätte doch wohl das Alter dazu."
"Ich sagte Ihnen ja, daß die Krankheit es war, die ihn vorläufig daran gehindert hat."
"Gut, aber meinen Sie nicht: wenn er erstens Jesuit ist und zweitens ein Mann von Geist, mit Kombinationen – daß dies zweite, Hinzukommende, mit der Krankheit zu tun hat?"
"Was wollen Sie damit sagen?"
"Nein, nein, Herr Settembrini. Ich meine nur: er hat eine feuchte Stelle, und die hindert ihn, Pater zu werden. Aber seine Kombinationen hätten ihn auch wohl daran gehindert, und in-sofern – gewissermaßen, gehören die Kombinationen und die feuchte Stelle zusammen. Er ist auf seine Art auch so was wie ein Sorgenkind des Lebens, ein joli jésuite mit einer petite tache humide."
Sie hatten das Sanatorium erreicht. Auf der Plattform vorm Hause blieben sie noch etwas stehen, bevor sie sich trennten, traten zu einer kleinen Gruppe zusammen, während ein paar Pa-tienten, die am Portal herumlungerten, ihrem Gespräche zusa-hen. Herr Settembrini sagte:
"Um es zu wiederholen, meine jungen Freunde, ich warne Sie. Ich kann Ihnen nicht verwehren, die einmal gemachte Be-kanntschaft zu kultivieren, wenn die Neugier Sie dazu treibt. Aber wappnen Sie Herz und Geist dabei mit Mißtrauen, lassen Sie es niemals fehlen an kritischem Widerstand. Ich werde Ihnen diesen Mann mit einem Worte kennzeichnen. Er ist ein Wollüstiger."
Die Gesichter der Vettern verzogen sich. Dann fragte Hans Castorp:
"Ein … wie? Erlauben Sie, er ist doch Ordensmann. Da sind ja bestimmte Gelübde zu leisten, soviel ich weiß, und außerdem ist er so miekerig und leibarm …"
"Sie reden töricht, Ingenieur", erwiderte Herr Settembrini. "Das hat mit Leibarmut gar nichts zu tun, und was die Gelübde betrifft, so gibt es da Vorbehalte. Ich sprach jedoch in einem weiteren und geistigeren Sinn, für den ich nachgerade Verständ-nis bei Ihnen sollte voraussetzen dürfen. Erinnern Sie sich wohl noch, wie ich Sie eines Tages auf Ihrem Zimmer besuchte – es ist lange her, furchtbar lange – , Sie absolvierten eben die Bett-ruhe nach erfolgter Aufnahme …"
"Selbstverständlich! Sie traten in der Dämmerung ein und machten Licht, ich weiß es wie heute …"
"Gut, damals kamen wir im Plaudern, wie es gottlob des öf-teren geschieht, auf höhere Gegenstände. Ich glaube gar, wir sprachen von Tod und Leben, von den Würden des Todes, inso-fern er Bedingung und Zubehör des Lebens ist, und von der Fratzenhaftigkeit, der er verfällt, wenn der Geist ihn abscheulicherweise als Prinzip isoliert. Meine Herren!" fuhr Herr Settembrini fort, indem er dicht vor die beiden jungen Leute hin-trat, Daumen und Mittelfinger der Linken gabelförmig gegen sie spreizte, gleichsam, um sie zur Aufmerksamkeit zusammen-zufassen, und den Zeigefinger der Rechten mahnend erhob … "Prägen Sie sich ein, daß der Geist souverän ist, sein Wille ist frei, er bestimmt die sittliche Welt. Isoliert er dualistisch den Tod, so wird derselbe durch diesen geistigen Willen wirklich und in der Tat, actu, Sie verstehen mich, zur eigenen, dem Leben entgegengesetzten Macht, zum widersacherischen Prinzip, zur großen Verführung, und sein Reich ist das der Wollust. Sie fragen mich, warum der Wollust? Ich antworte Ihnen: weil er löst und erlöst, weil er die Erlösung ist, aber nicht die Erlösung vom Übel, sondern die üble Erlösung. Er löst Sitte und Sittlich-keit, er erlöst von Zucht und Haltung, er macht frei zur Wollust. Wenn ich Sie warne vor dem Manne, dessen Bekanntschaft ich Ihnen ungern vermittelte, wenn ich Sie auffordere, im Verkehr und Diskurs mit ihm Ihre Herzen dreimal mit Kritik zu umgürten, so geschieht es, weil alle seine Gedanken wollüstiger Art sind, denn sie stehen unter dem Schutze des Todes, – einer höchst liederlichen Macht, wie ich Ihnen damals sagte, Inge-nieur, – ich erinnere mich wohl meines Ausdrucks, ich behalte tüchtige und treffliche Äußerungen, die zu tun ich Gelegenheit fand, stets im Gedächtnis – , einer gegen Gesittung, Fortschritt, Arbeit und Leben gerichteten Macht, vor deren mephitischem Hauch junge Seelen zu. schützen des Erziehers vornehmste Pflicht ist."
Man konnte nicht besser sprechen als Herr Settembrini, nicht klarer und gerundeter. Hans Castorp und Joachim Ziemßen be-dankten sich recht schön bei ihm für das Gehörte, empfahlen sich und erstiegen das Berghofportal, während Herr Settembrini, eine Treppe über Naphtas seidene Zelle hinaus, an sein Hu-manistenpult zurückkehrte.
Es war der erste Besuch der Vettern bei Naphta, dessen Verwir hier festhielten. Seither waren demselben zwei oder drei weitere gefolgt, einer sogar in Abwesenheit Herrn Settembrinis; und auch sie lieferten dem jungen Hans Castorp Stoff zur Betrachtung, wenn er, indes das Hochgebild, genannt Homo Dei, seinem inneren Auge vorschwebte, an dem blaublühenden Ort seiner Zurückgezogenheit saß und "regierte".
Jähzorn. Und noch etwas ganz Peinliches
So kam der August, und glücklich war unter seinen ersten Tagen der Jahrestag von unseres Helden Ankunft bei uns hier oben vorübergeschlüpft. Nur gut, daß er vorüber war – er hatte dem jungen Hans Castorp etwas unangenehm vorgestanden. So war es die Regel. Der Tag der Ankunft war nicht beliebt, es wurde seiner unter den Voll – und Mehrjährigen nicht gedacht, und während doch sonst kein Vorwand zu Festivität und Becher-klang unbenutzt blieb, die allgemeinen und großen Betonungen im Jahresrhythmus und – pulslauf durch möglichst viele private und irreguläre vermehrt und Geburtstage, Generaluntersuchun-gen, bevorstehende wilde oder echte Abreisen und dergleichen Anlässe mehr mit Schmaus und Pfropfenknall im Restaurant be-gangen wurden – widmete man diesem Gedenktage nichts als Stillschweigen, ließ sich darüber hinweggleiten, vergaß auch I wohl wirklich, auf ihn zu achten und durfte vertrauen, daß die andern ihn überhaupt nicht so genau im Sinne hatten. Auf Glie-derung hielt man wohl; man beobachtete den Kalender, den Turnus, die äußere Wiederkehr. Aber die Zeit, die sich für den einzelnen mit dem Raum hier oben verband, die persönliche und individuelle Zeit also zu messen und zu zählen war Sache der Kurzfristigen und Anfänger; die Eingesessenen lobten sich in dieser Hinsicht das Ungemessene und Achtlos-Ewige, den Tag, der immer derselbe war, und einer setzte mit Zartgefühl beim anderen einen Wunsch voraus, den er selber hegte. Es hätte für ganz und gar ungeschickt und brutal gegolten, jemandem zu sagen, heut sei er drei Jahre hier, – das kam nicht vor. Frau Stöhr selbst, so weit es ihr sonst immer fehlen mochte, in diesem Punkt war sie taktfest und abgeschliffen, nie wäre ein sol-cher Verstoß ihr unterlaufen. Ihr Kranksein, der Fieberstand ih-res Körpers war mit großer Unbildung verbunden, gewiß. Noch kürzlich hatte sie bei Tische von der "Affektation" ihrer Lun-genspitzen gesprochen und, als das Gespräch auf historische Dinge gekommen war, erklärt, Geschichtszahlen seien nun ein-mal ihr "Ring des Polykrates", was ebenfalls eine gewisse Er-starrung der Umsitzenden hervorgerufen hatte. Aber daß sie et-wa im Februar den jungen Ziemßen an sein Jubiläum hätte erinnern sollen, wäre undenkbar gewesen, obgleich sie wahr-scheinlich daran gedacht hatte. Denn ihr unseliger Kopf war na-türlich voll unnützer Daten und Dinge, und sie liebte es, anderen nachzurechnen; aber die Sitte hielt sie im Zaum.
So denn auch an Hans Castorps Tage. Sie hatte ihm wohl beim Essen einmal bedeutlich zuzuzwinkern versucht, aber da er dem Zeichen mit leerer Miene begegnet war, hatte sie sich schleunigst zurückgezogen. Auch Joachim hatte gegen den Vet-ter geschwiegen, und doch war er des Datums wohl eingedenk gewesen, an dem er den Zu-Besuch-Kommenden von Station "Dorf" abgeholt hatte. Aber Joachim, zum Reden von Natur schon nicht sehr geneigt, bei weitem nicht so, wie Hans Castorp es wenigstens hier oben geworden, von Humanisten und Rabu-listen ihrer Bekanntschaft ganz zu schweigen, – Joachim hatte sich in letzter Zeit eine besondere und auffallende Schweigsam-keit angeeignet, nur Einsilbigkeiten kamen noch über seine Lip-pen, aber in seiner Miene arbeitete es. Es war klar, daß sich für ihn mit Station "Dorf" andere Vorstellungen verbanden als die СКАЧАТЬ