Eine Teufelsaustreibung und andere Geschichten. Николай Лесков
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СКАЧАТЬ gleichen Augenblick, als Sganarell die Stelle erreichte, wo auf ihn hinter Schneewällen die Kuchenreuterschen Musketen Chraposchkas und Flegonts gerichtet waren, riß der Strick. Der Balken flog wie ein Pfeil aus einem Bogen auf die eine Seite, während der Bär das Gleichgewicht verlor und hinpurzelte.

      Denen, die auf dem Felde zurückgeblieben waren, bot sich nun ein neues schreckliches Bild: der Balken fegte die Gewehrstützen und den Schneewall, hinter dem Flegont im Hinterhalte saß, einfach weg und blieb mit dem einen Ende in einem der Schneehaufen stecken. Sganarell verlor aber keine Zeit; er überschlug sich drei oder viermal und ging direkt auf das Versteck Chraposchkas zu …

      Sganarell erkannte augenblicklich seinen Freund, hauchte ihn aus seinem heißen Rachen an und wollte ihn schon ins Gesicht lecken, als plötzlich von der anderen Seite her ein von Flegont abgegebener Schuß knallte. Der Bär entkam in den Wald, und Chraposchka fiel ohnmächtig um.

      Man hob ihn auf und untersuchte ihn: die Kugel hatte seinen Arm durchbohrt, in der Wunde steckte aber auch ein Büschel Bärenhaare.

      Flegont büßte den Ruf des besten Schützen nicht ein: er hatte ja in großer Hast aus der schweren Büchse ohne Stütze geschossen, es war auch nicht mehr hell genug gewesen, und der Bär und Chraposchka waren allzueng beieinander gestanden.

      Unter diesen Umständen mußte auch dieser Schuß, der das Ziel nur um ein Haarbreit verfehlt hatte, als ein Meisterschuß angesehen werden.

      So oder anders, – Sganarell war jedenfalls entkommen! Ihn noch am gleichen Abend im Walde zu verfolgen, war ganz unmöglich, am nächsten Morgen aber war der Geist dessen, der hier allein zu befehlen hatte, von einer ganz neuen Stimmung erleuchtet.

      XV

      Als der Onkel nach den geschilderten Mißerfolgen nach Hause zurückkehrte, war er zorniger und härter als je. Noch ehe er aus dem Sattel sprang, gab er den Befehl, morgen in aller Frühe die Spuren des Bären im Walde zu suchen und ihn so zu umstellen, daß er nicht mehr entrinnen könnte.

      Eine richtig durchgeführte Jagd hätte natürlich zu einem ganz anderen Resultate führen müssen.

      Alle erwarteten nun, was der Onkel wegen des verwundeten Chraposchka befehlen würde. Alle glaubten, daß ihn etwas Schreckliches erwartete. Er hatte sich zumindest die Nachlässigkeit zu schulden kommen lassen, daß er dem Bären in dem Augenblick, als ihn dieser in seinen Tatzen gehalten, nicht sein Jagdmesser in die Brust gestoßen hatte. Es bestand außerdem noch der schwere und wohl auch begründete Verdacht, daß Chraposchka die Hand gegen seinen zottigen Freund nicht hatte erheben wollen und ihn absichtlich laufen gelassen hatte.

      Die allen bekannte Freundschaft zwischen Chraposchka und Sganarell machte diese letztere Hypothese sehr wahrscheinlich.

      So dachten nicht nur die Jagdteilnehmer, sondern auch alle übrigen Gäste.

      Wir lauschten den Gesprächen der Erwachsenen, die sich abends im großen Saal um den für uns angezündeten Weihnachtsbaum versammelt hatten, und teilten den allgemeinen Verdacht bezüglich Chraposchkas wie auch die Angst um sein Los.

      Aus dem Vorzimmer, durch das der Onkel vom Flur in seine Gemächer gegangen war, drang in den Saal das Gerücht, daß er Chraposchkas Namen überhaupt noch nicht erwähnt hatte.

      »Ist das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?« flüsterte jemand, und dieses Flüstern weckte bei der allgemeinen gedrückten Stimmung einen Widerhall in jedem Herzen.

      Es erreichte auch den alten, mit dem Bronzekreuz für das Jahr 1812 ausgezeichneten Dorfgeistlichen P. Alexej. Dieser seufzte auf und sagte leise:

      »Betet zum Heiland, der uns heute geboren wurde!«

      Mit diesen Worten bekreuzigte er sich, und alle Anwesenden, die Erwachsenen wie die Kinder, die Herrschaften wie die Leibeigenen, taten dasselbe. Es war auch just die höchste Zeit. Kaum hatten wir unsere Hände, mit denen wir das Zeichen des Kreuzes gemacht hatten, sinken lassen, als die Türe weit aufging und der Onkel mit einem Stöckchen in der Hand in den Saal trat. Ihn begleiteten seine beiden Lieblingswindspiele und der Kammerdiener Justin. Der letztere trug auf einem silbernen Teller das weiße Foulardtuch und die mit dem Bildnisse Pauls I. geschmückte Schnupftabaksdose seines Herrn.

      XVI

      Der Lehnstuhl für den Onkel war auf einem kleinen Perserteppich in der Mitte des Zimmers vor dem Weihnachtsbaum aufgestellt. Er setzte sich schweigend in den Sessel und nahm aus Justins Händen das Tuch und die Schnupftabaksdose. Die beiden Windspiele legten sich sofort zu seinen Füßen nieder und streckten ihre langen Schnauzen vor sich aus.

      Der Onkel trug einen blauseidenen, reichgestickten, mit silbernen Filigranschnallen und großen Türkisen verzierten Hausrock. In der Hand hatte er einen dünnen, doch kräftigen Stock aus kaukasischer Weichsel.

      Diesen Stock brauchte er diesmal als Stütze: von der allgemeinen Panik, mit der die Bärenjagd geendet hatte, war selbst die vorzüglich zugerittene »Modedame« angesteckt worden; sie hatte sich in wilder Angst auf die Seite geworfen und das Bein ihres Herrn fest gegen einen Baum geklemmt.

      Der Onkel fühlte heftigen Schmerz im Bein und hinkte sogar ein wenig. Dieser neue Umstand war selbstverständlich nicht dazu angetan, um sein ohnehin aufgebrachtes und erbostes Herz milder zu stimmen. Auch machte es einen schlechten Eindruck, daß wir alle beim Erscheinen des Onkels plötzlich verstummt waren. Wie alle argwöhnischen Menschen, konnte er so etwas nicht leiden, und P. Alexej beeilte sich, das Wort zu ergreifen, um die unheimliche Stille zu brechen.

      Der Geistliche wandte sich an uns Kinder, die um ihn standen, mit der Frage, ob wir den Sinn des Chorals »Christ wird geboren« auch verstünden? Es stellte sich heraus, daß dieser Sinn nicht nur uns Kindern, sondern auch den Erwachsenen nicht recht klar war. Der Geistliche begann uns den Sinn der Worte »Preiset«, »Lobsinget« und »Erhebet euch« zu erklären; als er bei diesem letzten Worte angelangt war, »erhob er sich« selbst mit Herz und Geist. Er sprach von den »Gaben«, die heute ebenso wie damals auch der Ärmste vor die Krippe des göttlichen Knäbleins bringen könne und die würdiger und wertvoller seien, als das Gold, der Weihrauch und die Myrrhen der heiligen drei Könige. Die schönste Gabe sei ein durch seine Lehre bekehrtes Herz. Der Alte sprach von Liebe, Verzeihung und von der Pflicht eines jeden, Freund und Feind »im Namen Christi« zu trösten … Seine Worte waren wohl ungemein eindringlich … Wir alle verstanden, was er damit bezweckte und hörten ihm mit einem eigentümlichen Gefühl zu: wir beteten gleichsam, daß seine Worte ihren Zweck erreichten, und manchem von uns waren Tränen in die Augen getreten …

      Plötzlich fiel etwas hin … Es war Onkels Stock … Man hob ihn auf, er rührte ihn aber nicht an: er saß tief gebückt, seine Hand hing über die Sessellehne herab, und seine Finger hielten einen der großen Türkise … Er ließ den Stein fallen, doch niemand beeilte sich, ihn aufzuheben …

      Alle Blicke waren auf sein Gesicht gerichtet. Etwas Ungewöhnliches bot sich unseren Augen: er weinte!

      Der Geistliche schob uns Kinder sanft zur Seite, ging auf den Onkel zu und erteilte ihm den Priestersegen.

      Der Onkel hob das Gesicht, ergriff die Hand des Alten, küßte sie ganz unerwartet und sagte leise: »Danke!«

      Dann blickte er Justin an und ließ Ferapont rufen.

      Dieser erschien, bleich, mit verbundenem Arm.

      »Hierher!« befahl ihm der Onkel, auf den Teppich vor seinem Sessel zeigend.

      Chraposchka kam näher und fiel in die Knie.

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