Название: Eine Teufelsaustreibung und andere Geschichten
Автор: Николай Лесков
Издательство: Public Domain
Жанр: Русская классика
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IV
Mit der Auswahl dieses »klügsten« Bären wurde Chrapon betraut. Da er mehr als alle andern mit den Bären zu tun hatte und als großer Kenner ihres Charakters galt, wurde natürlich angenommen, daß er besser als jemand anderer diese Wahl vornehmen könne. Chrapon hatte auch die volle Verantwortung für die Folgen seiner Wahl zu tragen. Er wählte gleich das erstemal einen ungewöhnlich gelehrigen und klugen Bären, der einen sehr seltsamen Namen erhielt; während fast alle Bären in Rußland »Mischka« heißen, wurde dieser mit dem spanischen Namen »Sganarell« ausgezeichnet. Er hatte bereits fünf Jahre in Freiheit gelebt und noch keinen einzigen dummen Streich verübt. Wenn man von einem Bären sagte, daß er »Streiche mache«, so meinte man, daß er seine Tiernatur bereits irgendwie gezeigt habe.
Einen solchen »Streichemacher« setzte man zunächst in den »Graben«, der auf der geräumigen Wiese zwischen der Tenne und dem Walde angelegt war; nach einiger Zeit ließ man ihn auf die Wiese hinaus, indem man einen Balken in den Graben steckte, über den er dann selbst herauskletterte, und hetzte ihn mit jungen »Blutegeln«. Wenn die jungen Hunde mit dem Bären nicht fertig werden konnten und die Gefahr bestand, daß er in den Wald entrinnen könne, traten zwei geschickte Jäger, die im Hinterhalt aufgestellt waren, mit ihren ausgewählten Meuten in Aktion und machten dem Bären ein schnelles Ende.
Und wenn auch diese Hunde sich so ungeschickt anstellten, daß der Bär sich auf die »Insel«, d. h. in den Wald, der mit den weiten Brjansker Wäldern zusammenhing, flüchten konnte, so feuerte auf ihn ein eigens bereitgestellter Schütze aus einer langen schweren Kuchenreuterschen Gabelmuskete die tödliche Kugel ab.
Es war noch nie vorgekommen, daß ein Bär allen diesen Gefahren entronnen wäre; das wäre auch zu schrecklich gewesen, denn die Schuldigen wären wohl kaum mit dem Leben davongekommen.
V
Die kluge und solide Natur Sganarells hatte zur Folge, daß es eine solche Hetzjagd oder Bärenhinrichtung schon seit fünf Jahren nicht gegeben hatte. Sganarell war in dieser Zeit zu einem großen Bären von ungewöhnlicher Kraft, Schönheit und Gelenkigkeit herangewachsen. Er hatte eine runde, stumpfe Schnauze und einen recht schlanken Körperbau, so daß er eher einem riesengroßen Griffon oder Pudel, als einem Bären ähnlich sah. Sein Hinterteil war etwas schmächtig und von kurzem, glänzenden Fell bedeckt, aber die Schultern und das Genick waren stark entwickelt und üppig behaart. Sganarell war so gescheit wie ein Pudel und konnte einige, bei Bären sehr seltene Kunststücke: er verstand gut und schnell auf den Hinterbeinen vorwärts und auch rückwärts zu laufen, eine Trommel zu schlagen und mit einem langen Stock, der wie ein Gewehr angemalt war, zu exerzieren; ebenso gerne und sogar mit größerer Freude schleppte er mit den Bauern die schwersten Säcke zur Mühle und trug mit unnachahmlicher drolliger Eleganz einen hohen, spitzen, mit einer Pfauenfeder oder einem Strohwisch geschmückten Filzhut auf dem Kopfe.
Aber auch für Sganarell schlug einmal die Schicksalsstunde: die Tiernatur gewann die Oberhand. Kurz vor meinem Besuch im Hause des Onkels hatte sich Sganarell mehrere Verfehlungen zu schulden kommen lassen, von denen eine schwerer war als die andere.
Das Programm der verbrecherischen Handlungen Sganarells war dasselbe wie bei allen seinen Vorgängern: als erste Kraftprobe riß er einer Gans einen Flügel ab; dann legte er seine Tatze einem Füllen, das seiner Mutter nachlief, auf den Rücken und brach ihm das Rückgrat; zuletzt erregten irgendein blinder alter Bettler und dessen Führer sein Mißfallen; er wälzte sich mit ihnen im Schnee und zerquetschte ihnen Arme und Beine.
Der Blinde und sein Führer kamen ins Krankenhaus, Chrapon aber erhielt den Befehl, Sganarell in den Graben zu bringen, aus dem es nur einen Weg – in den Tod – gab.
Als Annuschka mich und meinen kleinen Vetter abends zu Bett legte, erzählte sie uns, daß es bei der Überführung Sganarells in den Graben, wo er auf die Todesstrafe zu warten hatte, allerlei Rührendes gegeben habe. Chrapon habe ihm nicht den üblichen Ring durch die Nase gezogen und überhaupt nicht die geringste Gewalt angewandt, sondern nur gesagt:
»Tier, komm mit!«
Der Bär erhob sich und ging sofort mit; besonders komisch wirkte es, daß er seinen Hut mit dem Strohwisch aufsetzte, Chrapon wie einen Freund umarmte und mit ihm so bis zum Graben ging.
Sie waren ja auch wirkliche Freunde.
VI
Chrapon hatte mit Sganarell natürlich das größte Mitleid, konnte ihm aber gar nicht helfen. In dem Hause, wo sich dies abspielte, wurde, wie schon gesagt, kein einziges Vergehen verziehen, und Sganarell, der sich dermaßen kompromittiert hatte, mußte seine Streiche mit dem grausamen Tode büßen.
Die Hetzjagd sollte als eine Nachmittagszerstreuung für die Gäste, die sich bei meinem Onkel zu Weihnachten versammelten, stattfinden. Die Anordnungen zu dieser Jagd wurden zur gleichen Zeit gegeben, als Chrapon den Befehl bekam, den schuldigen Sganarell in den Graben zu bringen.
VII
Man pflegte die Bären auf eine höchst einfache Weise in den Graben zu setzen. Man legte quer über die Öffnung einige leichte schwache Stangen, überdeckte diese mit Reisig und schüttete darüber Schnee. Das Loch wurde so geschickt maskiert, daß der Bär die Falle gar nicht merken konnte. Man brachte das folgsame Tier bis zu dieser Stelle und ließ es weiter gehen. Es machte einen oder zwei Schritte und stürzte plötzlich in den tiefen Graben, aus dem es nicht mehr herauskommen konnte. Der Bär saß hier bis zu der für die Hetzjagd angesetzten Stunde. Dann legte man schräg in den Graben einen etwa sieben Ellen langen Balken, und der Bär kletterte heraus, worauf sofort die Hetzjagd begann. Wenn aber das kluge Tier Unheil witterte und nicht herauskommen wollte, zwang man es, den Graben zu verlassen, indem man mit langen, mit eisernen Spitzen versehenen Stangen nach ihm stach, brennendes Stroh in den Graben warf, oder blinde Schüsse aus Gewehren und Pistolen abfeuerte.
Nachdem Chrapon den Bären auf die beschriebene Weise in den Graben gebracht hatte, kehrte er tief betrübt nach Hause zurück. Unbedachterweise erzählte er seiner Schwester und unserer Wärterin, wie willig ihm das Tier gefolgt war, wie es, nachdem es durch den Reisig in den Graben gestürzt war, sich auf den Boden hingesetzt, die Vordertatzen wie Hände zusammengelegt und zu weinen angefangen hatte.
Chrapon sagte seiner Schwester, daß er vom Graben so schnell er konnte weggelaufen sei, um das jämmerliche Stöhnen Sganarells nicht zu hören, das ihm ins Herz geschnitten habe.
»Ich danke nur Gott,« fügte er hinzu, »daß es jemand anderem und nicht mir befohlen wird, auf ihn zu schießen, wenn er Reißaus nimmt. Wenn diese Pflicht mir zufiele, würde ich alle Strafen über mich ergehen lassen, aber um nichts in der Welt auf das Tier schießen.«
VIII
Annuschka teilte uns das alles mit, und wir gaben es unserem Hauslehrer Kolberg weiter. Kolberg aber erzählte es dem Onkel, um ihn zu amüsieren. Als der Onkel es hörte, sagte er: »Der Chraposchka ist gut!« und klatschte dreimal in die Hände.
Das war das Signal für den alten französischen Kammerdiener Ustin Petrowitsch, einen ehemaligen Kriegsgefangenen vom Jahre 1812.
Ustin Petrowitsch, oder eigentlich Justin, erschien in seinem saubergebürsteten lila Frack mit silbernen Knöpfen, und mein Onkel gab ihm den Befehl, daß man bei der bevorstehenden Bärenjagd als Reserveschützen einen gewissen Flegont, der niemals sein Ziel verfehlte, und Chrapon aufstellen solle.
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