Название: Rittmeister Brand; Bertram Vogelweid
Автор: Marie von Ebner-Eschenbach
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
isbn:
isbn:
IV
Eines Abends in der Offiziersmenage, – auch der Oberst war da und saß an einem Tische mit Brand, – kam das Gespräch auf allgemeine militärische Verhältnisse. Die Herren geriethen in Eifer, Dietrich behandelte mit besonderer Wärme sein Lieblingsthema: Keine Institution ist zur Erfüllung des hohen Zweckes, die Menschen zu erziehen, so berufen und so fähig wie die Institution des Waffendienstes. Sie stellt die strengsten Anforderungen an die Pflichttreue, Ehrenhaftigkeit, den Mannesmuth. Sie verlangt blinden Gehorsam von den Geführten und deshalb von den Führern sehende Augen, klaren Vorausblick, scharfen Einblick. Sie verlangt von ihnen Gerechtigkeit und Strenge, denn nicht Freiheit braucht der Mensch, der Mensch braucht Zucht. Aber weise muß die Strenge sein; unweise Strenge wird immer Grausamkeit und unter dem grausamen Führer die Mannschaft zur wilden Rotte. Der Dutzendoffizier verroht, der tüchtige verbittert. Ein Fluch für die Armee ist Jeder, der Gewalt hat über Andere und nicht über sich selbst, ein Verräther, der unseren Stand dem Haß und der Verleumdung ausliefert.
Er sah, während er sprach, dem Obersten fest ins Gesicht, und der erwiderte kein Wort, zog die giftigen Äuglein nur immer mehr zusammen. Plötzlich stand er auf, nickte den Herren, die alle zugleich seinem Beispiel folgten, kaum merklich zu und ging nach Hause.
Besonders zeitig fand er sich am nächsten Morgen auf der Reitschule ein, wo Brand Chargenreiten abhielt.
Schon als er vom Pferde stieg, sich in den breiten Hüften wiegte, die Beine warf, daß ihm die Kniescheiben knackten, und am staubfarbigen Schnurrbart ungeduldig zupfte, wußten seine unglücklichen Untergebenen: Der ist geladen. Gnade Gott Jedem, den er heute aufs Korn nimmt.
Der Oberst untersuchte die Packung, die Zäumung, die Bügelschnallung, tadelte Alles, fand auch die Wartung der Pferde, die Haltung der Reiter miserabel, unterzog die Abrichtung selbst einer herben Kritik.
»Herr Rittmeister Brand,« hieß es auf einmal, »Sie scheinen vorzugehen nach einem ganz neuen, eigens von Ihnen erfundenen Reglement. Ihre Unteroffiziere haben die schlechtesten Pferde.«
»Entschuldigen Herr Oberst, das ist nicht der Fall,« antwortete Brand.
»Wie, nicht der Fall?« Er bezeichnete ein Pferd in der Abtheilung Wildensteins, der eben aufgesessen war, und auf den Befehl, in die Reitschule zu kommen, wartete: »Der Braune dort im zweiten Glied ist mir lieber als alle Ihre Unteroffiziers-Pferde.«
»Aber auf einem Auge blind,« sprach Dietrich mit größter Ruhe.
Der Oberst schnaubte: »Was? … Sie … Den mein’ ich nicht. Den andern, den lichten, der ist das richtige Unteroffiziers-Pferd.«
»Er ist’s auch gewesen, aber Herr Oberst haben ihn selbst vor vierzehn Tagen als untauglich dazu erklärt.«
Das auf offener Reitschule, vor aller Mannschaft. Dem Obersten liefen dicke Schweißtropfen über die Hängebacken, er biß die Lippen und wendete sich der Abtheilung des zweiten Rittmeisters zu. Mit dem war der Kampf leichter aufzunehmen, der sollte jetzt büßen für den Freund und für sich selbst, hatte ihn der Regiments-Kommandant doch schon lange genug im Magen, den melancholischen Frechling, der es wagte, die Frau Oberstin anzuschmachten.
Die Nörgeleien begannen. Wildenstein erfuhr Rüge um Rüge, Spott um Spott. Was einen Menschen, der seine Schuldigkeit thut, und mehr als seine Schuldigkeit, nur reizen und demüthigen kann, folgte Schlag auf Schlag. Nun entsetzte sich der Oberst plötzlich über das Aussehen eines der Dragoner.
»Kommandiren Sie den Mann in die Mitte der Reitschule,« befahl er, und nachdem das geschehen war, betrachtete er den armen Teufel von Rekruten, einen blutjungen, plumpen, hochschultrigen Burschen, und schrie dann auf, mit geheucheltem Zorn: »Der ist ja bucklig. Sagen Sie mir einmal, Herr Rittmeister Wildenstein, wie heißt der Mann? – Wie er heißt, frag’ ich.«
Merkwürdig – der Rittmeister besinnt sich. Hat ihn das Gedächtniß verlassen, hat er nicht reden können, weil es schon so gekocht hat in ihm, er antwortete nicht. Da brach der Oberst in ein abscheuliches Lachen aus: »Ach ja, freilich, Männernamen merken Sie sich nicht. Freilich, freilich, wenn eine Amalia Rosenduft oder eine Eulalia Lilienstengel da oben säße, da hätten Sie nicht nöthig, erst lange nachzudenken. Ich muß Ihnen doch rathen, befassen Sie sich zeitweise wenigstens mit dem, was Ihre Pflicht ist.«
»Herr Oberst«, knirschte Wildenstein, und in seine Arme hätte Dietrich ihn nehmen, wegtragen hätte er ihn mögen. Er sieht es ihm an, es ist aus mit seiner Selbstbeherrschung, seiner Willenskraft, mit Allem.
»Schweigen Sie,« donnerte der Oberst ihn an. »Riskiren Sie nicht ein einziges Wort, man soll das Schicksal nicht versuchen, wenn man so wenig Glück hat wie Sie.«
Das war mit einer so schändlich gemeinen Ironie gesprochen, daß es Jeden anwiderte, der es mit anhören mußte. Wildenstein war leichenblaß: »Herr Oberst,« sprach er mit lauttönender Stimme, »ich dulde das nicht, das gehört nicht hierher.« Seine Hand ballte sich um den Säbelgriff, er trat auf den Kommandanten zu.
Brand sprang ihm nach, packte ihn und hielt ihn fest.
»Gehen Sie zum Profosen, ich mache Ihnen den Proceß,« sagte der Oberst. Er triumphirte; endlich war die Gelegenheit da, Herrn Rittmeister Wildenstein den Hals zu brechen.
Als der sich wendete, um zu gehorchen, stand Dietrich vor ihm und sah ihn unsagbar besorgt und beschwörend an. Wildenstein antwortete mit einem ernsten, entschlossenen Blick, einem Blick, der deutlich sprach für den verstehenden Freund: »Sag’ selbst, ist’s nicht genug?«
Nach dem Schluß der Reitschule ging Brand gerade aus ins Quartier seines Freundes. Da fand er ihn, mit dem Rücken an die Wand gelehnt, auf dem Bette sitzend, neben ihm lag die abgeschossene Pistole; er hatte sich meisterlich ins Herz getroffen. Auf dem Tische war sein Geld ausgebreitet, zweiundvierzig Gulden, und ein Briefbogen, auf dem mit Bleistift geschrieben stand:
»Lieber Dietrich, zwanzig Gulden meinem Burschen, den Rest den Leuten meiner Abtheilung. Hab’ Dank für Deine Liebe und Treue. Auf Wiedersehen. Ich glaube dran.«
Dieser Tag und die darauf folgende Nacht waren die schwersten im ganzen Leben Dietrich Brands. Da muß er fürchterlich mit sich gerungen haben. Am Morgen war sein Entschluß gefaßt. Beim Begräbniß des Freundes hat er zum letzten Male den Säbel gezogen.
Nach der Heimkehr von der Beerdigung verfaßte er sein Gesuch um Enthebung von der Militärcharge.
Im ganzen Regimente rief der Entschluß Brands Bestürzung hervor. Aber das änderte nichts daran. Er that auch keinen Dienst mehr. Der Regimentsarzt stellte ihm ein Krankheitszeugniß aus und konnte es mit gutem Gewissen thun. Er war ehrlich besorgt und sagte: »Ein Nervenfieber oder der Wahnsinn – der Herr Rittmeister kann von Glück sagen, wenn er ohne eines von beiden durchkommt.«
Als das Gesuch des Rittmeisters bewilligt worden und er wieder in den Civilstand zurückgetreten war, schickte СКАЧАТЬ