Название: Die Ahnen
Автор: Gustav Freytag
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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Längs dem rauschenden Bach gingen sie wohl eine Wegstunde, bis sie dahin kamen, wo die letzten Markzeichen in den Grenzbaum gehauen waren und die Geleise der Holzwagen aufhörten. Dort begann die Wildnis, welche nur der Jäger betrat, ein scheuer Wanderer, der über die Berge zog, und der gesetzlose Räuber, welcher heimatlos über die Erde irrte. Vor ihnen erhob sich der wilde Wald, Urstämme mit langen Flechten umhangen glänzten silbergrau, gleich riesigen Säulen, welche hoch oben das Laubdach trugen. Dichter Schatten deckte den Grund, über dem Wurzelgeflecht und gestürzten Stämmen lag die grüne Moosdecke, und große Farnwedel breiteten sich in der Dämmerung. Wolfram zog die Mütze, wie dem Jäger geziemte, wenn er unter die Wildbäume trat, und Walburg neigte sich mit ehrfürchtigem Gruß gegen den Hochwald: »Ihr Gewaltigen wachst frei gegen den Himmel, Sonnenschein und Regen fühlt ihr auf den Gipfeln, und der Quell im Felsen netzt euren Fuß. Gönnt auch mir das Gute, das ihr uns Fremdlingen gewährt, wenn wir euch furchtsam nahen, die Waldfrucht als Kost, weiches Moos als Lager, eure Zweige als Decke und eure Stämme als eine Ringburg gegen die Feinde.« Noch einmal wandte sie sich zum Lichte zurück, dann trat sie beherzt in den Schatten.
Wohl eine Stunde führte Wolfram zwischen den Stämmen über Berg und Tal. Endlich hielt er auf der Höhe vor einer riesigen Buche und sprach mit gedämpfter Stimme: »Dies ist der Baum.« Er bog vorsichtig das Farnkraut zurück, hob ein Stück Buchenrinde ab, welches die Höhlung verdeckte und wies hinein. Dann spähte er vom Höhenrand ringsumher. Nichts war zu sehen. »Es ist noch nicht die Zeit, in welcher er kommt, doch bist du sicher, daß er heut nicht ausbleibt, denn er hofft auf sein Roß.«
Der Jungfrau pochte das Herz, als sie um sich sah, eine Riesensäule hinter der anderen, bis die fernsten sie dicht einhegten wie eine ungeheure Mauer. »Wir scheiden, Wolfram, weiche zurück nach dem Hofe und laß mich hier, daß ich ihn allein treffe.«
»Wie darf ich ein speerloses Weib unter dem wilden Gewächs zurücklassen!« versetzte Wolfram unwillig.
»Geh dennoch, du Treuer, was ich mit ihm zu reden habe, geht uns allein an und kein anderer soll es hören. Willst du mir freundlich sein, so kehre morgen um Mittag hierher zurück und frage den Baum, wie es um mich steht. Ich will es, Wolfram, und du kränkst mich, wenn du anders tust.«
Wolfram streckte ihr die Hand hin. »Fahre wohl, Walburg, ich ginge nicht, aber ich weiß, daß der andere nicht lange säumen wird.« Er schritt abwärts, solange die Jungfrau ihn sehen konnte, dann warf er sich auf den Boden. »Harren will ich, bis ich seine Gestalt merke, damit ihr jemand nahe bleibt, der den Waldbrauch kennt.«
Walburg saß allein unter dem Baum, sie legte die Hände zusammen und blickte empor nach der Höhe, wo sie den blauen Himmel nicht mehr sah, nur Äste und Blätter. Unter den grauen Stämmen herrschte tiefes Schweigen, selten tönte von hoch oben der Ruf eines Vogels. Da fuhr es leise am nächsten Baumstamm herab, ein Eichhorn setzte sich ihr gegenüber auf den Ast, neigte ihr zuweilen den kleinen Kopf zu und blickte sie mit den runden Augen an, während es eine Ecker in den Pfoten hielt und daran nagte. Auch Walburg grüßte das Waldtier und sprach rühmend: »Gut stehen dir deine Ohrbüschel und dein stolzer Schweif; sei mir freundlich, Rothaar, denn ich sinne dir nichts Böses, und könnte ich dir helfen mit Eicheln und Eckern in deinem Haushalt, ich täte es gern. Doch reicher bist du als ich, denn du hältst dein Wesen hoch in der Baumhalle, wir Menschenkinder aber schreiten beschwerlich über die Wurzeln. Ich kümmere mich um einen, den du leicht erspähst, wenn du durch die Wipfel schweifst, siehst du ihn auf seinem Wege, so laufe vor ihm, daß du ihn zu mir führst.« Das Eichhorn nickte mit dem Kopf, warf die Frucht auf den Boden und fuhr eilig den Stamm hinauf.
»Es tut nach meinem Willen«, sprach Walburg lächelnd. Da vernahm sie einen schnellen Schritt, sie hörte sich beim Namen rufen und sah den Friedlosen, der zwischen den Stämmen auf sie zusprang, sich neben ihr in das Moos warf und ihre Hand faßte. »Kommst du doch«, rief er, und in dem frohen Schreck versagte ihm die Stimme. »Dich noch einmal zu sehen, habe ich heimlich gehofft, und täglich wandelte ich über das Moos, wie gebannt an den Baum.« Walburg strich ihm liebkosend die Wange und das Haar. »So bleich das Antlitz, verworren die Locke und hager der Leib, du armer Schatten, der das Sonnenlicht meidet, dir war der Wald feindlich, denn dein Aussehen ist vergrämt und dein Auge starrt wild auf das Kind deines Gastfreundes.«
»Es ist unmenschlich im Walde, und fürchterlich ist die Einsamkeit für den Ausgestoßenen,« antwortete Ingram, »seinen Fuß klemmt die Baumwurzel, die Äste raufen ihm das Haar, und die Krähen in der Höhe reden mißtönend miteinander, ob er ihnen zum Fraß wird oder nicht.« Er fuhr empor. »Weiß ich doch nicht, ob ich mich freuen soll, da ich dich sehe; du kommst von den Priestern und du gehst zu ihnen zurück, um ihnen die gute Botschaft zu verkünden, daß du mich in Elend und Jammer gefunden hast.«
»Ich war bei den Priestern und ich komme zu dir,« antwortete Walburg feierlich, »aus dem Hof der Christen bin ich gegangen, um für dich zu sorgen, wenn ich es vermag; die Menschen habe ich verlassen und den wilden Wald habe ich gewählt, wenn du mich haben willst.«
»Walburg!« schrie der Friedlose, warf sich wieder neben ihr auf den Grund, er umschlang sie mit seinen Armen, drückte sein Haupt an ihren Leib und schluchzte wie ein Kind.
Walburg hielt ihm das Haupt, küßte ihn auf sein Haar und sprach ihm tröstend wie eine Mutter zu: »Sei ruhig, du Wilder, ist dein Schicksal auch schwer, du hast eine, die dir‘s tragen hilft. Auch ich bin aufgewachsen nahe der Wildnis und nahe den Räubern der Grenze; die Bedrängten rettet wohl geduldiger Mut. Setze dich dort mir gegenüber, Ingram, und laß uns bedächtig reden wie sonst, wenn wir am Herde meines Vaters zueinander sprachen.«
Ingram setzte sich gehorsam, aber er hielt ihre Hand fest.
»Drücke auch nicht so traulich meine Hand,« mahnte Walburg, »denn ich habe dir Schweres zu sagen, was der Mund eines Mädchens nicht gern spricht.« Ingram aber unterbrach sie: »Bevor du redest, höre auch meine Meinung.« Er hob einen Kiesel aus dem Moose und warf ihn hinter sich. »So tue ich ab, was uns trennte, vergiß auch du, Walburg, was dich an mir gekränkt hat, gedenke nicht der Sorbenfessel und nicht der Lösung durch die Fremden, und ich flehe, verstöre mich nicht durch strenge Rede, denn so selig fühle ich mich jetzt, da ich dich vor mir schaue und deine Treue erkenne, daß ich um Bann und Friede wenig sorgen will. Du bist meinem Herzen sehr lieb, und heut, wo du zu mir kommst, mag ich an nichts denken als an dich und mich deiner zu freuen.«
Der Schleier, welcher das halbe Antlitz der Jungfrau verhüllte, bewegte sich. »Sieh doch erst zu, Ingram, wen du lieb hast, wir loben den Freier, der vorher betrachtet, was er erwerben will.« Sie schlug den Schleier zurück, eine rote Narbe zog sich über die linke Wange, eine Hälfte des Gesichts war ungleich der anderen. »Das ist die Walburg nicht, deren Wange du einmal gestreichelt hast.« Er sah das Angesicht vor sich, welches ihn damals erschreckt hatte, wo er das Schwert gegen den Bischof hob. Sie blickte spähend nach ihm, und als sie sein Staunen sah, verhüllte sie die Wange wieder und wandte sich ab, um ihre Tränen zu verbergen.
Ingram rückte sich näher und rührte leise an die andere Wange. »Laß mich diese küssen«, sagte er treuherzig. »Ich bin erschrocken, СКАЧАТЬ