Die Ahnen. Gustav Freytag
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Название: Die Ahnen

Автор: Gustav Freytag

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ mir und stark ist dein Mut, darum lege ich heut in deine Hand die Fäden, an denen, wie die Priesterin sprach, mein Schicksal hängt.« Er bot ihr eine kleine Tasche von Otterfell mit starken Riemen daran. Irmgard sah scheu auf die Gabe. »Sie birgt den Drachenzauber,« fuhr Ingo leise fort, »den Sieg der Römer, wie unsere Krieger meinen, und auch mein Los. In der Königsburg hat der Römer Gold gespendet, möglich ist, daß die Mannen des Königs mir Unheil bereiten. Töten sie mich mit meinem Gesinde, so soll doch der Römer nicht wiedergewinnen, was, wie man sagt, ihm den Sieg verleiht. Darum bewahre du mir den Purpur, bis ich ihn fordere; wenn aber den Feinden ihr Werk gelingt, dann trage das Geheimnis zu dem Totenhügel, den sie über mich werfen, und senke es dort tief in die Erde, damit kein Fremder es jemals gewinne.«

      Irmgard ergriff die Tasche, hielt sie mit beiden Händen, und ihre Tränen rollten darauf. »Fremd wurdest du dem Herd meiner Väter, mein Gastfreund bleibst du doch, Ingo, und nahe an meinem Herzen sollst du wohnen. Hier bewahre ich, was du mir botest, und zu den Schicksalsgöttern flehe ich, daß dies Unterpfand auch mir Anteil werbe an deinem Geschick. Wäre ich als Knabe geboren, wie die Eltern sich wünschen, ich dürfte dir auf deinem Pfade folgen. Aber einsam werde ich sitzen mit verschlossenen Lippen im freudelosen Hause, und an dich werde ich denken, den nur die Habichte schauen, die wilden Vögel, wenn sie zwischen Himmel und Menschenerde fliegen. Denn ruhelos wanderst du, edler Mann, durch feindliche Mauern unter wehendem Wind und fallendem Reif.«

      »Traure nicht, Holde,« bat Ingo, »denn ich fürchte nicht, daß es den Feinden gelingen wird mich auszutilgen; wirbelt auch kalter Schnee, mein Herz ist froh, da ich dir vertraue, um die ich sorge. Bei Nacht und Tag ist mein Gedanke, wie ich dich mir gewinne.«

      »Dem der Vater zürnt und den die Mutter haßt, den liebt das Kind, gibt es größeres Leid auf Erden?« klagte Irmgard.

      Da umschlang er sie mit seinen Armen und sprach zärtlich: »Birg deine Liebe still vor den anderen, wie der Baum seine Kraft in der Erde birgt, wenn der Sommer weicht. Jetzt tobt um uns die wilde Gewalt des Winterriesen, mit weißem Bahrtuch bedeckt ist die Wonne der Flur. Auch du, Holde, trage still die eisige Last. Wenn die Knospen springen und junges Grün aus der Erde sprießt, dann schaue empor zur Frühlingssonne und lausche, ob du den Sang der wilden Schwäne hörst, wenn sie durch die Luft ziehen.«

      »Ich berge und harre,« antwortete Irmgard feierlich, »du aber denke, wenn der Sturm um dein Haupt tobt, daß ich zu dir klage und rufe, und wenn die milde Sonne über dir lacht, daß ich um dich weine.« Sie riß ein Band von ihrem Gewande und knüpfte es um seinen Arm. »So binde ich dich für mich, damit du auch wissest, daß du mir gehörst wie ich dir«, und sie warf die Arme um seinen Hals und hielt ihn fest umschlungen.

      Von der Seite klang mißtönend der Schrei eines Raubvogels. »Der Wächter mahnt, daß du dich von mir wenden sollst«, rief Ingo. »Segne mich, Irmgard, daß meine Reise heilvoll sei für dich und mich.« Er neigte das Haupt unter ihre Hände, sie aber hielt die Arme über ihn, bewegte die Finger und raunte den Segen. Dann umfing der Mann sie noch einmal in heißem Trennungsweh und schwang sich aufwärts in den Tannenwald. Irmgard stand wieder allein zwischen Fels und Wald, und um sie wehte der Winterschnee.

      Spät am Morgen ritten die Vandalen aus dem Hofe Rotharis, unter ihnen Ingo mit gehobenem Mut, obwohl er schwieg, denn seine Gedanken flogen zurück zu dem Weib im Herrenhofe. Um Mittag kamen sie zu dem Dorf, das man im Lande »freies Moor« nannte, wo die Hofstätte Beros stand. Die Sonne schien lustig auf das weiße Erdtuch, und an den Häuptern der Weiden glitzerte der Reif. Die Brücke über den Dorfgraben war mit grünen Fichtenzweigen geschmückt, am Wächterhaus daneben standen die Landleute im Festkleide, vor ihnen Bero und seine sechs Söhne, kräftige Jünglinge mit starken Gliedern und großen Händen. Und Bero rief: »Als die letzten Gaugenossen wohnen wir an deiner Straße, und wir gedenken euch warm zu halten unter unseren Rohrdächern, bis ihr in die Fremde reitet.« Die Reiter stiegen fröhlich ab und schritten zwischen den Landleuten in das Dorf. »Wir teilen uns in die Bewirtung,« fuhr Bero fort, »damit jeder von den Nachbarn Gastfreunde ehre, und gefällt es den jungen Gesellen, so mögen sie nach dem Mahl mit unseren Knaben die Mädchen zum Tanze führen in geräumiger Stube oder auf gefegter Tenne, wie unser Brauch ist.« Darauf ergriff er selbst den Zügel von Ingos Roß und geleitete seine edlen Gäste durch das offene Hoftor. Während seine Söhne die Rosse anbanden und den Hafer schütteten, traten die Herren vor das Haus, auf dessen Schwelle Fridas Mutter mit ihren Mägden auf die Fremden wartete und die sonnengebräunte Hand bot. Über dem gestampften Lehmboden der weiten Hausflur stand ein gedeckter Tisch mit den Holzstühlen, von der erhöhten Bühne im Hintergrunde guckten blauäugige, flachsköpfige Kinder hervor und bargen, wenn die Gäste ihnen zulachten, verlegen die Köpfe hinter der Brüstung. »Rufe zum Mahl«, mahnte der Bauer seine Frau, »und bringe das Beste, was wir vermögen, denn die Gäste sind Herrenkost gewohnt.« Ingo lud die Wirtin neben sich auf den Sitz, sie aber wehrte und trug selbst die Speisen auf und ab. »Das dünkt mich gute Gewohnheit,« erklärte Bero, »denn das Auge der Wirtin sieht am schnellsten, was dem Gaste fehlt, und auch dem Wirte wird zuweilen lästig, wenn die Ohren der Dienstleute auf das gesprochene Wort horchen.«

      Viele Gerichte bot die Wirtin, endlos trug sie die Schüsseln, und bei jeder nötigte sie zu nehmen. Endlich führte der Wirt den König und Berthar in seine Kammer, dort saßen die drei am kleinen Tisch nieder, und er schenkte ihnen in die Töpfe kräftigen Met, vor Alter schwärzlich und dick wie Honigseim. »Den Trank hat meine Mutter gebraut, da sie in diesen Hof kam«, sagte er empfehlend. Er hob seinen Krug, brachte den Gästen den Heilgruß und begann feierlich: »Unsere Alten verkünden, daß einst ein Gott die Edlen schuf, die freien Bauern und die Knechte, da er über den Erdgarten wanderte. Jeder Art verlieh er besondere Gaben, euch Edlen, das Volk im Kampfe anzuführen, wenn wir euch folgen; uns dagegen, im Sommer und Winter über den Fluren zu walten, den Knechten, sorgenvoll mit gekrümmtem Rücken zu arbeiten. Der Edle und der Freie – beide können einander nicht entbehren. Ihr Helden vermögt nicht Ruhm zu gewinnen, wenn wir euch nicht auf die Kampfheide nachziehen, und wir mögen nicht sicher bauen, wenn ihr uns nicht durch Rat und Waffenwerk die feindlichen Nachbarn abwehrt. Ihr habt die beste Ehre im Kampfe, denn selten feiert der Sänger die Kriegstat der Bauern, aber ruhelos ist euer Leben, und unstet fahren die Geschlechter der Edlen dahin. Wir aber weilen dauerhaft auf dem Acker, und wenn auch ein Wirt erschlagen wird und sein Hof verbrannt, so treten doch seine Söhne in die Schuhe des Vaters, zimmern und bauen wieder über den Schollen.«

      Die Gäste freuten sich der guten Rede und nickten ihm Beifall. Und bedächtig fuhr Bero fort: »So habe ich nun euch, ihr Helden, durch manche Woche beachtet, und ich habe erkannt und vernommen, daß ihr billig denkt und in guter Zucht lebt. Darum meine ich, wir könnten wohl einander nützlich sein. Hofft völlig nichts von unseren Edlen, manche unter ihnen wissen sich selbst nicht zu beraten; und erwartet nichts von dem Könige, denn er hegt Argwohn und Neid gegen jedermann, der ihm nicht dient. Versucht darum euer Heil mit den Bauern. Als ich dich, Held Berthar, vom Süden herführte, da sprach ich bereits ein wenig von meinem Geheimnis, wie man mit einem Fremden spricht; heut aber will ich euch völlig vertrauen. Gastfreund bin ich von den Ahnen her mit freien Männern am Idisbach. Sie gehören einem redlichen Volk zu, man nennt sie die Marvinge. Blutsverwandt sind sie uns Thüringen, längst aber hausen sie für sich als ein kleiner Stamm in den Tälern am Bach der Idis, der hohen Schicksalsfrau. Sie haben vor Jahren ihr Herrengeschlecht und die besten Krieger verloren, weil diese sich ihnen verfeindeten und nach Ruhm und Beute westwärts unter die Franken zogen.

      Seitdem sitzen die Zurückgebliebenen bedrängt von unseren Siedlern jenseit der Berge und südwärts gegen den Main von den Burgunden. Unleidlich ist ihnen die Doppelzwinge geworden, und ein Teil bereitet sich in der Stille, wenn die Bäume wieder grüne Reiser treiben, gleichfalls auszureisen und den Fürsten nachzuziehen. Deshalb ritt auch ich im Herbst über die Berge, um Rosse und Zugochsen zu vertauschen gegen ihre Schweine, die sie nicht selbst schlachten wollen. Dort sah ich wonnevolles Weideland, billig zu kaufen, und ich dachte an die Knaben in meinem Hofe. Die Gastfreunde aber klagten mir, soviel ihrer jetzt noch im Land der Väter bleiben wollten, daß ihrem kleinen Bienenschwarm der Weisel fehle, denn sie entbehren ein Herrengeschlecht, welches СКАЧАТЬ