Название: Onnen Visser
Автор: Sophie Worishoffer
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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Der Marsch begann aufs neue; die durstigen ermüdeten Soldaten murrten laut und die Sonne schien brennend heiß vom Himmel herab. Buchweizenfelder lagen zur Seite des Weges, andere ebenso trostlose Moorhütten – dann kam endlich der Augenblick, wo Monsieur Renard durch seine Lorgnette vor sich einen etwas erhöhten Gegenstand sah.
»Sie, Herr, was ist das da? Man könnte es wahrhaftig für eine Mastspitze halten!«
»Und hätte damit das richtige getroffen, Herr Leutnant. Es ist wirklich eine solche.«
»Was?«
»Es ist eine solche, sage ich.«
Über dem braunen Erdboden erschienen kleine bunte Fähnchen, wie Kinderspielzeug in Reihe und Glied aufgestellt, noch mehr Mastspitzen, endlich rote Ziegeldächer, helle silberne Rauchwölkchen, die sich lustig zum Himmel erhoben. Mit jedem Schritt über das öde Moor erweiterte sich das Panorama da unten, ein Dorf kam zum Vorschein, Fruchtbäume, Gärten, saubere Straßen, Schiffe und endlich ein Kanal.
Mitten im dürren wüsten Moor, meilenweit von der See, von der Ems entfernt, tief im Herzen des Binnenlandes Schiffe! Das war ein unerwarteter Anblick.
»Dort wird es wenigstens Lebensmittel geben!« rief Monsieur Renard.
Der Ratsschreiber sah unruhig hinab auf das kleine blühende Gemeinwesen zu seinen Füßen. Ob die arglosen Fehnbauern ohne Plünderung davonkommen würden?
Die Soldaten begannen schon zu singen. Da unten harrte ihrer eine reiche Beute.
Zwischen Obstbäumen lagen Kirche und Schule, dörfliche Läden zeigten ihre bescheidenen Warenvorräte, und aus allen Enden und Winkeln strömte das kleine Völkchen herbei, um die fremden Ankömmlinge zu bewundern.
Hinter den Scheiben erschienen bleiche Gesichter; der Vogt eilte den gefürchteten Gästen entgegen, um zu hören, weshalb sie kämen – das ganze Dorf versammelte sich auf der einzigen, den Kanal begrenzenden Straße.
Vor jeder Haustür lag ein Fahrzeug, bald ein größeres Schiff, bald ein Langboot, das nur den kostbaren Schlick des Emswatts hierher brachte auf das unfruchtbare Moor, Torfkähne aller Art, selbst größere Schaluppen, die den Brennstoff einnahmen, um ihn den Städten zuzuführen und dafür Waren oder – Dünger nach Hause zu bringen.
Alles glänzte in tadelloser Sauberkeit, im Schmucke bunter Blumen und Wimpel. Alles zeigte auf den ersten Blick jenen behäbigen Wohlstand, der genügende äußere Mittel besitzt, um über die nackte Plage des Daseins hinaus seine Umgebung hübsch und bequem einzurichten.
Monsieur Renard strich sich den Bart. Er ließ den Vogt kommen und seine Leute in Reih und Glied aufziehen, dann erfolgte eine Proklamation des Präfekten Jeannesson, übersetzt vom Ratsschreiber und mit dem furchtbarsten Erschrecken von den Einwohnern vernommen. Die armen Leute glaubten ihren Augen, ihren Ohren nicht trauen zu dürfen.
Auf Norderney sollten Schanzen gegen die Engländer erbaut werden und dazu brauchte Seine Majestät der Kaiser sowohl Mannschaften wie Schiffe. Kapitän d‘Ortalan und Leutnant Renard waren beauftragt, beides herbeizuschaffen; sie zogen von einer Fehnkolonie zur andern, um sämtliche Fahrzeuge mit ihrer Bemannung nach Norddeich zu bringen. Die nötige Erde konnte hier genommen werden und dann der Bau vonstatten gehen.
Als die Hiobspost verlesen war, ließ der Kapitän seine Leute bei den Bauern einquartieren, und nun begann ein allgemeines Gelage, in dessen Verlauf die Leute hergeben mußten, was Küche und Keller enthielten. Während gänzliche Verarmung, der Ruin alles Bestehenden durch den auf sämtliche Fahrzeuge gelegten Beschlag unausbleiblich schienen, mußten die hartbetroffenen Menschen noch ihre Vorratskammern öffnen und das Beste, was sich darin vorfand, preisgeben – die französische Willkür trat eben damals zur Befriedigung ihrer Wünsche, ihrer üppigen Genußsucht ganz Deutschland rücksichtslos mit Füßen.
Kapitän d‘Ortalan und Leutnant Renard begaben sich in das Haus des Predigers, um jedenfalls für sich das bequemste Plätzchen zu erhaschen, aber sie wurden von dem geistlichen Herrn sehr kühl empfangen, nicht in das Familienzimmer geführt und keiner Unterhaltung gewürdigt; man gab Lebensmittel und Wohnung, aber das war alles.
Bald erschienen auch mehrere Kapitäne und Schiffer, um gegen die angeordnete Maßregel Einspruch zu erheben; sie zeigten ihre Papiere, nach denen eingegangene Verpflichtungen zu erfüllen waren, sie baten und flehten, aber ganz umsonst, schon am nächsten Tage sollten sämtliche Fahrzeuge, Schiffe und Kähne nach Norddeich unter Segel gehen.
Wie ein Blitzstrahl hatte die Gewaltmaßregel die Kolonie betroffen. In allen Häusern flossen bittere Tränen, rangen Männer und Frauen dem hereinbrechenden Verhängnis gegenüber die Hände. Mit den Schiffen schwand auch die Möglichkeit der Arbeit, der ehrlichen bürgerlichen Existenz.
Die Soldaten sangen und jubilierten. Sie hatten die Hirschkeulen gebraten, das junge Gemüse aus den Gärten geraubt, die Früchte von den Sträuchern, Bier und Wein aus den Kellern; sie ließen sich‘s wohl sein, indes ihre unwilligen Wirte voll bitterer Angst die Hände zum Himmel erhoben.
Kapitän d‘Ortalan runzelte die Stirn. »Mir scheint, daß man den Befehlen Seiner Majestät sehr unwillig nachkommt«, sagte er in scharfem Tone. »Das Volk hegt rebellische Gedanken – wäre es nicht gut, ein Exempel zu statuieren?«
»Sicherlich!« nickte Monsieur Renard. »Je fester wir die Zügel erfassen, desto leichter wird unsere Aufgabe.«
Das Dienstmädchen des Predigers erhielt den Befehl, schleunigst den Vogt herbeizuschaffen, und als der Geängstigte kam, da fuhr ihn Kapitän d‘Ortalan sogleich grob an, sprach von schärferen Maßregeln und strenger Handhabung der Gesetze, dann erwähnte er, daß in der Familie Seiner Majestät des Kaisers heute ein Geburtstag gefeiert werde. »Es bedarf zur Verherrlichung des Tages einer Illumination«, schloß er seine Rede, »bei Beginn des abendlichen Dunkels sollen vor jeder Fensterscheibe zwei Lichter brennen, außerdem gebe ich den Soldaten einen Ball, wozu das Dorf die nötigen Musiker sowie Getränke und Speisen zu liefern hat. Alle Frauen und Mädchen müssen in ihren Sonntagskleidern erscheinen.«
Der Vogt wurde blaß. »Wenn sie nun aber nicht tanzen wollen!« rief er voll heimlicher Furcht.
Ein boshaftes Lächeln kräuselte die Lippen des Franzosen. »Dann gebe ich meinen Leuten die Erlaubnis, sich ihre Damen selbst einzuladen«, versetzte er.
Und der Vogt schwieg. Es half nichts, sich den Gewalthabern entgegenzustemmen, selbst wenn die heiligsten Rechte bedroht waren.
Von Tür zu Tür huschte die schlimme Botschaft, von einem erschreckten Menschenherzen zum andern; als der Abend herabsank, glühten langsam, einzeln, die befohlenen Flämmchen in den Fenstern auf und warfen spielende rosige Lichter hinüber zum Kanal, in dessen Fluten es wie helle Sterne zu glänzen schien. Haus nach Haus in langer Reihe schmückte sich mit den glitzernden Lichtern, – blassen Antlitzes schlichen die Dorfmusikanten mit Fiedelbogen und Klarinette zum Tanzsaal.
Gedrängt an den Wänden, ängstlich blickend und stumm saßen Frauen und Mädchen. Von den Männern des Dorfes hatte kein einziger den Tanzplatz betreten, aber alle standen im Hofe des Wirtshauses und in aller Herzen lebte ein trotziger, verwegener Entschluß. Wenn da drinnen eine Ungebühr geschah, sollten die Franzosen an diesem Abend erfahren, wie ihnen im Grunde die Deutschen gesinnt waren.
Es kam nichts dergleichen. Die lebensfrohen Soldaten dachten nur an das Vergnügen, obwohl dasselbe sonderbar genug ausfiel. Stumm reichte der Wirt das verlangte Getränk, stumm erhob sich die Tänzerin, wenn der Kavalier mit zierlicher Verbeugung nahte – es lag ein Grabesschweigen СКАЧАТЬ